Spruch:
Der Oberste Gerichtshof stellt beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 3 B-VG den Antrag,
gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auszusprechen, dass § 8 der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 2. Dezember 1986, Zl 10R-12/60/1986, über die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (Tierkörperverwertungsverordnung), LGBl 90/1986, in der Fassung der VO des Landeshauptmannes von Kärnten vom 19. Dezember 2000, Zl.-11-ALL-26/14-2000, LGBl 85/2000, sowie die Anlage (Entgelttarif) zu dieser Verordnung in der Fassung der VO des Landeshauptmannes von Kärnten vom 28. November 2001, Zl.-11-ALL-26/14-2001, LGBl 1/2002, ab dem 1. Juli 2004 gesetzwidrig war.
Mit der Durchführung des Rekursverfahrens wird gemäß § 57 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.
Text
Begründung
Die Parteien streiten über das von der beklagten Gemeinde für den Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 31. März 2005 zu leistende Entgelt für die Entsorgung von tierischen Nebenprodukten iSv § 10 Abs 1 Tiermaterialiengesetz - TMG (BGBl I 141/2003, idF nur TMG) iVm Art 4, 5 und 6 der VO (EG) Nr. 1774/2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl 2002 vom 3. Oktober 2002 L 273/1). Im Rekursverfahren strittig sind nur mehr die Kosten für die Entsorgung jenes Tiermaterials, das die Klägerin aus öffentlichen Sammelstellen der beklagten Gemeinde abgeführt hat.
Die Klägerin war aufgrund eines im Jahr 1986 mit dem Land Kärnten auf 25 Jahre geschlossenen Vertrags ausschließlich berechtigt und verpflichtet, die in Kärnten anfallenden tierischen Nebenprodukte zu entsorgen. Im Gegenzug hatte sich das Land Kärnten vertraglich verpflichtet, kostendeckende Entgelte für die Entsorgungsleistungen festzusetzen und jene Kosten, die durch Tarife nicht gedeckt waren, durch Zuschüsse an die Klägerin auszugleichen. Die Klägerin hatte einen allfälligen Gewinn über eine Tarifsenkung „abzutragen", Rücklagen durfte sie nur mit Zustimmung des Landes bilden und verwenden.
Die beklagte Gemeinde hatte zwei Sammelstellen eingerichtet, in die Schlachtbetriebe unter 100 Großvieheinheiten ihre tierischen Abfälle einbrachten. Die Klägerin holte die Abfälle dort ab. Bis Ende Juni 2004 erfolgte die Abrechnung nach der Kärntner Tierkörperverwertungsverordnung 1986 (LGBl 90/1986, zuletzt in der Fassung der VO LGBl 1/2002, idF nur TKVO 1986). Die beklagte Gemeinde zahlte daher nach dem Bestand an Haustieren, die einliefernden Betriebe nach der Anzahl von Schlachtungen. Da diese Tarife nicht kostendeckend waren, gewährte das Land der Klägerin aufgrund des Vertrags Zuschüsse.
Von Juli 2004 bis März 2005 verrechnete die Klägerin der beklagten Gemeinde kostendeckende Entgelte für die Abholung des Tiermaterials aus den Sammelstellen und für Einzelabholungen von „Falltieren" bei Bauernhöfen. Den in die Sammelstellen einliefernden Betrieben und den Besitzern abgeholter Tiere verrechnete sie hingegen nichts. Grund dafür war die Auffassung der Klägerin, dass die TKVO 1986 durch die Erlassung des TMG außer Kraft getreten sei, sodass bis zum Inkrafttreten der Kärntner Tierkörperverwertungsverordnung 2005 (LGBl 2005/30, idF nur TKVO 2005) mit 1. April 2005 ausschließlich die Gemeinden kostendeckende Entgelte zu leisten hätten. Die beklagte Gemeinde zahlte (letztlich) nur jenen Teil des verrechneten Entgelts, der Z 1 des Entgelttarifs der TKVO 2005 entsprach. Diese Vorgangsweise beruhte auf einer „Vereinbarung" zwischen dem Land Kärnten und dem Kärntner Gemeindebund sowie dem Österreichischen Städtebund, wonach die Entgeltbestimmungen der TKVO 2005 „rückwirkend" ab 1. Juli 2004 angewendet werden sollten. Die TKVO 2005 spiegelt diese „Vereinbarung" allerdings nicht wider. Einen weiteren Teil des Entgelts zahlte das Land Kärnten in Form einer der beklagten Gemeinde gewährten „Subvention".
