OGH 13Os146/08g

OGH13Os146/08g5.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin in der Strafsache gegen Joachim K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 6. Mai 2008, GZ 21 Hv 8/08g-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Joachim K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (I) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Bregenz

I. von Jänner 2002 bis Dezember 2003 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Angestellte der W***** AG durch Täuschung über Tatsachen zur Auszahlung von Provisionen von insgesamt 257.718,19 Euro verleitet, welche das genannte Unternehmen um einen 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, indem er 14 Anträge für fondsgebundene Lebensversicherungen „mit provisionsmaximierender Vertragsgestaltung, nämlich Laufzeiten zwischen 20 und 30 Jahren und hohen Prämien", hinsichtlich der im Urteil einzeln genannten Polizzen und Versicherungsnehmer trotz anders lautender Vereinbarung mit Letztgenannten einreichte;

II. sich im November oder Dezember 2003 als selbständiger Versicherungsagent ein ihm anvertrautes Gut in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er Geldbeträge, die ihm von Versicherungsnehmern auf sein Bankkonto überwiesen worden waren und die er zur Bezahlung von Versicherungsprämien an die W***** AG überweisen sollte, für sich verwendete.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte meldete in der Hauptverhandlung nach Verkündung des Urteils Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (S 449/III), worauf seinen Wahlverteidigern (vgl ON 10) am 16. Mai 2008 eine Urteilsausfertigung zugestellt wurde (RS bei ON 72). Diese teilten mit einem am 12. Juni 2008 - einen Tag vor Ablauf der vierwöchigen Frist zur Ausführung der Rechtsmittel (§§ 285 Abs 1, 294 Abs 2 StPO) - im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs beim Erstgericht eingebrachtem Schriftsatz mit, „dass das Vollmachtsverhältnis zwischen dem Angeklagten und seinen bisherigen Verteidigern aufgelöst ist" (ON 75).

Dem zugleich gestellten Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers für das weitere Verfahren - dem das Erstgericht entsprach, worauf die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer einen der früheren Wahlverteidiger bestellte (ON 76), der am 18. Juli 2008 die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung beim Erstgericht einbrachte (ON 79) - kam keine die mit der Zustellung an den Wahlverteidiger am 16. Mai 2008 in Gang gesetzte Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel unterbrechende Wirkung zu, wie sich aus § 63 Abs 2 erster Satz StPO klar ergibt. Vielmehr hat der Verteidiger, wenn die Vollmacht zurückgelegt oder gekündigt wird, weiterhin die Interessen des Beschuldigten (Angeklagten) zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen nötigenfalls vorzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte hätte ihm dies ausdrücklich untersagt (§ 63 Abs 2 zweiter Satz StPO; vgl § 11 Abs 2 und Abs 3 RAO; zur Rechtslage nach § 43a StPO aF zB 13 Os 109/07i, 110/07m). Einen solchen Sachverhalt haben die Verteidiger anlässlich der Mitteilung über die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses (ON 75) nicht bekanntgegeben.

Angemerkt sei übrigens, dass die in der Nichtigkeitsbeschwerde (S 8) zum Schuldspruch II vermisste Zueignungshandlung hinreichend dem dazu festgestellten Verhalten des Angeklagten zu entnehmen ist (US 23 f).

Da die Nichtigkeitsbeschwerde somit verspätet ausgeführt wurde und bei ihrer Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, war sie bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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