OGH 9ObA54/07t

OGH9ObA54/07t9.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ursula Z*****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O***** Versand GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Anton Weber, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 106.641,82 EUR brutto und 65.775,52 EUR netto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2006, GZ 7 Ra 158/06s-26, womit das Zwischenurteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 15. Mai 2006, GZ 33 Cga 186/05x-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile standen zueinander in einem Vertragsverhältnis, welches durch Kündigung seitens der Beklagten am 31. 5. 2005 endete. Der als „Handelsvertretervertrag" bezeichnete Vertrag, der inhaltlich auch wesentliche Franchise-Elemente enthält (vgl zB den zu 4 Ob 68/79 = DRdA 1981/7 [Wachter] judizierten Fall), enthält unter anderem folgende Regelungen: Die Klägerin sollte im Entertainmentcenter-Gasometer Wien ein E*****Fachgeschäft führen, wobei fix vorgegebene Öffnungszeiten einzuhalten waren, diese waren jedoch der Beklagten vom Einkaufscenter-Betreiber in gleicher Weise vorgegeben worden. Die Klägerin durfte die Geschäftsöffnungszeiten daher ausdehnen, nicht aber einschränken. Die Klägerin musste über einen Gewerbeschein für ein Einzelhandelsgewerbe verfügen und sollte zunächst eine Fix-, dann eine in Prozenten vom Umsatz ausgedrückte Provision erhalten. Von dieser waren gewisse von der Beklagten zu tragende Kosten für das Verkaufslokal, wie Kreditkartengerät, EC-Cash-Gerät, Wasser, Betriebskosten für Werbung, Dekoration, Versicherungen, sowie variable Kosten wie Telefongebühren in Abzug zu bringen. Für die Reinigung und die Instandhaltung der Beleuchtungsanlagen war die Klägerin selbst zuständig. Sie sollte das Fachgeschäft der Beklagten als selbständiger Kaufmann führen und war nicht verpflichtet, im Geschäft selbst anwesend zu sein, es stand ihr frei, von ihr beauftragte Mitarbeiter einzusetzen, was die Klägerin in der Folge sowohl während ihrer Urlaubsabwesenheiten als auch während einer krankheitsbedingten Abwesenheit tat. Die Klägerin war verpflichtet, die Tageslosungen abzuliefern, die Durchführung und Anbahnung von Geschäften auf eigene Rechnung war der Klägerin nur mit Zustimmung der Beklagten erlaubt. Der Klägerin war es untersagt, in der Branche der Beklagten selbständig oder unselbständig für andere Unternehmen tätig zu werden. Es war ihr auch nicht erlaubt, Erklärungen abzugeben oder medienwirksame Maßnahmen zu setzen, die darauf schließen lassen könnten, dass dies Maßnahmen der Beklagten seien. Die Klägerin hatte die von ihr vertriebenen Waren ausschließlich bei der Beklagten zu beziehen und war verpflichtet, deren Angebot zu vertreiben. Die Warendisposition erfolgte einmal wöchentlich mit Hilfe eines zur Verfügung gestellten Warenwirtschaftssystems. Wenn die Klägerin an Schulungen und Trainingskursen der Beklagten teilnehmen wollte, musste sie dies auf eigene Kosten tun. Wenn die Klägerin Fremdpersonal einstellte, konnte sie dies frei tun, musste jedoch als Arbeitgeberin auftreten und die Personalkosten einschließlich aller Lohnnebenkosten selbst tragen. Sie sollte für von ihr grob fahrlässig, mutwillig oder durch mangelnde Aufsicht entstandene Schäden an der Ladeneinrichtung haften, Inventurverluste bis zu 0,5 % sollten zu Lasten der Beklagten, darüber hinausgehende zu Lasten der Klägerin gehen. Obwohl die Fixprovision nur für einen bestimmten Zeitraum zugesagt war, wies die Klägerin in ihren Monatsabrechnungen immer darauf hin, die Überweisung der Fixprovision zusätzlich Umsatzsteuer zu erwarten, und erhielt diese in der Folge auch. Die Klägerin bestreitet, dass sie in den letzten Monaten ihrer vierjährigen Tätigkeit ebenfalls die volle Fixprovision erhielt.

