OGH 13Os120/08h

OGH13Os120/08h1.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Schmidmayr als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Wilhelm N***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 26. Juni 2008, GZ 21 Hv 48/08d-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die gemäß § 45 Abs 1 StGB für eine Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehene Unterbringung des Wilhelm N***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil dieser unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustands (§ 11 StGB), nämlich einer schizoaffektiven psychotischen, mit paranoiden Erlebnisinhalten einhergehenden Störung, eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung beging, nämlich das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster und achter Fall StGB, indem er am 4. Jänner 2008 in Linz „den Zugbegleiter Christian S***** sowie die im Zug Nr. 5927 aufhältigen etwa 110 Fahrgäste und das Betriebspersonal durch die gegenüber Christian S***** getätigte Äußerung: 'Ich habe in diesem Zug eine Bombe deponiert und diese wird in St. V***** explodieren!' gefährlich mit dem Tod und einer Gefährdung durch Sprengmittel bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen".

Rechtliche Beurteilung

Die auf Z 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht berechtigt. Im Rahmen der Bestreitung der Prognosetat (Z 11) weist die Rüge darauf hin, dass das Gesetz als Erkenntnisquellen für die Befürchtung derselben (1.) die Person des Rechtsbrechers, (2.) seinen Zustand, also seine Verfassung im Urteilszeitpunkt, und (3.) die Art der Anlasstat nennt.

In der Tat würde in der Außerachtlassung auch nur einer dieser Erkenntnisquellen eine rechtsfehlerhafte Bewertung der Prognosekriterien und damit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO liegen (Ratz in WK2 § 21 Rz 24 mwN).

Indem die Rüge jedoch bloß die tatrichterliche Argumentation zur Person des Betroffenen (US 5 ff) unter Hinweis auf die unterbliebene Erwähnung eines laut Gutachten ähnlichen Zustandsbildes im Jahr 1999 und auf Ausführungen des Sachverständigen, wonach mit der Anlasstat vergleichbare Taten zu erwarten sind, sich jedoch kein Potential zu Taten gegen Leib und Leben zeige, als nicht überzeugend erachtet, und zudem behauptet, bestimmte „persönliche" Eigenschaften des Betoffenen (wie „hochintelligent und belesen") seien „nicht berücksichtigt oder (unrichtig) gewürdigt" worden, erschöpft sie sich in einer den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose betreffenden Kritik und damit in einem Berufungsvorbringen.

Die Beurteilung, ob schwere Folgen nach sich ziehende Prognosetaten zu befürchten sind, hat das Erstgericht unter Berücksichtigung der konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit und des gesellschaftlichen Störwerts einschließlich der Eignung, umfangreiche und kostspielige Abwehrmaßnahmen auszulösen und weitreichende Beunruhigung und Besorgnisse herbeizuführen (US 9, vgl Ratz in WK2 § 21 Rz 27), vorgenommen. Die unsubstanziierte Kritik einer diesbezüglich unrichtigen Beurteilung, da „weder der Betroffene noch das Sachverständigengutachten, insbesondere aber auch nicht die Aussage des Zeugen S***** die getroffenen Feststellungen rechtfertigen würden", ist unverständlich.

Weshalb das die Ankündigung des Betroffenen, eine von ihm im Zug deponierte Bombe werde an einem bestimmten Ort der Fahrtstrecke explodieren, umfassende Tatsachensubstrat bei gebotener Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabs (vgl Jerabek in WK2 § 74 [2006] Rz 33) ungeeignet sein soll, begründete Besorgnis auch in Ansehung qualifizierender Umstände nach § 107 Abs 2 StGB einzuflößen, vermag die Rüge mit der Behauptung, eine (hier nicht in Rede stehende) „Mitteilung, es sei z.B. irgendwo eine Bombe versteckt", sei „an sich bloß eine" (vom Erstgericht hier richtig ausgeschlossene, US 8) „Warnung, und erfüllt daher nicht den Tatbestand des § 107 StGB", und mit dem Hinweis auf Beispiele aus der Kommentarliteratur, die mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar sind, nicht darzulegen. Ebensowenig wird klar, warum entscheidungswesentlich sein soll, ob der unmittelbare Drohungsadressat tatsächlich in Besorgnis verfiel, was die Rüge bestreitet.

Die Reklamation unterbliebener oder unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Vorsatz des Betroffenen und zur Ernsthaftigkeit seiner Äußerung (mithin zu Tatfragen, vgl Jerabek in WK2 § 74 [2006] Rz 34) unterlässt die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), in welchen unter anderem die behördliche Evakuierung des in Rede stehenden Zuges zufolge der Ankündigung der bevorstehenden Detonation eines Sprengsatzes ins Kalkül gezogen und die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zureichend aus dem objektiven Verhalten abgeleitet wurden (US 7).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt damit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Stichworte