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin 40.823,79 EUR sA als noch offenen Teil des von ihr für den Zeitraum Juli 2004 bis März 2005 verrechneten Entgelts. Die TKVO 1986 habe ab dem 1. Juli 2004 nach der Herzog-Mantel-Theorie nur mit jenen Teilen weiter gegolten, für die § 12 TMG eine ausreichende Deckung geboten habe. Aufrecht geblieben seien daher das kommunale Sammelsystem und die Verpflichtung der Klägerin, die abgelieferten Gegenstände abzuholen, nicht jedoch der Tarif.
Für den strittigen Zeitraum schulde die Beklagte ein kostendeckendes Entgelt. Denn sie sei durch die Einrichtung von Sammelstellen Verwahrer iSv § 10 Abs 1 TMG geworden und daher zur Ablieferung verpflichtet gewesen. Durch die Fortsetzung der Abholungen durch die Klägerin und die unbeanstandete Inanspruchnahme und Teilzahlungen durch die Beklagte sei ein konkludenter Vertrag zustandegekommen. Die Beklagte schulde daher ein angemessenes Entgelt. Der Anspruch sei auch bereicherungsrechtlich begründet, da die Klägerin Leistungen für die Beklagte erbracht habe, auf welche die Beklagte gegenüber der Klägerin kein Recht gehabt habe. Es bestehe daher zumindest ein Anspruch auf einen angemessenen Lohn für den verschafften Nutzen (§ 1431 ABGB). Um ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen zu können, hätte sich die Beklagte sonst eines anderen Betriebs bedienen müssen.
Das von der Beklagten eingewendete Verursacherprinzip bedeute nur, dass die Kosten der Entsorgung letztlich von jenem Betrieb zu tragen seien, in dem die ablieferungspflichtigen tierischen Nebenprodukte angefallen seien. Davon sei die Frage zu trennen, gegen wen die Klägerin einen Anspruch habe. Allfällige Regressansprüche der Beklagten seien dadurch nicht ausgeschlossen. Eine allfällige Einigung zwischen dem Land Kärnten und den Interessenvertretungen der Gemeinden, die in der TKVO 2005 keinen Niederschlag gefunden habe, könne keinen Einfluss auf privatrechtliche Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten haben.
Die beklagte Gemeinde bestritt, nach dem TMG zur Zahlung verpflichtet zu sein. Sie sei weder Verursacher noch Verwahrer iSd § 10 Abs 1 TMG. Nach § 10 Abs 5 TMG habe der Bürgermeister die erforderlichen Maßnahmen erst dann unmittelbar anzuordnen, wenn der Verpflichtete nach § 10 Abs 1 TMG nicht feststellbar sei, also etwa nach einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht. Da es sich dabei um Maßnahmen im übertragenen Wirkungsbereich handle, würden die diesbezüglichen Kosten als Zweckaufwand vom Bund getragen. Die Schaffung von kommunalen Sammelstellen gründe sich auf eine Anordnung des Landes, auch diesbezüglich agiere die Beklagte nur im übertragenen Wirkungsbereich.
Die Klägerin habe den Inhabern von Schlachtbetrieben, die ihre ablieferungspflichtigen Gegenstände in die öffentlichen Sammelstellen eingebracht hätten, keine Entgelte vorgeschrieben. Das falle nicht der Beklagten zur Last. Die TKVO 2005 sehe zwar vor, dass die Gemeinden die von den Betrieben zu leistenden Entgelte auftrags und namens der Klägerin einheben müssten. Im „tariffreien" Zeitraum sei es der Beklagten aber mangels gesetzlicher Grundlage nicht möglich gewesen, den Inhabern von Schlachtbetrieben entsprechende Entgelte vorzuschreiben. Aufgrund einer „Einigung" zwischen dem Land Kärnten und den Interessenvertretungen der Gemeinden sei der Tarif der TKVO 2005 „rückwirkend" mit 1. Juli 2004 anzuwenden. Die Beklagte habe die Leistungen der Klägerin nach diesem Tarif bezahlt. Ein weiterer Entgeltanspruch bestehe nicht, weil die Beklagte in keinem Vertragsverhältnis mit der Klägerin gestanden sei. Deren Verpflichtung zur Beseitigung von tierischen Abfällen gründe sich auf den Vertrag der Klägerin mit dem Land.