Das Geschäft der Klägerin wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten wöchentlich aufgesucht, wobei aber keine persönlichen Weisungen an die Klägerin erteilt, sondern nur der Zustand des Geschäfts (Sauberkeit, Ausstattung) kontrolliert wurde. Fallweise nahm der Mitarbeiter der Beklagten auch Waren gegen Ausstellung eines Lieferscheins mit, vor allem, um diese in anderen Filialen vertreiben zu lassen. Für diese Waren musste die Klägerin keine Gelder abliefern.

Die Klägerin kam in der Folge für die Reinigungskosten des Geschäfts selbst auf und zahlte auch einen von ihr beschäftigten Steuerberater. In Absprache mit dem Geschäftsführer der Beklagten setzte die Klägerin auch eigene Werbemaßnahmen, indem sie Kunden Erfrischungen anbot.

Die Klägerin stellte zuletzt ein Hauptbegehren, bestehend aus einem Zahlungsbegehren über 106.641,82 EUR brutto sA und 65.775,52 EUR netto sA sowie ein Eventualbegehren auf Nettozahlung von 106.870,17 EUR (darin 17.811,70 EUR USt) jeweils sA. Ihr Hauptbegehren stützte die Klägerin darauf, dass sie nicht Handelsvertreterin, sondern entgegen dem Vertragswortlaut „echte" Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen sei und daher Anspruch auf entsprechende Entlohnung gehabt habe. Das Bruttobegehren des Hauptbegehrens ergebe sich aus nicht erstatteten Sonderzahlungen, Abfertigung, Überstundenentgelt, Urlaubsentschädigung sowie Sonderzahlungen zur Urlaubsentschädigung und aus einer seit Dezember 2004 entstandenen offenen Bruttolohndifferenz von zusammen 106.641,82 EUR. Das Nettobegehren des Hauptbegehrens von (zuletzt) 65.775,52 EUR ergebe sich aus folgenden Beträgen: 770,12 EUR an Kosten für eine Bankgarantie, die die Beklagte erst verspätet rückerstattet habe, sowie Kosten, die die Beklagte als Arbeitgeberin zu tragen gehabt hatte, die aber tatsächlich von der Klägerin getragen worden seien, nämlich für Sicherungsetiketten, Tragtaschen, Telefon, Bankomatkassa, Verpackungsmaterial, Steuerberatung, Inventurschwund, Postgebühren, verbrauchte Sicherungsetiketten, Geschäftsversicherung sowie für unzulässig doppelverrechnete Werbekosten von 32.426,10 EUR. Für den Fall, dass ihr Vertragsverhältnis als selbständiges Handelsvertreterverhältnis beurteilt werde, begehrte die Klägerin (Eventualbegehren) den Zuspruch von 106.870,17 EUR netto (einschließlich 17.811,70 EUR USt) und weiteren 770,12 EUR (für die Kosten der verspätet rückerstatteten Bankgarantie). Den Betrag von 106.870,17 EUR netto begründete die Klägerin wie folgt: 32.426,10 EUR für zu Unrecht einbehaltene Werbekosten (Punkt 4e des Klagebegehrens), 25.344,90 EUR (einschließlich USt) für eine zu Unrecht einbehaltene Bruttoprovisionsdifferenz (Punkt 4f des Klagebegehrens), 675,55 EUR und 3,75 EUR für nicht vereinbarte, von der Klägerin getragene Aufwendungen (Punkt 4g des Klagebegehrens), sowie 42.000 EUR Ausgleichsanspruch und 6.419,87 EUR zu Unrecht einbehaltene Überlassungspauschale für Mai 2005.

