Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.
Text
Begründung
Im Dezember 2006 brachten die gefährdete Partei und die Josef S***** GesmbH gegen die drei Gegner der gefährdeten Partei eine Klage „auf Vertragserfüllung und Erfüllung der Behördenbescheide" ein. Das Klagebegehren ist unter anderem darauf gerichtet, die Beklagten seien schuldig, näher bezeichnete Bescheide sowie die Vertragspunkte eines „29-Punkte-Vertrages" vollinhaltlich zu erfüllen, jedwede Gefährdung einer Wasserversorgungsanlage und jedwede Verschmutzung der Trinkwasserquellen zu unterlassen, den Klägern einen Schlüssel für einen Schachtbrunnen zu übergeben und eine namentlich bezeichnete Liegenschaft immer und bedarfsdeckend mit Trink- und Nutzwasser zu versorgen (7 C 2233/06x des Bezirksgerichts Frohnleiten). Am 26. März 2007 beantragte die gefährdete Partei gesondert die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden: „gefährdende Parteien"), mit der diesen zur Sicherung eines Wasserbezugsrechts und einer Wasserversorgungsanlage verboten werde,
„auf dem Grundstück Nr. ***** der EZ ***** KG W***** die Überschüttung zum Schutz der Quelle A und den Bereich von der dritten Etage abwärts zu beseitigen und abzubauen, zu befahren, zu bearbeiten, abzusprengen, wegzureißen,
auf dem im Lageplan ... ersichtlich gemachten Quellschutzbereich Abbauarbeiten durchzuführen, zu fahren, zu arbeiten, die Grubensohle zu befahren und abzusenken, den Bergfuß im Bereich der Grubensohle zu bearbeiten, abzubauen, wegzureißen, abzusprengen
und die im genannten Lageplan mit den Buchstaben A und B bezeichneten Quellfassungen und die Zu- und Ableitungen zum Sammelbehälter zu gefährden und zu beseitigen".
Die einstweilige Verfügung sollte befristet bis zum 31. Dezember 2008 erlassen werden. Unter einem ersuchte die gefährdete Partei, ihr eine Frist bis zum 30. April 2007 zu setzen, zur Einbringung der Klage „wegen des vertraglich und grundbücherlich abgesicherten Anspruchs auf Erhaltung der Wasserversorgungsanlage und der Wasserversorgung" einer bestimmten Liegenschaft. Die gefährdete Partei brachte vor, auf der Liegenschaft EZ ***** KG W***** sei zugunsten ihrer Liegenschaft EZ ***** KG W***** ist die Dienstbarkeit „der Duldung, der Fassung, Zuleitung und Ableitung des auf Grundstück Nr. ***** KG ***** abfließenden Quellwassers aus der vorhandenen Anlage für die EZ ***** einverleibt. Diese in ihrem Eigentum stehende Wasserversorgungsanlage bestehe aus den Quellfassungen „A" und „B", einem Hochbehälter und den Zu- und Ableitungen. Eigentümer des dienenden Grundstücks sei Franz T***** sen., der dort ein Steinbruchunternehmen führte. 1992 habe die gefährdete Partei mit dessen Rechtsnachfolgern, die den Steinbruch fortbetrieben (ua seinen Söhnen der zweit- und drittgefährdenden Partei) einen 29 Punkte umfassenden Vertrag geschlossen, wobei mehrere Vertragspunkte die Dienstbarkeit sowie die Wasserversorgung der Liegenschaft der gefährdeten Partei betrafen. Die gefährdenden Parteien würden auf dem dienenden Grundstück weiterhin einen Steinbruch sowie Schotterabbau betreiben. Bereits in der Vergangenheit seien konsenslose Abbauarbeiten durchgeführt worden, die die Wasserversorgungsanlage massiv gefährdet hätten. Infolge nicht vorschriftsgemäßer Herstellung seien die Etagen und Rampen des Steinbruchs nicht standfest und seien in dessen oberen Bereichen Felsabgänge und „absturzgefährliche Massen" zu beobachten. Entgegen Punkt 7. des „29-Punkte-Vertrages" setzten die gefährdenden Parteien alles daran, die Wasserversorgungsanlage zu beseitigen. So sei der gefährdeten Partei zur Kenntnis gelangt, dass demnächst der unmittelbare Bereich der Quellfassungen bearbeitet und diese sowie die Zu- und Ableitungen zum Sammelbehälter beseitigt werden sollen, indem der sogenannte „Fuß des Steinbruchs" abgetrennt bzw abgesprengt werde. Die Bearbeitung des Steinbruchfußes würde - wie schon 1996 - Felsstürze verursachen, da der verbleibende restliche Fuß des Berges dem unermesslich hohen Druck von oben nicht mehr standhalten könnte. Diese Felsstürze würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum völligen Untergang der im Bereich der Grubensohle befindlichen Wasserversorgungsanlage und zu unabsehbaren weiteren Gefährdungen führen. Durch den Verlust der Wasserversorgung entstünde ein unwiederbringlicher Schaden.