Das Land Kärnten trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei. Landesgesetzliche Verordnungen seien bis 1. Juli 2004 dem TMG anzupassen gewesen. Das sei nicht erfolgt, weswegen die TKVO 1986 zumindest in jenen Teilen, die sich auf das Entgelt für die Leistungen der Klägerin bezogen, außer Kraft getreten sei. Solange keine Verordnung nach § 12 Abs 2 Z 1 TMG bestanden habe, sei die Klägerin berechtigt gewesen, den Gemeinden kostendeckende Entgelte zu verrechnen. Die Gemeinden hätten dann bei den Verursachern Rückgriff nehmen müssen. Die Beklagte hätte ab dem Wegfall des Entgelttarifs der TKVO 1986 für die Nutzung des Sammelsystems kostendeckende Gebühren oder ein kostendeckendes privatrechtliches Entgelt vorschreiben können.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Mit 1. Juli 2004 sei „aufgrund des neu eingeführten Verursacherprinzips" zwar der Entgelttarif der TKVO 1986 außer Kraft getreten, im Übrigen habe die Verordnung aber weiter gegolten. Die Bürgermeister seien zwar nach § 10 Abs 4 TMG für die Organisation der Ablieferung und Weiterleitung zuständig. Sie seien aber nicht Verursacher der Abfälle und daher nicht zahlungspflichtig. Vielmehr seien diese Kosten nach § 10 Abs 6 TMG „direkt" vom Verursacher zu tragen. Das gelte unabhängig davon, ob mit Verordnung Tarife festgesetzt würden oder nicht. Die Klägerin sei aufgrund ihres mit dem Land Kärnten abgeschlossenen Vertrags tätig geworden. Nach diesem Vertrag sei das Land verpflichtet gewesen, kostendeckende Entgelte für die Entsorgungsleistungen festzusetzen und allfällige Lücken durch Zuschüsse abzudecken. Es könne nicht der Beklagten angelastet werden, dass der rückwirkend in Kraft gesetzte Tarif nach der TKVO 2005 nicht kostendeckend gewesen sei und dass es die Klägerin verabsäumt habe, mit den Verursachern Vereinbarungen abzuschließen.
Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Entgelttarif der TKVO 1986 habe ab dem 1. Juli 2004 nicht mehr gegolten, jener der TKVO 2005 erst ab dem 1. April 2005. Der Anspruch der Klägerin sei daher allein nach dem TMG „und der EG-Verordnung" zu beurteilen. Die Beklagte sei Verwahrer der in die Sammelstellen eingebrachten Abfälle gewesen. Daher sei sie nach § 10 Abs 2 TMG verpflichtet gewesen, mit einem zugelassenen Betrieb eine schriftliche Vereinbarung über die Abholung abzuschließen. Das sei zwar nicht erfolgt. Die Klägerin habe aber die Abfälle auch im strittigen Zeitraum - wie zuvor - abgeholt. Dadurch sei ein Vertragsverhältnis begründet worden. Mangels vereinbarter Unentgeltlichkeit schulde die Beklagte nach § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt. Hingegen seien die Kosten für die Einzelabholungen nach § 12 Abs 3 TMG von den jeweiligen Tierbesitzern zu tragen. Dass die Beklagte der Klägerin die abzuholenden Tierkadaver gemeldet habe, reiche für die Begründung eines Vertragsverhältnisses nicht aus. Da Feststellungen zur Frage fehlten, welcher Teil des Entgelts auf die Abholung von den Sammelstellen entfalle, sei die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Rekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zu den maßgebenden Bestimmungen des TMG fehle.
Diesen Beschluss bekämpft nur die Beklagte. Sie stützt sich insbesondere darauf, dass (auch) der Entgelttarif der TKVO 1986 bis zur Erlassung der TKVO 2005 weiter gegolten habe.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Vorbringen der Beklagten gibt Anlass zu einem Antrag nach Art 89 Abs 3 B-VG.
1. Zum besseren Verständnis des Rechtsstreits sind zunächst die maßgebenden Rechtsgrundlagen darzustellen.
1.1. Grundlagen für das Sammeln und Entsorgen von Tiermaterial waren jedenfalls bis 31. Dezember 2003 die im Gesetzesrang stehende Vollzugsanweisung des Staatsamts für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamt für Volksernährung vom 19. April 1919, betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (StGBl 241/1919, zuletzt geändert mit dem BG BGBl I 95/2002; idF nur Vollzugsanweisung) sowie die auf der Grundlage von § 6 Abs 3 Vollzugsanweisung idF BG BGBl 660/1977 erlassene Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 2. Dezember 1986, Zl. 10R-12/60/1986, über die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (LGBl 90/1986, zuletzt in der Fassung der VO des Landeshauptmannes von Kärnten vom 28. November 2001, LGBl 1/2002, idF nur TKVO 1986).
