OGH 6Ob173/08x

OGH6Ob173/08x1.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günter G*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der m*****, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Christian Rumplmayr, Dr. Andreas Haberl und Mag. Franz Hofmann, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen 123.600 EUR, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2008, GZ 4 R 53/08d-22, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 1. Februar 2008, GZ 3 Cg 2/08s-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt:

Das der Klage stattgebende Ersturteil wird wiederhergestellt. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.924,62 EUR (darin 4.676 EUR Barauslagen und 874,77 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die m***** war von der C***** mit der Durchführung von Arbeiten beim Bauvorhaben C***** beauftragt worden. Nachdem sie eine Bankgarantie in der von der Bauherrin für einen Vertragsrücktritt gesetzten Nachfrist nicht beibringen konnte, kam es am 11. 3. 2005 zu einer Vereinbarung zwischen der m*****, der C***** und der Beklagten, wonach die Beklagte der m***** für erbrachte Vorleistungen 123.600 EUR zahlt und über Auftrag der Bauherrin die weitere Ausführung des Werks übernimmt.

Die Zahlung des vereinbarten Entgelts unterblieb, weil sich die Beklagte auf dem Standpunkt stellte, die Vorleistungen seien mangelhaft gewesen.

Am 15. 3. 2005 wurde über das Vermögen der m***** der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Er begehrt nun von der Beklagten das vereinbarte Entgelt von 123.600 EUR. Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Die vertraglich zugesicherten Vorleistungen der Gemeinschuldnerin seien fehlerhaft und unvollständig gewesen. Dadurch seien der Beklagten ein zusätzlicher Planungsaufwand und zusätzliche Kosten für die Ersatzvornahme fehlender bzw falsch erbrachter Teilleistungen in einem das Klagebegehren übersteigenden Ausmaß entstanden, die compensando gegen die Klageforderung eingewendet würden. Ein Zahlungsanspruch des Klägers bestehe somit nicht.

Dass sie von der Gemeinschuldnerin oder dem Kläger Verbesserung verlangt hätte, die Verbesserung unmöglich oder ihr nicht zumutbar gewesen wäre, hat die Beklagte nicht behauptet. Sie hat trotz Aufforderung durch den Erstrichter, darzustellen, aus welchen Gründen sie anstelle primärer Gewährleistungsbehelfe die Kosten einer Ersatzvornahme begehre und trotz Hinweises auf Lehrmeinungen und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach - sollte Verbesserung bzw Austausch nicht begehrt werden - dem Besteller „nichts", dh weder Bereicherungs- noch Gewährleistungs- noch Schadenersatzansprüche zustünden, auch nicht geltend gemacht, dass sie einen Verbesserungsaufwand übernommen habe, den die Gemeinschuldnerin hätte tragen müssen. Sie hat auch im Verfahren nie geltend gemacht, dass sich die Gemeinschuldnerin wegen der von der Beklagten veranlassten Ersatzvornahme etwas erspart hätte. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte könne die aufrechnungsweise geltend gemachten Kosten der Ersatzvornahme für angeblich mangelhafte Leistungen der Gemeinschuldnerin schon deshalb nicht geltend machen, weil sie zunächst hätte Verbesserung verlangen müssen. Den Beweis, dass sie den primären Rechtsbehelf der Verbesserung nicht hätte in Anspruch nehmen können, habe die Beklagte nicht angetreten. Sie habe weder behauptet, die Gemeinschuldnerin zur Verbesserung oder zum Austausch aufgefordert zu haben, noch dass eine Verbesserung unmöglich oder untunlich gewesen wäre. Auch ein Bereicherungsanspruch komme nicht in Betracht, weil auch dadurch der Vorrang der Verbesserung bzw des Austausches umgangen würde. Im Übrigen würde ein Bereicherungsanspruch mit dem noch grundsätzlich aufrechten Vertragsanspruch konkurrieren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Übernehmer, der die Verbesserung der mangelhaften Leistung ohne Verbesserungsbegehren selbst oder durch Dritte vorgenommen habe, jene Kosten begehren könne, die sich der Übergeber infolge unterbliebener Verbesserung erspart habe.

Nach §§ 932 Abs 1 und 933a Abs 2 ABGB idgF sei von einem Vorrang der Mängelbeseitigung durch Verbesserung oder Austausch auszugehen. Bei Behebbarkeit des Mangels könne der Übernehmer daher zunächst nur Verbesserung oder Austausch verlangen. Die Beklagte habe weder behauptet, Verbesserung verlangt zu haben, noch habe sie vorgebracht, dass die Verbesserung durch die Gemeinschuldnerin unmöglich, mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden oder aus triftigen, in ihrer Person gelegenen Gründen unzumutbar gewesen wäre. Sie habe jedoch den Anspruch des Klägers auf das vereinbarte Entgelt generell bestritten und sich zur Begründung ihrer Gegenforderung nicht auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt. Ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen sei nicht zu entnehmen, dass sie nur den Mangelschaden und nicht auch die Berücksichtigung dessen verlangen wollte, was sich die Gemeinschuldnerin infolge Unterbleibens der Verbesserung erspart habe. Aus den Berufungsausführungen werde deutlich, dass sie ihre Forderung auch nach § 1168 ABGB beurteilt wissen wollte. Betrachte man die Verbesserung als Rest des Erfüllungsanspruchs, so könne die vom Übernehmer herbeigeführte Unmöglichkeit einer Verbesserung durch den Übergeber nicht anders beurteilt werden, als eine vom Übernehmer herbeigeführte Unmöglichkeit der Primärleistung. Für diesen Fall gebühre dem Unternehmer nach § 1168 ABGB das vereinbarte Entgelt; er müsse sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt habe. Der Übergeber werde dabei wirtschaftlich so gestellt, als habe er die Verbesserung selbst vorgenommen. Wollte man dem Übergeber hingegen neben der Gegenleistung auch den ersparten Aufwand belassen, so wäre er besser gestellt als bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung; ein Ergebnis, das den Wertungen des Gewährleistungsrechts - Äquivalenzstörungen zu beseitigen - zuwiderliefe.

Die gegenteilige Ansicht des BGH sei nicht überzeugend. Die Anwendung der Regel des § 1168 ABGB führe zu keinem wertungswidrigen Ergebnis, weil der Erfüllungsanspruch des Übernehmers auf mangelfreie Leistung gewahrt werde, ohne das Recht des Übergebers, sich im Weg der Verbesserung das volle Entgelt zu verdienen, zu beeinträchtigen. Er müsse nämlich nur jene Kosten tragen, die er auch bei eigener Verbesserung hätte tragen müssen. Diese Lösung wahre den Vorrang der Verbesserung, weil der Übernehmer nur das erhalte, was sich der Übergeber erspart habe.

Das Erstgericht habe es - von einer gegenteiligen Rechtsansicht ausgehend - verabsäumt, eine Schlüssigstellung des Anspruchs der Beklagten im Hinblick auf § 1168 ABGB zu veranlassen. Sein Verfahren sei ergänzungsbedürftig.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist wegen einer dem Berufungsgericht unterlaufenen Mangelhaftigkeit des Verfahrens zulässig; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe dem Erstgericht zu Unrecht eine Erörterung der Rechtssache im Hinblick auf § 1168 ABGB aufgetragen. Aus dem gesamten Vorbringen der Beklagten lasse sich nämlich ein auf diese Bestimmung gestützter Anspruch auf Ersatz jener Kosten, die sich die Gemeinschuldnerin zufolge unterbliebener Verbesserung erspart habe, nicht ableiten. Die Beklagte begehre ausschließlich Zahlung der Ersatzvornahmekosten, die sie wegen Mangelhaftigkeit der übernommenen Vorleistungen getragen habe. Sie habe trotz Anleitung des Erstrichters nicht einmal ansatzweise auf eine allfällige Ersparnis der Gemeinschuldnerin (des Klägers) Bezug genommen, eine derartige Ersparnis weder behauptet, geschweige denn beziffert oder Beweise dafür angeboten. Eine allfällige Ersparnis der Übergeberin sei auch nicht Teil des tatsächlich geltend gemachten Behebungsaufwands.

2. Die als Gegenforderung geltend gemachten Kosten der Ersatzvornahme waren Anlass für den Erstrichter, mit der Beklagten die Anspruchsgrundlagen und damit die Schlüssigkeit ihrer Gegenforderung zu erörtern. Der Erstrichter wies die Beklagte darauf hin, dass ihr nach einem Teil der Lehre und nach der Rechtsprechung des BGH mangels eines Verbesserungsbegehrens „weder Bereicherungs-, noch Gewährleistungs- noch Schadenersatzansprüche" zustünden. Sie werde daher klarzustellen haben, weshalb sie anstelle primärer Gewährleistungsbehelfe die Kosten der Ersatzvornahme begehre (Beschluss ON 13). In der darauffolgenden mündlichen Streitverhandlung erörterte der Erstrichter neuerlich seinen Rechtsstandpunkt. Er verwies auf die entsprechenden Lehrmeinungen und die Entscheidung des BGH vom 23. 2. 2005, VIII ZR 100/04, deren Leitsätze verlesen wurden. Aus einem dieser Leitsätze ergibt sich die Auffassung des BGH, dass der Käufer, der den Mangel - ohne dem Verkäufer zuvor eine Frist für die Verbesserung zu setzen - selbst beseitigt, eine Anrechnung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für die Mängelbeseitigung auf den Kaufpreis nicht verlangen kann. Auch das daraufhin erstattete Vorbringen der Beklagten lässt in keiner Weise erkennen, dass sie ihre Gegenforderung auf einen Verwendungsanspruch oder auf einen Anspruch auf Ersatz jener Kosten gründet, die sich die Gemeinschuldnerin durch Unterbleiben der Verbesserungen gegebenenfalls erspart hatte. Derartige Kosten sind nicht Teil des tatsächlich geltend gemachten Behebungsaufwands. Ein auf Ersatz ersparter Verbesserungskosten gerichteter Anspruch bedeutet im Verhältnis zum Anspruch auf Ersatz der (eigenen) Kosten der Ersatzvornahme ein aliud, weil der vom Berufungsgericht berücksichtigte und der tatsächlich verlangte Leistungsgegenstand - ungeachtet ihrer Gleichartigkeit - aus verschiedenen Sachverhalten abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0037610 [T30]). Die Beklagte hätte daher - als Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Anspruchs analog § 1168 ABGB - zumindest eine Ersparnis des Klägers behaupten müssen.

Die Beklagte rügte in ihrer Berufung nicht, dass die erwähnte Erörterung durch den Erstrichter gemäß § 182a ZPO unzulänglich gewesen und eine Anleitung zur Vervollständigung ungenügenden Vorbringens unterblieben sei. Obgleich eine Verfahrensrüge (in der Berufung) unterblieb, hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf, um der Beklagten die Schlüssigstellung ihres Begehrens im Hinblick auf einen Anspruch nach § 1168 ABGB zu ermöglichen. Dabei ging das Berufungsgericht selbst von der Unschlüssigkeit der Gegenforderung aus.

Angesichts dieser Sachlage rügt die Klägerin zutreffend als wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens, dass die zweite Instanz der Beklagten von Amts wegen die Möglichkeit eröffnete, die für eine Schlüssigstellung ihres Begehrens erforderlichen Tatsachenbehauptungen (Ersparnis der Klägerin durch Ersatzvornahme durch die Beklagte) im fortzusetzenden Verfahren nachzutragen, obgleich im Berufungsverfahren eine Verletzung der §§ 182 und 182a ZPO durch das Erstgericht mangels entsprechender Verfahrensrüge nicht angenommen werden dürfte (1 Ob 151/06x). Dieser Mangel bewirkte eine unrichtige Sachentscheidung, wäre doch das die Gegenforderung verneinende Ersturteil - ausgehend von der trotz Anleitung durch den Erstrichter nicht behobenen Unschlüssigkeit der Gegenforderung und der fehlenden Behauptung eines ersparten und damit anrechenbaren Verbesserungsaufwands beim Beklagten - zu bestätigen gewesen. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts verstößt auch gegen den Grundsatz der Rechtsprechung, wonach ein erstgerichtliches Urteil nicht bloß zum Zweck aufgehoben werden darf, um Erörterungen über Tatsachen zu veranlassen, die im bisherigen Verfahren überhaupt nicht behauptet wurden (RIS-Justiz RS0042444). Die Aufhebung verschaffte der Beklagten nämlich die Möglichkeit, Vorbringen zur Anrechnung einer allfälligen Ersparnis des Klägers an Verbesserungskosten nachzutragen, somit ein Vorbringen, das die Beklagte im Verfahren erster Instanz unterlassen hatte, obwohl sie durch die Verlesung der Leitsätze der Entscheidung des BGH auf die Möglichkeit einer Anrechnung ersparter Verbesserungskosten auf die Forderung des Klägers hätte aufmerksam werden müssen.

3. Der dem Berufungsgericht unterlaufene Entscheidungsfehler führt gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO zur Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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