Als Bescheinigungsmittel brachte die gefährdete Partei Urkunden bei und machte als „Zeugen" den „Sprengbefugten" der erstgefährdenden Partei namhaft.
Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab. Die einstweilige Verfügung werde „offensichtlich" zur Sicherung des im Verfahren 7 C 2233/06x des Bezirksgerichts Frohnleiten geltend gemachten Anspruchs beantragt. Der klageweise geltend gemachte Anspruch, dessen Durchsetzung durch die einstweilige Verfügung gesichert werden solle, sei nach Grund und Inhalt nicht genügend präzisiert. Da der mit der Klage geltend gemachte Anspruch mangels bestimmter Bezeichnung niemals die Grundlage eines Urteils (eines Exekutionstitels) werden könne, sei es nicht möglich, zu seiner Sicherung eine einstweilige Verfügung zu erlassen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig. Die gefährdete Partei habe kein ausreichendes Vorbringen erstattet, um eine konkrete Gefährdung der Wasserversorgungsanlage annehmen zu können. Insbesondere lasse sich aus dem Vorbringen nicht entnehmen, dass ein Vorhaben der gefährdenden Parteien, mit dem allenfalls eine Zerstörung der Wasserversorgungsanlage einhergehen könnte, unmittelbar bevorstehe. Auch im Rekurs sei nicht dargelegt worden, inwiefern eine konkrete Wahrscheinlichkeit bestehe, dass Abbaumaßnahmen in der befürchteten Art und Weise durchgeführt würden. Es fehle sowohl an entsprechenden Behauptungen als auch an Bescheinigungen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt. Wie bereits in ihrem Rekurs weist die gefährdete Partei darauf hin, sie habe die einstweilige Verfügung nicht zur Sicherung des bereits mit Klage zu 7 C 2233/06x des Bezirksgerichts Frohnleiten geltend gemachten Anspruchs erwirken, sondern ihren dem Provisorialantrag zugrunde liegenden Anspruch erst in Zukunft klageweise geltend machen wollen. Dieser Einwand ist nach dem Inhalt des Provisorialantrags berechtigt:
Aus dem im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung enthaltenen Ersuchen um Setzung einer Frist zur Einbringung der Rechtfertigungsklage ergibt sich eindeutig, dass die gefährdete Partei ihren Sicherungsantrag noch vor Einbringung einer entsprechenden Klage stellen wollte. In diesem Fall hat das Gericht bei Bewilligung der einstweiligen Verfügung eine Frist für die Einbringung der Rechtfertigungsklage festzusetzen (§ 391 Abs 2 EO), damit die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Lage unverzüglich einer Klärung zugeführt wird (Kodek in Angst2 EO § 391 Rz 15). Wird der Nachweis der Klageeinbringung nicht erbracht, kommt es zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung (SZ 51/13). Im Hinblick auf das Ersuchen um Fristsetzung wäre daher über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ohne Bezugnahme auf das Verfahren 7 C 2233/06x des Bezirksgerichts Frohnleiten zu entscheiden und im Falle der Bewilligung der einstweiligen Verfügung eine Frist zur Einbringung der Rechtfertigungsklage zu setzen gewesen. Das Rekursgericht ist allerdings auf das diesbezügliche Vorbringen nicht eingegangen. Vielmehr hat es sich zur Bestimmtheit und Schlüssigkeit des Provisorialbegehrens bzw zu einem erforderlichen Verbesserungsauftrag