1.1.1. Nach § 4 Vollzugsanweisung mussten die „Besitzer" von ablieferungspflichtigen Gegenständen sowie diejenigen, die solche Gegenstände in „Obhut oder Verwahrung" hatten („Hirt, Schaffer, Verwalter, Begleiter von Tiertransporten, und andere") der „Gemeindevorstehung" anzeigen, dass ablieferungspflichtige Gegenstände abzuholen seien. Die Gemeindevorstehung hatte nach § 5 Abs 1 Vollzugsanweisung die Anzeige an die Tierkörperverwertungsanstalt weiterzuleiten. Nach § 6 Abs 1 Vollzugsanweisung hatte die Landesregierung nähere Bestimmungen über die Anzeige, Verwahrung und Zufuhr und die allfällige Vergütung für abgelieferte Gegenstände sowie die Gebühren für die Abholung und Verarbeitung festzusetzen.
§ 6 Abs 3 Vollzugsanweisung idF BG BGBl 608/1977 lautete wie folgt:
(3) Der Landeshauptmann hat das Entgelt für die Einsammlung, die Abfuhr und die Beseitigung der abzuliefernden Gegenstände in einem kostendeckend begrenzten Entgelttarif durch Verordnung festzulegen. Bei der Berechnung des Tarifs sind die voraussichtlichen durchschnittlichen Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sowie Rücklagen für die Erhaltung und Verbesserung der hiefür bestimmten Einrichtungen und für deren Amortisierung zu berücksichtigen.
Die mit BG BGBl I 72/2001 geänderte Fassung dieser Bestimmung lautete:
(3) Der Landeshauptmann hat das Entgelt für die Einsammlung, die Abfuhr und die Beseitigung der abzuliefernden Gegenstände und für die schadlose Entsorgung der in der Tierkörperverwertungsanstalt hergestellten Gegenstände (soweit diese aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nur als Abfall behandelt werden können) in einem kostendeckenden Entgelttarif durch Verordnung festzulegen. Dabei kann ein Kostenausgleich zwischen den einzelnen Arten der abzuliefernden Gegenstände erfolgen.
1.1.2. Nach § 1 Abs 1 TKVO 1986 idF der VO LGBl 85/2000 waren alle in Kärnten anfallenden tierischen Abfälle von der Klägerin einzusammeln und an eine Tierkörperverwertungsanstalt abzuführen. Nach § 5 Abs 1 TKVO 1986 waren die Gemeinden verpflichtet, zur vorübergehenden Aufbewahrung der ablieferungspflichtigen Gegenstände Sammelstellen zu errichten. Dort hatten die ablieferungspflichtigen Personen diese Gegenstände einzubringen, „soweit sie dem Umfang und der Menge nach dazu geeignet waren" (§ 3 Abs 1 TKVO 1986). Sonst waren sie nach § 3 Abs 2 TKVO 1986 verpflichtet, dem Bürgermeister anzuzeigen, dass diese Gegenstände abzuholen seien.
§ 8 TKVO 1986 idF der VO LGBl 85/2000 lautete auszugsweise wie folgt:
(1) Für die Einsammlung, die Abfuhr und die Beseitigung der nach § 1 Abs 1 abzuliefernden Gegenstände wird der in der Anlage angeführte Entgelttarif festgelegt. Die Umsatzsteuer ist in den festgesetzten Entgelten enthalten.
(2) Die Entgelte nach Z 1 des Entgelttarifs sind von den Gemeinden, die Entgelte nach Z 2 und 3 des Entgelttarifs von den jeweiligen Betriebsinhabern an die Tierkörperentsorgungsgesellschaft mbH, Klagenfurt zu leisten. [...]
Der zuletzt mit VO LGBl 1/2002 geänderte Entgelttarif sah in Z 1 ein von der Gemeinde zu leistendes Entgelt vor, das sich nicht nach der gesammelten Menge, sondern nach dem Ergebnis der letzten amtlichen Viehzählung richtete. Nach Z 2 hatten Inhaber von Schlachtbetrieben unter 100 Großvieheinheiten, die ablieferungspflichtige Gegenstände in öffentliche Sammelstellen einzubringen hatten, ein von der Anzahl der Schlachtungen abhängiges Entgelt zu leisten. Weitere Teile des Tarifs bezogen sich auf Abfälle, die nicht über die Sammelstellen der Gemeinde abgeführt wurden (Großschlachtbetriebe etc).
