Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Karl M***** und Rainer M***** des Verbrechens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 2, Abs 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie von 24. Jänner 2007 bis 7. Februar 2007 in Horn ihre Verpflichtung, und zwar Karl M***** zur Fürsorge für seinen Sohn und Rainer M***** zur Obhut gegenüber dem wegen Krankheit und Schwachsinn wehrlosen Bruder Günther M*****, gröblich vernachlässigt, indem sie es trotz Erkennens der gravierenden Symptome einer schweren Krankheit unterließen, für ärztliche Hilfe oder Unterbringung Günther M*****s in einem Spital zu sorgen bzw die Bestellung eines Sachwalters zwecks Einwilligung in eine Heilbehandlung anzuregen, wodurch sie, wenn auch nur fahrlässig, dessen Gesundheit beträchtlich schädigten, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, vom Erstangeklagten auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO, vom Zweitangeklagten auf Z 9 lit a leg cit gestützt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten Karl M*****:
Dessen Mängelrüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) kritisiert die Begründung der tatrichterlichen Feststellung, dass durch eine Behandlung in einem Krankenhaus und die chirurgische Versorgung der mindestens in den letzten drei Tagen vor seinem Tod vorliegenden Darmlähmung mit Sicherheit der Tod Günther M*****s abgewendet hätte werden können (US 6), mit dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Experten (US 15). Dieser habe nämlich lediglich ausgeführt, „ein früheres Eingreifen, insbesondere eine Krankenhauseinweisung hätte doch dazu geführt, dass man diesen Darmverschluss chirurgisch behandelt hätte und dass mit großer Wahrscheinlichkeit der Tod unterblieben wäre" (S 295).
Der Beschwerdeführer übergeht jedoch bei dieser Argumentation, dass der Sachverständige in weiterer Folge auch ausführte, dass bei entsprechender medizinischer Behandlung „davon auszugehen ist", dass der Patient am Leben bleibt (S 297).
Solcherart brachte dieser aber jene mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zum Ausdruck, die für die Kausalitätsprüfung einer Unterlassung hinreicht (vgl Hilf in WK² § 2 Rz 56 f), und es zeigt sich die erstgerichtliche Annahme somit mängelfrei begründet.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten Rainer M*****:
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung des Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).
Soweit der Beschwerdeführer eine Fürsorgepflicht für seinen Bruder bestreitet, lässt er außer Acht, dass nicht deren Verletzung, sondern die Vernachlässigung der ihn treffenden Obhutsverpflichtung Grundlage seiner Verurteilung ist (US 5; zum Begriff Obhut als faktisches Schutz- oder Betreuungsverhältnis vgl Hauptmann/Jerabek in WK² § 92 Rz 5). Seine „Ansicht", ihm fehle die „Garantenstellung" (gemeint wohl die vom Sonderdelikt geforderte qualifizierte Tätereigenschaft; Hauptmann/Jerabek in WK² § 92 Rz 2), weil er lediglich „zumindest in den letzten zwei Wochen vor dem Tod des Günther M***** den Erstangeklagten Karl M***** bei der Pflege nur unzureichend und unsachgemäß unterstützt" habe, bleibt der Zweitangeklagte auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen juristisch zu begründen schuldig.
Die Bestreitung des Obhutsverhältnisses mit eigener Hilflosigkeit und einer Obhut des Erstangeklagten für den Zweitangeklagten geht von urteilsfremden Annahmen aus, da lediglich die finanzielle Unterstützung des seit Jahren beschäftigungslosen Zweitangeklagten durch seinen Vater konstatiert wurde (US 3).
Die vermissten Feststellungen zur inneren Tatseite finden sich in US 5 bis 7.
Die Prämisse, „auch die Bestellung eines Sachwalters zumindest drei Tage vor dem Tod des Günther M***** hätte eine Abhilfe nicht ermöglicht", steht im diametralen Gegensatz zur tatrichterlichen Feststellung US 6.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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