OGH 13Os65/08w

OGH13Os65/08w23.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Elisabeth P***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde I. Instanz gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Oktober 2007, GZ 123 Hv 76/07h-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nordmeyer, des Verteidigers Mag. Pilz sowie der Vertreterin der Finanzstrafbehörde I. Instanz, Mag. Ungerböck, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde I. Instanz wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Elisabeth P***** von der wider sie erhobenen Anklage (ON 15), sie habe in Wien als Geschäftsführerin der A***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner 2003 bis Oktober 2003 in der Höhe von 138.017,47 Euro durch Geltendmachen ungerechtfertigter Gutschriften bewirkt, wobei sie den Eintritt der Verkürzung nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und der Finanzstrafbehörde I. Instanz, die sich auf Z 5 und 9 (richtig:) lit a, Letztere überdies auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO stützen. Die Beschwerde der Finanzstrafbehörde I. Instanz ist im Recht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, teils nominell verfehlt auch Z 5) wendet zutreffend ein, dass die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen darüber enthält, ob den Rechnungen, aus denen in den Voranmeldungen (§ 21 UStG) Vorsteuern geltend gemacht worden sind, entsprechende Leistungen zu Grunde liegen.

Mit Recht verweist die Beschwerde insoweit auf die umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen einer Abrechnung samt Umsatzsteuer-Ausweis tatsächlich (auch nachträglich) nicht erbrachter Leistungen.

§ 33 Abs 2 lit a FinStrG pönalisiert nämlich auf der objektiven Tatseite die Verkürzung von Umsatzsteuer unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen. Gemäß Abs 1 dieser Bestimmung hat der Unternehmer die Voranmeldungen unter entsprechender Anwendung ua des § 20 Abs 1 und Abs 2 UStG selbst zu berechnen. Nach diesen Gesetzesstellen ist bei der Berechnung der Steuer grundsätzlich von den im Veranlagungszeitraum erzielten Umsätzen auszugehen und sind nach bestimmten Hinzurechnungen (Abs 1) die in diesen Zeitraum fallenden, nach § 12 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen (Abs 2 Z 1). Der Unternehmer darf somit in der Umsatzsteuer-Voranmeldung - soweit hier von Interesse - nur die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11 UStG) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen (§ 12 Abs 1 Z 1 erster Satz UStG).

Sohin folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut, dass die in Rechnungen, denen keine Leistungen zu Grunde liegen, ausgewiesenen Vorsteuerbeträge nicht abzugsfähig sind und demgemäß Umsatzsteuer-Voranmeldungen, in denen solche Beträge dennoch in Abzug gebracht werden, nicht § 21 UStG entsprechen.

Auch die Bestimmung des § 12 Abs 1 Z 1 zweiter Satz UStG normiert keine Ausnahme vom Erfordernis der tatsächlichen Leistungserbringung, sondern ermöglicht nur unter bestimmten Voraussetzungen den Vorsteuerabzug vor dieser.

Es ist daher in Rechtsprechung (VwGH 27. 2. 2002, 98/13/0053; 27. 3. 2002, 96/13/0148) und Lehre (Kanduth-Kristen/Payerer in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-Kommentar 1.04 § 12 Rz 31; Ruppe, Umsatzsteuergesetz³ § 12 Rz 35 und § 19 Rz 48; Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer-UStG 1994 § 12 Rz 144 f) unbestritten, dass der Vorsteuerabzug aufgrund einer Rechnung für ein Scheingeschäft selbst dann unzulässig ist, wenn der Rechnungsaussteller die Umsatzsteuer abgeführt hat.

Die tatrichterliche Argumentation aus dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer geht hier schon im Ansatz fehl, weil dieser nur verlangt, dass die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden kann, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist (EuGH 13. 12. 1989, Rs C-342/87 , Genius Holding, Slg 1989, 04227 Rn 18) oder die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt worden ist (EuGH 19. 9. 2000, Rs C-454/98 , Schmeink & Cofreth, Rn 58), wobei auch der EuGH betont, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für diejenigen Steuern besteht, die geschuldet werden, also mit einem der Mehrwertsteuer unterworfenen (tatsächlichen) Umsatz im Zusammenhang stehen (Rs C-342/87 , Genius Holding, Slg 1989, 04227 Rn 13).

Der Rechtsansicht des Erstgerichts (US 4) zuwider ist auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. November 2002, 98/13/0038, VwSlg 7769/F/2002, keineswegs Gegenteiliges zu entnehmen. Ausgehend davon, dass die Finanzbehörde von der Rechnungsempfängerin zu Unrecht lukrierte Vorsteuerbeträge rechtskräftig zurückgefordert hatte, wurde nämlich in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass der Rechnungsausstellerin aufgrund des Prinzips der Neutralität der Mehrwertsteuer die umsatzsteuerliche Berichtigung der betreffenden Rechnung nicht verwehrt werden kann. Die von den Tatrichtern getroffene Schlussfolgerung, sog Scheinrechnungen würden zum Vorsteuerabzug berechtigen, wird durch dieses Erkenntnis somit gerade nicht gestützt.

Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, indizieren die gemäß § 252 Abs 2a StPO in der Hauptverhandlung vorgetragenen (S 433) Ergebnisse der Betriebsprüfung (insbesondere S 109) die - nicht durch Feststellungen geklärte - Annahme, den gegenständlichen Rechnungen seien keine Leistungen zu Grunde gelegen. Da diesem Umstand - wie dargelegt - entscheidende Bedeutung zukommt, leidet die angefochtene Entscheidung insoweit an einem Feststellungsmangel, aufgrund dessen sie zur Gänze aufzuheben war.

Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich daher.

Im zweiten Rechtsgang werden alle der Lösung der Frage, ob den Rechnungen Leistungen zu Grunde lagen, dienenden Beweise aufzunehmen und auf deren Grundlage entsprechende Feststellungen zu treffen sein. Sollten die Tatrichter dabei zur Überzeugung gelangen, dass es sich um sog Scheinrechnungen handle, wird nach - unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens vorzunehmender - Befragung der Angeklagten das allfällige Vorliegen der subjektiven Tatbestandselemente durch die hiezu erforderlichen Konstatierungen zu klären sein.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer - in die selbe Richtung wie die der Finanzstrafbehörde I. Instanz zielenden - Nichtigkeitsbeschwerde auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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