1.2. Die Vollzugsanordnung wurde mit 1. Jänner 2004 durch das Bundesgesetz betreffend Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und Materialien (Tiermaterialiengesetz - TMG; BGBl I 141/2003), abgelöst.
Dessen § 10 lautet wie folgt:
§ 10. (1) Die Erzeuger von
1. tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 1 und 2 (ausgenommen Gülle, Magen- und Darminhalt) der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 ,
2. tierischen Nebenprodukten oder Materialien der Kategorie 3, welche nicht gemäß Artikel 6 Abs. 2 lit. c bis e der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 anderweitig verwendet werden,
sowie sonstige Personen die solche Nebenprodukte und Materialien in Verwahrung haben, sind verpflichtet, diese unverzüglich an einen geeigneten, gemäß § 3 zugelassenen Betrieb oder, sofern hierfür die Zustimmung des Bestimmungsmitgliedstaates vorliegt, an einen nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 zugelassenen Betrieb in einem anderen Mitgliedstaat abzuliefern.
(2) Verpflichtete gemäß Abs. 1 haben mit zugelassenen Betrieben über die Ablieferung eine rechtsgültige schriftliche Vereinbarung, die insbesondere auch alle näheren Bestimmungen hinsichtlich Sammlung, Kennzeichnung, Lagerung, Abholung, Beförderung und die Art der weiteren Be- oder Verarbeitung enthalten muss, abzuschließen. Die Vereinbarungen sind für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten abzuschließen und hinsichtlich der in Abs. 1 Z 1 genannten Materialien unverzüglich nach Abschluss, hinsichtlich der in Abs. 1 Z 2 genannten Materialien nur über Aufforderung dem Landeshauptmann vorzulegen. Sonstige gemäß §§ 12 und 13 erlassenen Vorschriften sind einzuhalten.
(3) Ausgenommen von den Bestimmungen über eine schriftliche Vereinbarung gemäß Abs. 2 ist die Entsorgung von
1. verendeten (Falltieren) oder getöteten Tieren im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 , sofern sich diese nicht in einem Schlachthof befinden und
2. Siedlungsabfällen im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes.
(4) Sofern in den nach § 12 Abs. 1 erlassenen Bestimmungen für ablieferungspflichtige tierische Nebenprodukte oder Materialien keine andere Regelung getroffen wurde, ist für die Organisation der Ablieferung und Weiterleitung an den zugelassenen Betrieb der Bürgermeister zuständig. Diesfalls hat der Bürgermeister Regelungen im Sinne des § 12 Abs. 1 für das Gemeindegebiet festzulegen.
(5) Ist der nach Abs. 1 Verpflichtete vorerst nicht feststellbar oder zur Erfüllung seiner Verpflichtung rechtlich oder faktisch nicht imstande, so hat der örtlich zuständige Bürgermeister die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen späteren Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.
(6) Die durch die Ablieferung, Übernahme und weiteren Behandlung der in Abs. 1 genannten Nebenprodukte entstehenden Kosten sind vom Verpflichteten („Verursacher") direkt zu tragen und dürfen bei der Abrechnung gegenüber dem landwirtschaftlichen Tierproduzenten oder dem gewerblichen Lieferanten nicht gesondert auf der Rechnung angeführt werden.
Nach § 11 Z 1 TMG sind Betreiber von zugelassenen Verarbeitungsbetrieben über Aufforderung des Bürgermeisters verpflichtet, nicht bloß geringfügige Mengen von unter § 10 TMG fallenden Materialien „zu den üblichen Geschäftsbedingungen" abzuholen, wenn kein anderer zugelassener Betrieb näher gelegen ist. Eine § 6 Vollzugsanweisung vergleichbare Verordnungsermächtigung ist nun in § 12 TMG enthalten:
§ 12. (1) Der Landeshauptmann kann durch Verordnung nach den jeweiligen veterinär- und sanitätspolizeilichen Erfordernissen, den topographischen Gegebenheiten, den Transportmöglichkeiten und gemäß dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nähere Bestimmungen über die Organisation der Meldung, Ablieferung und Weiterleitung sowie der Übernahme von Materialien und Nebenprodukten gemäß Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 , insbesondere auch zur Schaffung kommunaler Sammelsysteme für Kleinmengen, festlegen. Hiebei sind Maßnahmen zur Sicherstellung der Übernahme von Nebenprodukten und Material festzulegen und für jene Fälle Vorsorge zu treffen, in denen der Ablieferungspflicht (§ 10) nicht oder nicht ausreichend entsprochen wird. Im Interesse der Zweckmäßigkeit kann hiezu auch die Bildung von Gemeindeverbänden (Art. 116a Abs. 2 B-VG) festgelegt werden.
