Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I B a und I B b sowie damit auch in den Strafaussprüchen beider Angeklagter aufgehoben und die Strafsache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen. Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf die Aufhebung der Strafaussprüche verwiesen.
Ihnen fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurden Ernst E***** und Lothar M***** des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2, 130 vierter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie
I.) im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter fremde bewegliche Sachen Nachgenannten mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
A) wegzunehmen versucht, und zwar
a) am 25. Februar 2007 in Waidmannsfeld dem Harald G***** eine Videokamera, ein Teleobjektiv, zwei Sparschweine mit Bargeld sowie Bekleidung durch Einschlagen eines Fensters;
b) am 12. März 2007 in Markt Piesting dem Robert Gr***** Wertgegenstände und Bargeld durch Aufbrechen einer Brandschutztür;
c) am 14. März 2007 in Markt Piesting dem Heimo K***** Wertgegenstände und Bargeld durch Aufbrechen einer Tür;
B) weggenommen, und zwar
a) am 8. Februar 2007 in Hohe Wand-Stollhof dem Rupert Ke***** 1.570 Euro Bargeld durch Aufbrechen einer Tür, einer Lade, sowie eines Sparvereinskastens;
b) am 9. Februar 2007 in Markt Piesting der Gertrude P***** Zigaretten im Wert von 254 Euro und 365 Euro Bargeld durch Aufbrechen einer Tür und mehrerer Sparvereinskästen;
c) am 21. Februar 2007 in Muttmannsdorf dem Ferdinand F***** 150 Euro Bargeld durch Aufbrechen eines Fensters sowie eines Sparvereinskastens;
e) am 9. März 2007 in Pernitz Neusiedl dem Christian Gs***** ein Mikroskop, eine Canon-Unterwasserkamera, eine Armbanduhr Festina und einen Polsterüberzug in einem Gesamtwert von 500 Euro durch Aufbrechen einer Tür;
f) im Zeitraum 1. Jänner 2007 bis 31. März 2007 in Waldegg-Reichental dem Berthold Pö***** einen Hammer, einen Krampen sowie eine Kunststoffbox im Gesamtwert von 150 Euro;
g) am 8. März 2007 in Wiener Neustadt Verfügungsberechtigten der Rechtsanwaltskanzlei S*****, A*****, 3 Laptops im Gesamtwert von 3.400 Euro,
wobei sie den Diebstahl an Sachen in 3.000 Euro übersteigendem Wert begingen bzw zu begehen suchten, indem sie in Gebäude und in Wohnstätten einbrachen bzw einzubrechen trachteten und Behältnisse aufbrachen, und den Diebstahl durch Einbruch (§ 129 StGB) in der Absicht begingen „bzw zu begehen suchten", sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die der Erstangeklagte auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO sowie der Zweitangeklagte auf Z „4a" und 5a leg cit stützt.
Zu den Verfahrensrügen (Z 4):
Der Zweitangeklagte - nicht jedoch der Erstangeklagte, sodass dessen Verfahrensrüge versagt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302) - hat vergeblich (S 513/III und 171 f/IV) zum Beweis, dass er bis 12. Februar 2007 in Passau, zuletzt im städtischen Arbeitslosenheim aufhältig war und daher die Diebstähle zu I B a und b am 8. und 9. Februar 2007 in Österreich nicht begangen haben konnte, die Zeugen Michael Kl***** und Eduard Ke***** (in ON 114 fälschlich „Ki*****") beantragt (S 507 f/III; 169 f/IV).
Während beim Erstgenannten - der überdies lediglich aufgrund einer Mobiltelefonnummer, einer Altersangabe und eines behaupteten Aufenthalts „im Raum München" hätte ausgeforscht werden müssen - ein Tauglichkeitsvorbringen iSv § 55 Abs 1 letzter Satz StPO fehlte, aus welchem Grund nämlich ein angebliches Zusammentreffen mit dem Beschwerdeführer am 11. oder 12. Februar 2007 in Passau der Tatbegehung einige Tage vorher in Österreich entgegenstünde, und daher eine im Stadium der Hauptverhandlung unzulässige Erkundung vorliegt, erfolgte die Abweisung des den Zeugen Ke***** betreffenden Antrags im Ergebnis zu Unrecht.
Die Begründung des Schöffensenats mit Undurchführbarkeit (S 173/IV) vermag für den Antragszeitpunkt 3. Juni 2008 nicht zu überzeugen, wurde doch die Vernehmungsunfähigkeit des Zeugen durch das Rechtshilfegericht auf eine „schwere Herzoperation" Anfang Mai 2008 gestützt, die jedoch bereits im Juli 2008 die Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit nicht ausschließen ließ (ON 111).
Zu diesem Zeugen brachte der Zweitangeklagte überdies formell korrekt vor, aus welchem Grund sich der Hausmeister des Obdachlosenheims an seinen - sinnfällig schuldrelevanten - durchgehenden Aufenthalt in Passau von Ende Jänner bis 12. Februar 2007 erinnern könnte (Waschen der Kleider - S 171/IV).
Ohne eine vorgreifende Beweiswürdigung (Fabrizy, StPO10 § 55 Rz 16) konnte die Vernehmung des Zeugen Ke***** zu den Fakten I B a und I B b nicht abgelehnt werden (vgl im Übrigen § 36 Abs 4 StPO). Der Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten war deshalb in diesem Umfang spruchgemäß Folge zu geben (§ 285e StPO).
Da die (Mit-)Täterschaft des Erstangeklagten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Täterschaft des Zweitangeklagten steht, hat der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund Auswirkung auch auf seinen Schuldspruch, sodass die Aufhebung der betroffenen Fakten auch hinsichtlich des Erstangeklagten E***** zu erfolgen hatte (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO).
Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:
Die Kritik der Mängelrüge (Z 5) an einer als Feststellung bezeichneten Passage der erstrichterlichen Beweiswürdigung zu übereinstimmenden Indizien bei den Fakten I B a, I B b und I B c (US 17) verkennt das Wesen der behaupteten Undeutlichkeit (vgl dazu Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 42) und stellt sich - wie der Rekurs auf den Grundsatz „in dubio pro reo" enthüllt - als Vorbringen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld dar. Von einer Willkür (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444) kann bei der erstgerichtlichen Ableitung aus einer kriminaltechnischen Untersuchung von Tatortspuren und Tatwerkzeugen (ON 55) keine Rede sein.
Der Vorwurf gegen die tatrichterliche Argumentation mit früheren gleichartigen Einbruchsobjekten (US 16) lässt die übrigen zur Überführung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Fakten I B a bis c, aber auch zur auf Gewerbsmäßigkeit gerichteten Absicht herangezogenen Indizien, somit die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 13, 16 ff) außer Acht und verfehlt solcherart die gesetzeskonforme Ausführung des angestrebten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; RIS-Justiz RS0119370; RS0116504). Ebendies gilt für die hiezu behauptete unzureichende Begründung. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO liegt nämlich nicht vor, wenn die angeführten Gründe dem Beschwerdeführer bloß nicht genug überzeugend scheinen oder wenn neben einem folgerichtig gezogenen Schluss noch andere, für den Angeklagten günstigere Ableitungen denkbar wären (Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 46). Letztlich musste das Erstgericht - dem Vorwurf aus Z 5 zweiter Fall entgegen - zum Faktum I B g nicht gesondert erörtern, dass der Erstangeklagte hinsichtlich einer DNA-Teilmischspur an einer Bürotür als Mitverursacher ausgeschlossen werden konnte (Gutachten ON 74, verlesen S 175/IV), weil das im Gegenstand ohne Bedeutung für die Schuldfrage ist.
Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten:
Das Rechtsmittelvorbringen zu den aufgehobenen Fakten I B a und I B b bedarf keiner Erörterung.
Der Sache nach als Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) stellt sich die Kritik des Übergehens einer angeblich falschen Alterseinschätzung der Täter durch das Opfer des Faktums I B d (gemeint: I A a) dar. Sie geht aber fehl, weil die Tatrichter ausdrücklich festhielten, dass der Zeuge G***** die Angeklagten nicht als Täter identifizieren konnte (US 10). Auch die Spekulation zu den weiteren Belastungsmomenten (US 17), vor allem zu den Spuren der Einbruchswerkzeuge (vgl zur Beweistauglichkeit neuerlich ON 55), vermögen beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die diesem Schuldspruch zu Grunde liegenden Tatsachen zu erwecken. Dass den beiden Angeklagten von ihrem Unterkunftgeber der Gebrauch seines Werkzeugs erlaubt worden war (S 485 ff/III), indiziert zum Schuldspruch I B f ebenso wenig qualifiziert ein Fehlurteil wie die vom Rechtsmittelwerber hypothetisch zu einem nicht ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis ausgebaute Aussage (S 471/III), Wohnung und Werkstätte seien lediglich die „meiste" Zeit versperrt gewesen. Weil die Erstrichter von der Verfügbarkeit dieses Werkzeugs für die Angeklagten ausgingen (US 9), bestand auch unter dem Blickwinkel der der Sache nach angesprochenen Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO kein Bedarf, die Aussage des Zeugen Pö***** einer Detailanalyse zu unterziehen.
Zum Faktum I B g kritisiert der Beschwerdeführer (neuerlich der Sache nach Z 5 zweiter Fall) die Nichterörterung des (Ergänzungs-)Gutachtens ON 109 (das in der Hauptverhandlung nicht verlesen wurde - S 175/IV - womit ein Aufgreifen aus Z 5 ausscheidet), wonach der Angeklagte M***** als Mitverursacher einer DNA-Teilmischspur am Griff einer Bürotür ausgeschlossen werden konnte. Mangels Relevanz für die Täterschaft liegt die geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht vor. Die Behauptung, „allein aufgrund des Umstands, dass der Angeklagte M***** in der Nähe des Fundorts des Laptops gewohnt hat, kann nicht auf seine Täterschaft geschlossen werden", ist keine prozessordnungsgemäß ausgeführte Tatsachenrüge, sondern eine eigene Beweiswerterwägung nach Art einer nur im Einzelrichterverfahren zulässigen Berufung wegen Schuld.
Dies gilt um so mehr für die Argumentation zu den Fakten I A b, I B c und I B e, „auch in diesen Fakten hätte der Zweitangeklagte freigesprochen werden müssen, wenn davon ausgegangen wird, dass er auch die übrigen Einbruchsdiebstähle nicht begangen haben konnte, zumal auch hier kein eindeutiger Nachweis seiner Tat vorzufinden war". Der ins Treffen geführte Zweifelsgrundsatz ist kein im Nichtigkeitsverfahren relevanter Begriff.
Im zuletzt erörterten Umfang waren die Nichtigkeitsbeschwerden bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Zufolge Aufhebung der Strafaussprüche waren die Angeklagten mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.
Bleibt anzumerken, dass die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen beide Angeklagte im Punkt I B d in der Hauptverhandlung am 3. Juni 2008 zurückgezogen hat (S 173/IV). Dessen ungeachtet fällten die Tatrichter diesbezüglich keinen Freispruch gemäß § 259 Z 2 StPO (vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 8). Dies gereicht den Angeklagten jedoch nicht zum Nachteil, weil der unbekämpft unterbliebene Freispruch rechtlich einem solchen gleichkommt (Lendl, WK-StPO § 259 Rz 14 mwN). Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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