OGH 12Os119/08d

OGH12Os119/08d23.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Oktober 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Metz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang G***** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Anzeigers Guido P***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 10. Juli 2008, AZ 9 Bs 223/08w, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Am 12. Oktober 2007 erstattete Guido P***** durch seinen Anwalt bei der Staatsanwaltschaft Salzburg eine Anzeige gegen Wolfgang G***** mit den Vorwürfen von Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB und der falschen Beweisaussage bei einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB. Am 28. März 2008 stellte die Staatsanwaltschaft Salzburg dem Rechtsvertreter des Anzeigers eine Benachrichtigung von der Einstellung des Verfahrens gegen Wolfgang G***** zu.

Mit am 23. April 2008 bei der Staatsanwaltschaft Salzburg eingelangtem Schriftsatz beantragte Guido P***** die Fortführung des Strafverfahrens nach § 195 Abs 1 StPO. Zugleich begehrte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der in § 195 Abs 2 StPO vorgesehenen Frist für die Einbringung dieses Antrags.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 10. Juli 2008 wies das Oberlandesgericht Linz den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Beschwerde ist unzulässig.

Nach Ansicht der Generalprokuratur ist die Beschwerde unzulässig, weil dem Obersten Gerichtshof gemäß § 34 Abs 1 StPO eine Zuständigkeit als allgemeines Rechtsmittelgericht iSd § 87 Abs 1 StPO nicht zukomme. Aus § 34 Abs 1 Z 6 StPO lässt sich allerdings kein derartiger genereller Ausschluss von nicht in dieser Bestimmung oder in besonderen Vorschriften aufgezählten Kompetenzen des Obersten Gerichtshofs ableiten. Denn dieselbe Eingrenzung findet sich auch in § 33 Abs 1 Z 6 StPO für das Oberlandesgericht, obgleich die nicht eigens aufgezählte Rechtsmittelkompetenz dieses Gerichts betreffend Entscheidungen des Vorsitzenden des Schöffengerichts oder des Schwurgerichtshofs - etwa nach § 409a StPO - oder aber bei Beschlüssen des Drei-Richter-Senats (§ 32 Abs 3 StPO) - etwa im Fall einer Entscheidung nach §§ 357 f StPO - außer Zweifel steht (vgl Fabrizy StPO9 § 357 Rz 5).

Die Rechtsmittellegitimation ist allgemein in § 87 Abs 1 StPO geregelt. Danach steht gegen gerichtliche Beschlüsse eine Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass der Gesetzgeber die bis 2008 vorgesehenen eigenen Anfechtungsbestimmungen, zB in § 410 Abs 2 StPO aF, aber auch in § 364 Abs 5 StPO aF, aufgehoben hat (BGBl I 2007/93).

Der in § 364 Abs 5 StPO aF vorgesehen gewesene Rechtsmittelausschluss wurde zwar mit der Anpassungsgesetzgebung (BGBl I 2007/93) gleichfalls beseitigt. Dessen ungeachtet steht der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer Fristversäumung in einem untrennbaren Konnex mit der Entscheidungskompetenz jenes Gerichts, welches zugleich über das fristgebundene Rechtsmittel oder den befristet einbringbaren Rechtsbehelf meritorisch zu entscheiden hat.