(2) Der Landeshauptmann,
1. kann durch Verordnung volkswirtschaftlich gerechtfertigte Entgelte für die Einsammlung, die Ablieferung, die Beseitigung und unschädliche Entsorgung der in § 10 Abs. 3 Z 1 genannten Tierkörper sowie kostendeckende Entgelte für die Ablieferung über kommunale Sammelsysteme für Kleinmengen gemäß einer Verordnung nach Abs. 1 festlegen und
2. hat durch Verordnung Gebühren für die Zulassung (§ 3) und Kontrolle (§ 5) festzulegen, welche von den Betriebsinhabern der zu kontrollierenden Betriebe und Stellen zu entrichten sind.
(3) Unabhängig vom Bestand einer Verordnung gemäß Abs. 2 sind die Entgelte für die Einsammlung, die Ablieferung und die Beseitigung der gemäß § 10 Abs. 3 Z 1 genannten Tierkörper sowie für deren unschädliche Entsorgung von den Besitzern der jeweils zu entsorgenden Tierkörper zu leisten, sofern nicht der Landeshauptmann unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Tierbesitzer durch Verordnung abweichende Kostentragungsregelungen festgelegt hat. Davon unberührt bleibt die Gewährung staatlicher Beihilfen.
Regelungen zum Inkrafttreten des TMG und Übergangsbestimmungen sind in § 15 TMG enthalten:
(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2004 in Kraft.
(2) Mit Ablauf des 31. Dezember 2003 treten folgende Rechtsvorschriften außer Kraft:
1. die Vollzugsanweisung betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertung), StGBl. Nr. 241/1919, zuletzt geändert mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 95/2002, und
2. die TSE-Tiermaterial-Beseitigungsverordung, BGBl. II Nr. 473/2003.
(3) Folgende durch Art. II des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 660/1977 als Bundesgesetze in Kraft gesetzte Verordnungen treten mit Ablauf des 10. Jänner 2002 in ihrer zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung außer Kraft:
1. die Verordnung des Landeshauptmannes von Burgenland vom 30. Dezember 1975 über die unschädliche Beseitigung und Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten, LGBl. Nr. 3/1976;
2. die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. Dezember 1964 über die Beseitigung und Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (Tierkörperverwertungs-Verordnung 1965), LGBl. Nr. 68/1964.
(4) Auf Grund der Vollzugsanweisung erlassene landesgesetzliche Bestimmungen sind bis spätestens 1. Juli 2004 den Bestimmungen dieses Gesetzes anzupassen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind auch die gemäß § 10 Abs. 2 vorgeschriebenen schriftlichen Vereinbarungen abzuschließen und soweit erforderlich an die zuständige Behörde zu übermitteln.
(5) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz können bereits ab dem seiner Kundmachung folgenden Tag erlassen werden; sie dürfen jedoch frühestens mit dem 1. Jänner 2004 in Kraft gesetzt werden.
1.3. Der Landeshauptmann von Kärnten erließ am 16. März 2005 eine Verordnung über die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (Tierkörperverwertungsverordnung; LGBl 2005/30, idF: TKVO 2005). Diese Verordnung sieht wiederum ein System von Gemeindesammelstellen vor (§ 5 TKVO 2005), in die die Besitzer oder Verwahrer ablieferungspflichtige Gegenstände bei einem Einzeltiergewicht von 80 kg oder einem Gesamtgewicht aller innerhalb von 24 Stunden verendeten Tiere von 160 kg einzubringen haben; sonst erfolgt eine Einzelabholung (§ 3 Abs 1 TKVO 2005).
§ 8 Abs 1 TKVO 2005 lautet auszugsweise wie folgt:
(1) Für die Einsammlung, Ablieferung, Beseitigung und unschädliche Entsorgung der nach § 10 Abs. 3 Z 1 des Tiermaterialiengesetzes abzuliefernden Gegenstände (verendete Tiere - Falltiere oder getötete Tiere, sofern sich diese nicht in einem Schlachthof befinden) sowie für die Bereitstellung und Erhaltung der notwendigen Einrichtungen im Sinne des § 14 Tierseuchengesetz zur Seuchenvorsorge werden die in der Anlage I angeführten Entgelttarife festgelegt. Die Umsatzsteuer ist in den festgesetzten Entgelten nicht enthalten.
(2) [...]
(3) Die auf die Gemeinden entfallenden Entgelte (Anlage I Z 1) sind von der Tierkörperentsorgungsgesellschaft m. b. H., Klagenfurt, nach dem Bestand an Haustieren gemäß dem Ergebnis der jeweils letzten amtlichen Viehzählung und der tatsächlich anfallenden Menge je Kilogramm zu berechnen und den Gemeinden bis spätestens Ende März des laufenden Jahres bekannt zu geben. Die Tierkörperentsorgungsgesellschaft m. b. H., Klagenfurt, ist berechtigt, diese Entgelte in vier gleichen Teilbeträgen mit Ende der Monate März, Juni, September und Dezember in Rechnung zu stellen. Die von der Gemeinde eingehobenen Entgelte (Anlage I Z 3) sind der Tierkörperentsorgungsgesellschaft m. b. H., Klagenfurt, 60 Tage nach Abrechnung der Fleischuntersuchungsgebühren zu überweisen. [...]
Der Entgelttarif sieht in Z 1 wiederum ein von der Gemeinde zu leistendes Entgelt vor, das aber nicht mehr nur vom Ergebnis der letzten amtlichen Viehzählung, sondern auch vom Gewicht der abgeholten Abfälle abhängt. Für Nutztierkadaver und für 18 % der von den Gemeindesammelstellen abgeführten Menge hat nach Z 2 des Tarifs der Tierseuchenfonds ein gewichtsabhängiges Entgelt zu bezahlen. Inhaber von Schlachtbetrieben unter 100 Großvieheinheiten, die ihre ablieferungspflichtigen Gegenstände in die öffentliche Sammelstelle einzubringen haben, leisten wie bisher ein von der Anzahl der geschlachteten Tiere abhängiges, jedoch deutlich erhöhtes Entgelt, das von der Gemeinde einzuheben ist. Verordnete Tarife für die Abholung aus Schlachtbetrieben oder von anderen nicht in die Gemeindesammelstelle eingebrachten Materialien gibt es nicht mehr. Das Landesgesetzblatt mit der TKVO 2005 wurde am 30. März 2005 herausgegeben. Die TKVO 2005 trat daher nach § 5 Kärntner Kundmachungsgesetz (LGBl 25/1986) am 1. April 2005 in Kraft. Ihr § 10 lautet:
Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung tritt die Verordnung des Landeshauptmannes über die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung von Tierkörpern und Tierkörperteilen (Tierkörperverwertungsverordnung), LGBl. Nr. 46/1985, in der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 90/1986, LGBl. Nr. 9/1994 und LGBl. Nr. 71/1995 und LGBl. Nr. 1/2002, außer Kraft.
2. Die Entscheidung über den Rekurs der Beklagten hängt davon ab, ob der Entgelttarif der TKVO 1986 tatsächlich mit 1. Juli 2004 außer Kraft getreten ist. Denn nur in diesem Fall gäbe es den „tariffreien" Zeitraum, den die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrunde gelegt haben.
2.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs tritt eine Durchführungsverordnung im Allgemeinen zugleich mit ihrer ursprünglichen gesetzlichen Grundlage außer Kraft (Herzog-Mantel-Theorie; vgl dazu Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht II [1998] Rz 27.109;
Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts10 [2007] Rz 598; Mayer, B-VG4 [2007] Art 18 B-VG Anm VI.2; aus der Rsp etwa VfSlg 12.634/1991 und 13.552/1993 mwN), dies allerdings nur, sofern die Neufassung des Gesetzes keine Grundlage iSd Art 18 Abs 2 B-VG bietet (Adamovich/Funk/Holzinger aaO; VfSlg 12.634/1991; VwSlg 10.802/1982 [A]).