Die Beklagte wendete ein, zwischen ihr und der Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis bestanden. Die Klägerin sei Handelsvertreterin gewesen, welche ein wesentliches unternehmerisches Risiko zu tragen gehabt habe. Sie sei nicht weisungsgebunden und in die Organisation der Beklagten nicht eingebunden gewesen. Der Klägerin, die keine persönliche Anwesenheitspflicht gehabt habe, sei es freigestanden, von ihr angestellte Mitarbeiter einzusetzen, was sie auch tatsächlich getan habe. Schließlich habe die Klägerin die Tätigkeit in eigener, wenngleich von der Beklagten angemieteter, Betriebsstätte ausgeübt. Die Beklagte wendete bisher vorgeschriebene Betriebskosten von 16.671,52 EUR aufrechnungsweise gegen die Klageforderung ein.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Klägerin nicht nur als arbeitnehmerähnlich beschäftigt, sondern als Arbeitnehmerin zu beurteilen sei und fällte daher das Zwischenurteil, dass das Klagehauptbegehren von 106.641,82 EUR brutto sA und 65.775,52 EUR netto sA dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht wies mit Teilurteil das Klagehauptbegehren auf Zahlung von 106.641,82 EUR brutto und 65.775,52 EUR netto jeweils sA ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass insbesondere die persönliche Weisungsfreiheit der Klägerin und die mangelnde Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung die Annahme eines unselbständigen Arbeitsverhältnisses ausschließen. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob nicht die strenge örtliche und zeitliche Bindung der Leistungserbringung auf ein unselbständiges Arbeitsverhältnis schließen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit einer Rechtsrüge. Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch ist die Revision mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Wie schon eingangs dargelegt, wurde vom Erstgericht festgestellt, dass die fixen Öffnungszeiten auch der Beklagten vom Betreiber des Einkaufszentrums vorgegeben waren, somit die Beklagte diese Verpflichtung nur an die Klägerin weitergab. Aus diesem Umstand ist daher für die Beurteilung der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit der Klägerin nichts zu gewinnen. Auch ist für ein Franchise-System, dessen Elemente hier weitgehend vorliegen, die straffe Organisation charakteristisch, sodass auch aus der Vorgabe des Geschäftslokals und dessen Einrichtung keine zwingenden Kriterien in der einen oder anderen Richtung zu gewinnen sind (vgl RIS-Justiz RS0071381). Das Berufungsgericht hält sich in seiner Beurteilung an die von der Judikatur vorgegebenen Kriterien zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen (RIS-Justiz RS0021743 uva). Die zutreffend aufgrund einer Gesamtbetrachtung im Einzelfall gewonnene Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass hier von einer selbständigen Tätigkeit der Klägerin auszugehen ist, ist vertretbar und gibt keinen Anlass zu einer weiteren Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Auch die Klägerin vermag in ihrer Revision eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufzuzeigen. Dass Arbeitnehmerähnlichkeit allein für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses noch nicht ausreicht, wurde schon vom Erstgericht zutreffend aufgezeigt und entspricht der herrschenden Auffassung (siehe auch die Glosse von Wachter zu DRdA 1981/7). Soweit die Klägerin darauf verweist, dass das Berufungsgericht mit seinem Teilurteil unzulässigerweise auch Ansprüche abgewiesen habe, die auch bei Annahme einer selbständigen Tätigkeit der Klägerin begehrt würden, übersieht sie ihr eigenes Eventualvorbringen, über welches noch nicht entschieden wurde und in dem auch die von ihr geltend gemachten Ansprüche teilweise zusammengefasst (106.870,17 EUR sA) bzw als eigener Punkt (770,12 EUR sA) geltend gemacht werden. Dass die Klägerin auch ihren in Punkt 4h des Klagebegehrens dargestellten Anspruch von 31.900 EUR als Eventualbegehren aufrechterhalten hat, entspricht nicht der Aktenlage (siehe AS 10 ff).

Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Dieser Schriftsatz diente daher nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung und ist somit nicht zu honorieren.

Stichworte