Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht des Landesgerichts Wr. Neustadt verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mehmet A***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er
I. Ihsan U***** dadurch, dass er einen gezielten Schuss mit einer Bockflinte auf ihn abfeuerte, vorsätzlich getötet;
II. dadurch, dass er nach der unter I. genannten Tat mit der Bockflinte mehrfach auf den Leichnam des Ihsan U***** einschlug, sodann mit einem Messer das Glied der Leiche abschnitt und es auf deren Kopf legte, einen Leichnam misshandelt und verunehrt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer auf Z 5, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zu Recht macht er aus dem Grund der Z 5 eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte durch die Abweisung des Antrags auf „Verlegung" (gemeint: Vertagung, § 276, s auch § 226 StPO) der Hauptverhandlung „auf einen Termin nach dem 4. Juli 2008 zum Zweck der Beiziehung des Sachverständigen Prof. Dr. H***** gemäß der Bestimmung des § 249 Abs 3 StPO" geltend, die „zur Vermeidung von weiteren Verzögerungen" beschlossen wurde (ON 78 S 17, ON 81 S 47; indem der [mangels exklusiver Kompetenz des Vorsitzenden zuständige] Schwurgerichtshof über den Antrag erkannte, machte er deutlich, dass dieser auch in der Hauptverhandlung gestellt wurde; vgl demgegenüber die Protokollierung ON 81 S 39; RIS-Justiz RS0118060 [T2, T4]).
Gemäß § 249 Abs 3 StPO kann der Angeklagte in der Hauptverhandlung zur Befragung eines Sachverständigen eine Person mit besonderem Fachwissen beiziehen, der ein Sitz neben dem Verteidiger zu gestatten ist. Diese darf den Verteidiger bei der Fragestellung unterstützen, ohne jedoch selbst Fragen an den Sachverständigen richten zu dürfen.
Das Fragerecht des Angeklagten und des Verteidigers dient auch dem Grundrecht auf Verteidigung: Es ermöglicht ergänzende Fragen, insbesondere Kontrollfragen, an Mitangeklagte, Zeugen und Sachverständige, und entspricht damit dem in Art 6 Abs 3 lit d MRK auf Verfassungsebene verankerten Recht des Angeklagten zur Befragung von Belastungszeugen. Zu letzteren zählen schon nach der Rechtsprechung vor deren Positivierung (im nunmehrigen § 249 Abs 3 StPO) iSd Art 6 Abs 3 lit d MRK auch Sachverständige (Kirchbacher, WK-StPO § 249 Rz 17; 14 Os 129/05k, JBl 2006, 536 [Burgstaller] = EvBl 2006/32, 170 = RZ 2006, 156 [RZ-EÜ 2006/212] = AnwBl 2006, 429 = SSt 2005/85 = Der Sachverständige 2006, 42 [Krammer] = AnwBl 2007, 235).
Der Antrag auf Vertagung der Hauptverhandlung beruhte auf dem Vorbringen, dass der Verteidiger zur Befragung der vom Gericht bestellten Sachverständigen Dr. Anton F***** und Dr. Mag. Sonja P***** der Unterstützung des von ihm beigezogenen Fachmanns Univ.-Prof. Dr. Raimund H***** bedürfe, dieser aber am 4. Juli 2008 wegen Abhaltung eines Hauptreferats auf der gesamteuropäischen Tagung der forensischen Psychiatrie in Rostock verhindert sei (ON 78 S 17 f). Im konkreten Fall könne nicht irgend ein Fachmann beigezogen werden, sondern derjenige, der den Akt studiert und - wie mit Erlaubnis des Gerichts (ON 78 S 9) der Genannte - den Angeklagten „befundet" habe, somit umfangreiches konkretes Wissen aufweise (ON 78 S 19).
Zur Ermöglichung effizienter Ausübung des grundrechtlich garantierten Fragerechts des Angeklagten hätte dem Verlegungsantrag daher stattgegeben werden müssen. Der Verteidiger hatte ausreichend begründet, weshalb es just auf den genannten Sachverständigen bei der angestrebten Unterstützung zur Ausübung des Fragerechts ankomme.
Weil schon dieser Nichtigkeit bewirkende Verfahrensfehler (§ 345 Abs 1 Z 5 StPO) zur Aufhebung des Wahrspruchs der Geschworenen und des darauf beruhenden Urteils und zur Verweisung der Sache an das Geschworenengericht des Landesgerichts Wr. Neustadt zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung führt (§ 349 Abs 1 StPO), bedurfte das übrige Beschwerdevorbringen keiner Erörterung.
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