wieder fälschlicherweise auf das Verfahren 7 C 2233/06x des Bezirksgerichts Frohnleiten bezogen und daher die entsprechende Mängelrüge in Wahrheit nicht erledigt. Allerdings hat das Rekursgericht die Abweisung des Antrags auf Erlassung der einstweiligen Verfügung (auch) mit der angeblich nicht ausreichenden Bescheinigung der konkreten Gefährdung begründet. Zwar hat das Rekursgericht die herrschende Rechtsprechung und Lehre richtig wiedergegeben, nach der nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der in § 381 EO erwähnten Erschwerung, Vereitelung, Gewaltanwendung oder eines unwiederbringlichen Schadens eine Anspruchsgefährdung im Sinne dieser Gesetzesstelle begründen kann, sondern die Bescheinigung einer konkreten Gefahr, also konkreter Umstände gefordert ist, die diese Voraussetzung erfüllen (RIS-Justiz RS0005175; E. Kodek in Angst EO2 § 389 Rz 6). Bei der Beurteilung, ob sich aus dem Vorbringen der gefährdeten Partei deren mögliche konkrete Gefährdung ableiten lässt, ist dem Rekursgericht jedoch eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen. Die Ansicht, die gefährdete Partei hätte keine ausreichend konkreten Tatsachenbehauptungen aufgestellt, stellt eine deutliche Überschreitung des Beurteilungsspielraums dar, hat die gefährdete Partei doch ausdrücklich ein unmittelbar bevorstehendes Vorhaben der gefährdenden Parteien behauptet und vorgebracht, dass mit der Verwirklichung dieses Vorhabens aller Voraussicht nach eine Zerstörung der Wasserversorgungsanlage einhergehen werde, wodurch ihre Liegenschaft von der Versorgung mit Wasser abgeschnitten wäre. Weiters hat sie entsprechende Urkunden als Bescheinigungsmittel beigebracht und einen Zeugen zum relevanten Sachverhalt benannt. Damit hat die gefährdete Partei nicht nur einen allgemeinen Hinweis auf eine abstrakt mögliche Gefährdung des Anspruchs gegeben, sondern ausreichend konkret Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Die Frage des Vorliegens der behaupteten konkreten Gefährdung wäre daher von den Vorinstanzen zu prüfen gewesen. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.
Ob in gewissen Punkten eine Verbesserung (Klarstellung) des Vorbringens im Provisorialantrag geboten gewesen wäre, muss derzeit nicht beantwortet werden, zumal das Vorbringen ohnehin eine Behandlung durch die Vorinstanzen im Sinne der oben aufgezeigten Prüfung erfordert hätte.
Wenngleich die Frage, ob sich aus einem Vorbringen eine konkrete Gefährdung des Antragstellers zwingend ableiten lässt, wegen der Einzelfallbezogenheit in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO darstellt (RIS-Justiz RS0005103), ist die vom Rekursgericht vorgenommene Auslegung mit dem Inhalt des Parteienvorbringens unvereinbar, sodass eine Korrektur der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof erforderlich ist (vgl Zechner in Fasching/Konecny2 § 502 ZPO Rz 125 mwN). Dies führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen, zur Durchführung eines entsprechenden Bescheinigungsverfahrens und zur neuerlichen Entscheidung.
Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 402 Abs 4, 78 EO und § 52 ZPO.
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