OGH 13Os91/08v

OGH13Os91/08v27.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Roberto S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 41 Hv 108/06b des Landesgerichts Wr. Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 3. Oktober 2006, GZ 41 Hv 108/06b-54, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 3. Oktober 2006, GZ 41 Hv 108/06b-54, verletzt §§ 494a Abs 1 und 495 Abs 2 StPO. Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht Leoben aufgetragen, im Verfahren AZ 14 Hv 52/06g über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht aus Anlass des Urteils des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 3. Oktober 2006, GZ 41 Hv 108/06b-54, zu entscheiden (§ 55 Abs 1 StGB).

Text

Gründe:

Roberto S***** wurde mit dem in gekürzter Form ausgefertigten Urteil des Landesgerichts Leoben vom 12. April 2006, GZ 14 Hv 52/06g-13, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Satz StGB und anderer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Mit dem auch einen Teilfreispruch enthaltenden Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 3. Oktober 2006, GZ 41 Hv 108/06b-54, wurde er wegen vor dem Urteil des Landesgerichts Leoben begangener Taten des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf das frühere Urteil gemäß § 31 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren als Zusatzstrafe verurteilt. Zugleich beschloss dieses Gericht gestützt auf § 55 Abs 1 StGB den Widerruf der mit dem früheren Urteil ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht. Roberto S***** verbüßt derzeit die zuletzt genannte Strafe (ON 56 des Strafakts des Landesgerichts Wr. Neustadt). Unter Berücksichtigung des im Anschluss daran vorgesehenen Vollzugs der zuerst angeführten Strafe fällt das errechnete Strafende auf den 5. September 2009 (ON 17 des Strafakts des Landesgerichts Leoben). Über eine Beschwerde des Strafgefangenen gegen die Abweisung seines Antrags, gemäß § 133a StVG wegen eines Aufenthaltsverbots vorläufig vom Strafvollzug abzusehen (AZ 47 BE 103/08k des Landesgerichts Wr. Neustadt), hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Der genannte Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt steht, wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 55 Abs 1 StGB ist die bedingte Nachsicht (ua) einer Strafe zu widerrufen, wenn eine nachträgliche Verurteilung gemäß § 31 StGB erfolgt und eine bedingte Nachsicht bei gemeinsamer Aburteilung nicht gewährt worden wäre.

Die der Widerrufsentscheidung vom 3. Oktober 2006 ersichtlich zugrunde gelegte Bestimmung des § 494a Abs 1 StPO stellt ausdrücklich auf die Verurteilung wegen einer „vor Ablauf der Probezeit … nach einer bedingten Nachsicht" begangenen strafbaren Handlung ab, während § 31 StGB nur für Taten gilt, die (wie die hier vorliegenden) vor dem früheren Urteil begangen wurden. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) richtet sich daher nach § 495 Abs 2 StPO (RIS-Justiz RS0111521; Jerabek in WK² § 55 [2006] Rz 5). Demnach obliegt die Beschlussfassung über einen Widerruf im Fall einer nachträglichen Verurteilung jenem Gericht, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält und - was freilich nur für den hier nicht gegebenen Fall Bedeutung hat, dass nicht nur eines der im Zusammenhang des § 31 StGB stehenden Urteile eine bedingte Nachsicht enthält - zuletzt rechtskräftig wurde. Daher war zur Entscheidung über einen allfälligen Widerruf der bedingten Strafnachsicht das Landesgericht Leoben im Verfahren AZ 14 Hv 52/06g berufen.

Weil die auf einer demnach gesetzwidrigen Zuständigkeitsannahme beruhende Widerrufsentscheidung geeignet ist, zum Nachteil des Verurteilten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, sie gemäß § 292 letzter Satz StPO zugleich mit der Feststellung der Gesetzesverletzung aufzuheben und dem Landesgericht Leoben die Beschlussfassung über den Widerruf aufzutragen.

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