Soweit ein Antrag nach § 364 Abs 1 StPO von jenem Gericht zu prüfen ist, welches im Fall der Gewährung der Wiedereinsetzung zugleich über das Rechtsmittel entscheidet, hinsichtlich dessen eine Frist versäumt wurde, greift somit der Rechtsmittelausschluss der §§ 89 Abs 6, 295 Abs 3, 479, 489 Abs 1 (iVm § 479) StPO. Die Kontrolle, ob das Rechtsmittel rechtzeitig erhoben wurde, und die Prüfung der Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis sind untrennbare Teile der Kompetenz eines Rechtsmittelgerichts, denn andernfalls hätte es dieser Entscheidungskonzentration nicht bedurft. Ein vom Beschwerde- oder Berufungsgericht gefasster Beschluss über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - mit dem im Fall der Abweisung des Antrags nach § 364 Abs 1 StPO das zugleich eingebrachte Rechtsmittel gegenstandslos wird - ist daher gleichfalls nicht weiter anfechtbar (vgl Bertel/Venier Strafprozessrecht2 Rz 664; siehe schon S. Mayer Commentar III § 364 Rz 56). Dies gilt für alle Beteiligten des Verfahrens, sodass im Fall der Bewilligung des Antrags sogleich über das Rechtsmittel zu befinden ist. Für derartige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs ergibt sich die Unanfechtbarkeit schon aus Art 92 Abs 1 B-VG. Insofern unterscheidet sich die Ausgangssituation bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von jenen Fällen, in denen das Rechtsmittelgericht im Zuge der Erledigung einer Beschwerde oder Berufung eigenständige und mit dem Rechtsmittel nur mittelbar zusammenhängende Beschlüsse - etwa jene nach § 39 Abs 1 GebAG - fasst.

Nichts anderes gilt für die Rechtsbehelfe eines Antrags auf Fortführung des Verfahrens nach § 195 Abs 1 StPO und für den Anklageeinspruch nach § 212 StPO, weil in beiden genannten Fällen das Oberlandesgericht in der Sache selbst zwar in erster Instanz, allerdings wiederum mit nicht weiter bekämpfbarem Beschluss entscheidet. Auch hier ergibt sich aus der Entscheidungskonzentration von meritorisch befindendem und über die Fristversäumung absprechendem Gericht einerseits und der Kompetenz desselben Gerichts zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag (§ 364 Abs 2 Z 2 StPO) andererseits, dass der Rechtsmittelausschluss der §§ 196 Abs 1, 214 Abs 1 StPO auch für den nach § 364 Abs 1 StPO gefassten Beschluss gilt.

Nur im Fall des Einspruchs gegen ein Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts, über den das in erster Instanz erkennende Gericht zu befinden hat (§§ 364 Abs 2 Z 2, 478 Abs 2 StPO), ist ein Rechtsmittel an das Landesgericht als Beschwerdegericht eingeräumt (§ 478 Abs 2 StPO), weil der Gesetzgeber eine derartige Entscheidung durch ein Gericht erster Instanz als Ausnahmefall einer Kontrolle unterziehen wollte (vgl S. Mayer Commentar III § 478 Rz 1 ff und Rz 21 ff). Dieser ausdrücklichen und nur auf den Angeklagten eingeschränkten (stattgebende Beschlüsse des Bezirksgerichts gemäß §§ 364 Abs 1, 478 Abs 1 StPO sind daher vom Ankläger nicht weiter bekämpfbar) Rechtsmittelbefugnis hätte es im Übrigen nicht bedurft, würde der im § 87 Abs 1 StPO festgeschriebene Grundsatz einer Anfechtbarkeit jedes erstinstanzlichen Gerichtsbeschlusses im Bereich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand uneingeschränkt gelten.

Die Beschwerde gegen die vom Oberlandesgericht Linz getroffene Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweist sich daher als unzulässig.

Im Übrigen ist die Beschwerde auch der Sache nach nicht gerechtfertigt. Dem Oberlandesgericht Linz ist beizupflichten, dass die Verständigung des Opfervertreters von der Einstellung des Verfahrens unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass das Strafverfahren gegen Wolfgang G***** eingestellt und der Anzeiger Guido P***** berechtigt ist, die Fortführung des durch die Staatsanwaltschaft beendeten Verfahrens gegen Wolfgang G***** zu begehren. Dass in diesem Formblatt der Staatsanwaltschaft Salzburg irrtümlich von einer Anzeigeerstattung durch Wolfgang G***** die Rede ist, vermag die inhaltliche Klarheit der Verständigung ebenso wenig in Frage zu stellen, wie der Umstand, dass das Verfahren gegen Wolfgang G***** und jenes gegen Guido P***** iSd § 56 StPO aF gemeinsam geführt wurde.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte