OGH 11Os62/08i

OGH11Os62/08i16.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab und Mag. Lendl, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Laszlo M***** und andere Angeklagte wegen des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Laszlo M*****, Camil D*****, Jasmin Mu*****, Jadranka C***** und Sanja L***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. Jänner 2008, GZ 13 Hv 172/07f-161, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jasmin Mu***** wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass sowie in teilweiser Stattgebung der weiteren Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil - das sonst unberührt bleibt - in seinen Schuldsprüchen zu II., IV. und V. zur Gänze sowie zu III. in der rechtlichen Unterstellung der Taten unter § 148 zweiter Fall StGB, somit auch in den die Angeklagten Laszlo M*****, Camil D*****, Jasmin Mu*****, Jadranka C***** und Sanja L***** betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Die Angeklagten Laszlo M*****, Camil D*****, Jasmin Mu*****, Jadranka C***** und Sanja L***** sowie die Staatsanwaltschaft, soweit sich ihre Berufung gegen den die Genannten treffenden Strafausspruch richtet, werden mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die gegen die Angeklagten Mario Mi***** und Miso O***** ergangenen Strafaussprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Jasmin Mu***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Laszlo M*****, Camil D*****, Mario Mi*****, Jasmin Mu*****, Jadranka C***** und Sanja L***** des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, teils als Bestimmungs- bzw Beitragstäter nach § 12 zweiter bzw dritter Fall StGB (I. bis V.) und Miso O***** des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB als Beitragstäter gemäß § 12 dritter StGB (VI.) schuldig erkannt. Danach haben sie in Graz und Wien mit dem Vorsatz, sich oder andere durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und (bis auf Miso O*****) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Mitarbeiter der Bank ***** AG durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden zu Handlungen verleitet bzw zu verleiten versucht, die die Bank ***** AG am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, indem sie Bankmitarbeiter unter Verwendung von mit dem nachgemachten Namenszug des Goran C***** versehenen gefälschten Überweisungsbelegen durch die Vorgabe, dass dieser als Handlungsbevollmächtigter der M***** GmbH und Zeichnungsberechtigter hinsichtlich des Firmenkontos Nr ***** bei der genannten Bank Überweisungsaufträge erteilt hätte, zur Überweisung nachgenannter (jeweils) 50.000 Euro übersteigender Beträge von insgesamt 399.100 Euro von diesem Konto der M***** GmbH auf die nachgenannten Konten verleiteten bzw zu verleiten versuchten, und zwar

I. Mario Mi*****, indem er die Überweisungsbelege ausfüllte, mit dem Namenszug des Goran C***** unterfertigte, diese in verschiedenen Filialen der Bank ***** AG abstempelte und in die hiefür vorgesehenen Überweisungsboxen einwarf,

1. am 19. Juni 2007 zur Überweisung des Betrags von 83.960 Euro auf das Konto der M***** GmbH, Nr ***** bei der ***** AG, „Empfänger M*****",

2. am 29. Juni 2007 zur Überweisung des Betrags von 115.260 Euro auf das zu I.1. genannte Konto,

3. am 24. Juli 2007 zur Überweisung des Betrags von 96.400 Euro auf das Konto des Laszlo M*****, Nr ***** bei der Bank ***** AG, „Empfänger M*****", wobei es infolge der Kontosperre beim Versuch geblieben ist;

4. am 25. Juli 2005 zur Überweisung des Betrags von 103.180 Euro auf das Konto des Miso O*****, Nr ***** bei der ***** Bank ***** AG, „Empfänger T*****", wobei es infolge der Kontosperre beim Versuch geblieben ist;

II. Jadranka C***** und Sanja L***** den Mario Mi***** zu den zu I.1. bis 4. geschilderten Tathandlungen vorsätzlich bestimmt, indem sie ihm Kontoauszüge vom Konto der M***** GmbH mit einem Guthabenstand von rund 600.000 Euro zeigten und ihn aufforderten, die oben geschilderten Überweisungen unter Verwendung gefälschter Überweisungsbelege durchzuführen;

III. Jasmin Mu***** zu den zu I.1. bis 3. geschilderten Tathandlungen des Mario Mi***** vorsätzlich beigetragen, indem er ihm die Daten der Empfängerkonten und die Beträge nannte, ihm konkrete Anweisungen für die Durchführung der Überweisungen gab und ihm den Erhalt von „Provisionen" nach Behebung der Gelder zusicherte;

IV. Laszlo M***** zu den zu I.1. bis 3. geschilderten Tathandlungen des Mario Mi***** vorsätzlich beigetragen, indem er in Absprache mit Camil D***** das Firmenkonto der M***** GmbH bzw sein Privatkonto für die geplanten betrügerischen Überweisungsvorgänge zur Verfügung stellte und zusicherte, die Geldbeträge jeweils nach deren Einlangen zu beheben und dem Camil D***** gegen Erhalt einer „Provision" zu übergeben;

V. Camil D***** zu den zu I.1. bis 3. geschilderten Tathandlungen des Mario Mi***** vorsätzlich beigetragen, indem er Laszlo M***** aufforderte, das Firmenkonto der M***** GmbH bzw sein Privatkonto für die geplanten betrügerischen Überweisungsvorgänge zur Verfügung zu stellen, die jeweiligen Behebungen durchzuführen und ihm die Geldbeträge gegen Erhalt von „Provisionen" zu übergeben und zusicherte, die restlichen Geldbeträge gegen den Erhalt von „Provisionen" weiterzuleiten;

VI. Miso O***** zu der zu I.4. geschilderten Tathandlung des Mario Mi***** vorsätzlich beigetragen, indem er sein Firmenkonto für den geplanten betrügerischen Überweisungsvorgang zur Verfügung stellte und zusicherte, das Geld zu beheben und an Mario Mi***** zu übergeben.

Während Mario Mi***** und Miso O***** kein Rechtsmittel gegen das Urteil erhoben, werden die jeweils sie betreffenden Schuldsprüche mit von Laszlo M***** auf die Gründe der Z 4, 5, 5a und „9", von Camil D***** auf jene der Z 5, 5a, „9" und 10, von Jasmin Mu***** auf jene der Z 5 und 5a sowie von Jadranka C***** und Sanja L***** auf jene der Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft. Diese Angeklagten fechten auch die über sie verhängten Strafen mit Berufung an. Die Staatsanwaltschaft erhebt bei allen Angeklagten Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend vermissen die Angeklagten M***** und D***** in ihren Mängelrügen (Z 5 vierter Fall) eine Begründung zur Feststellung ihrer Kenntnis von den betrügerischen Manipulationen und der Verwendung einer falschen Urkunde, weil das Urteil Gründe für die Annahme der Zurverfügungstellung der Konten für „betrügerische" Überweisungen (US 13) nicht angibt, obwohl sich der Vorsatz der Beitragstäter auf eine ausreichend individualisierte Tat beziehen muss (Fabrizy in WK² § 12 Rz 101). Insbesondere mangels entsprechender Belastungen von Mitangeklagten oder Zeugen und in Anbetracht der fehlenden persönlichen Kontakte des unmittelbaren Täters Mario Mi***** bzw des vermittelnden Mitangeklagten Jasmin Mu*****, der die Kontodaten der Angeklagten M***** und D***** nur über eine unbekannt gebliebene Person erlangte (US 12), wären entsprechende beweiswürdigende Ausführungen hiezu ebenso erforderlich gewesen wie zu deren die Verwendung gefälschter Urkunden durch den unmittelbaren Täter umfassenden Vorsatz sowie zur Urteilsannahme der Gewerbsmäßigkeit. Da somit für den Ausspruch über diese entscheidenden Tatsachen keine Gründe angegeben sind, aus denen sich aus den Denkgesetzen und grundlegenden empirischen Erfahrungssätzen auf Kausalzusammenhänge ein Schluss über die zu begründende Tatsache ziehen lässt, ist das die Angeklagten M***** und D***** betreffende Urteil (Punkte IV. und V.) bereits aus diesem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund aufzuheben. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen dieser Beschwerdeführer erübrigt sich daher.

Ebenso enthält das Urteil hinsichtlich der Angeklagten C***** und L***** (Punkt II.) keinerlei Begründung für den Ausspruch zur inneren Tatseite (Z 5 vierter Fall), sodass bereits aus diesem Grund deren Beschwerden Folge zu geben war.

Im Ergebnis zutreffend führen diese Beschwerdeführerinnen darüber hinaus an, dass der sie belastende Mitangeklagte Mario Mi*****, auf dessen Aussage sich das Gericht beweiswürdigend stützte und diese auch für vollinhaltlich widerspruchsfrei und nachvollziehbar erachtete (US 18 - wobei Mario Mi***** im Übrigen aber hinsichtlich der Veranlassung zu den Überweisungen der Beträge laut den Schuldspruchspunkten I.1., I.2. und I.4. bloß die Angeklagte C***** [S 102, 105, 109/jeweils IV] und zur Überweisung des Betrags laut Schuldspruchspunkt I.3. lediglich die Angeklagte L***** [S 108/IV] belastete), angab, die jeweiligen Überweisungsbeträge vom Angeklagten Jasmin Mu***** genannt bekommen (S 104, 105, 108/jeweils IV) und diese den Angeklagten C***** und L***** nicht (S 104/IV) bzw erst im Nachhinein (S 110/IV) mitgeteilt zu haben, sodass beweiswürdigende Ausführungen insbesondere auch zur Höhe des vom Vorsatz umfassten Vermögensschadens erforderlich gewesen wären.

Hingegen geht die Mängelrüge (Z 5) des Jasmin Mu***** ins Leere, weil die konkrete Art seiner Verbindung zur „Wiener Gruppe" nicht entscheidungsrelevant ist und im Übrigen kein unmittelbarer, sondern ein über eine unbekannt gebliebene Person erfolgter Kontakt angenommen wurde (US 12).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) dieses Rechtsmittelwerbers ist mit dem Versuch, die vom Erstgericht angenommene Glaubwürdigkeit der Aussagen des Mitangeklagten Mi***** unter Zugrundelegung eigener Beweiswerterwägungen zu erschüttern, nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Das den Angeklagten Jasmin Mu***** betreffende Urteil leidet jedoch im Hinblick auf den Qualifikationsausspruch der Gewerbsmäßigkeit unter einem gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifenden Rechtsfehler mangels Feststellungen (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8): Das Erstgericht stellte zur subjektiven Tatseite nämlich bloß fest, dass der Angeklagte Mu***** gewerbsmäßig handelte (US 17). Darüber hinausgehende darauf gerichtete Konstatierungen enthält es nicht.

Da die zur - im Übrigen auch hinsichtlich der Mitangeklagten M*****, D*****, C***** und L***** nicht begründeten und in der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich der Absicht erfordernden Vorsatzform falsch definierten („zumindest bedingter Vorsatz der Angeklagten, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen"; US 26) - Fundierung von Gewerbsmäßigkeit verwendeten verba legalia jeglichen Sachverhaltsbezug vermissen lassen, leidet das den Angeklagten Mu***** betreffende Urteil an einem von Amts wegen aufzugreifenden nichtigkeitsbegründenden Mangel. Es war daher mit dessen teilweiser Kassation vorzugehen und es waren die davon betroffenen Angeklagten sowie die Staatsanwaltschaft diesbezüglich mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Einer Aufhebung des - von C***** und L***** bekämpften - Privatbeteiligtenzuspruchs bedurfte es nicht, weil dieser lediglich den Mitangeklagten Mi***** betrifft (US 9), der den Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ließ.

Vorerst waren die Akten dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten Mi***** und O***** zuzuleiten.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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