2.2. Grundlage für die Festsetzung der Entgelte für die Abholung von Sammelstellen der Gemeinde mit der TKVO 1985 war ursprünglich § 6 Abs 3 Vollzugsanweisung idF BG BGBl 660/1977. Danach hatte der Landeshauptmann die Entgelte in einem „kostendeckend begrenzten" Tarif festzusetzen. Nach Inkrafttreten der TKVO 1986 wurde diese Bestimmung mit dem BG BGBl I 72/2001 dahin geändert, dass nun „kostendeckende" Tarife festzulegen waren. Dabei konnte allerdings ein „Kostenausgleich" zwischen den einzelnen Arten der abzuliefernden Gegenstände erfolgen.
Nach § 12 Abs 2 Z 1 TMG kann der Landeshauptmann „durch Verordnung volkswirtschaftlich gerechtfertigte Entgelte für die Einsammlung, die Ablieferung, die Beseitigung und unschädliche Entsorgung der in § 10 Abs. 3 Z 1 genannten Tierkörper sowie kostendeckende Entgelte für die Ablieferung über kommunale Sammelsysteme für Kleinmengen gemäß einer Verordnung nach Abs. 1 festlegen". § 12 Abs 1 TMG enthält damit ebenfalls eine Ermächtigung zur Erlassung eines Entgelttarifs. Diese ist allerdings auf die - hier strittige - Ablieferung über kommunale Sammelsysteme für Kleinmengen sowie auf die - im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) nicht mehr strittige - Einzelabholung von Falltieren beschränkt. Andere Arten der Direktabholung sind nicht mehr von der Verordnungsermächtigung erfasst.
Die neue Verordnungsermächtigung bezieht sich nach Auffassung des Senats nicht auf jenes Entgelt, das die Einbringer der jeweiligen Gemeinde zu zahlen haben. Vielmehr erfasst sie jenes Entgelt, das dem zugelassenen Entsorgungsbetrieb, der mit der Abfuhr betraut ist, zu leisten ist. Diese Auslegung ergibt sich aus den Erläuternden Bemerkungen zu § 11 TMG (EB zur RV, 314 BlgNR 22. GP): Danach ordnet diese Bestimmung eine Kontrahierungspflicht für zugelassene Verarbeitungsbetriebe an. Damit werde die Übernahmepflicht aus § 2 Vollzugsanweisung sinngemäß übernommen, für die Preisgestaltung sei jedoch die vertragliche Vereinbarung maßgebend. Das gelte jedoch nur „ausgenommen bestehender Tarife gemäß einer Verordnung nach § 12 Abs 2 Z 1".
Für die Entsorgung über kommunale Sammeleinrichtungen sollte daher weiterhin ein die Entsorgungsbetriebe bindender Tarif möglich sein. Damit war aber auch jener Teil des Tarifs der TKVO 1986, der sich auf die Abholung der Abfälle aus den Gemeindesammelstellen bezog (Anlage Z 1 und 2), formal durch die Verordnungsermächtigung des § 12 Abs 2 Z 1 TMG gedeckt.
2.3. Nach § 12 Abs 2 Z 1 TMG hat der Tarif allerdings uneingeschränkt kostendeckend zu sein. Die nach § 6 Abs 3 Vollzugsanweisung idF BG BGBl I 72/2001 noch zulässige Quersubventionierung („Kostenausgleich") war daher nicht mehr möglich.
Der Tarif der TKVO 1986 (idF der VO LGBl 1/2002) erfüllte dieses Erfordernis für die Abfuhr aus kommunalen Sammelstellen jedenfalls im strittigen Zeitraum nicht. Das ergibt sich - abgesehen von einer diesbezüglichen Feststellung des Erstgerichts - aus einem Vergleich der Ansätze dieses Tarifs mit jenen der TKVO 2005: Das von der Gemeinde zu leistende Entgelt erhöhte sich zwar nur um 0,02 EUR pro Kilo abgeführten Materials. Die von den einbringenden Betrieben pro geschlachtetem Tier zu leistenden Beträge stiegen jedoch teilweise auf mehr als das Zehnfache (Pferde: 16,43 EUR statt früher 1,45 EUR; Rinder: 21,26 EUR statt früher 1,45 EUR; Schweine 5,55 EUR statt früher 0,51 EUR). Zudem ist - anders als früher - die Umsatzsteuer nicht im Tarif enthalten.
Da der neue Tarif von Gesetzes wegen kostendeckend zu sein hatte und keine Anhaltspunkte für überhöhte Ansätze vorliegen, folgt aus dieser massiven Erhöhung, dass der alte Tarif in Bezug auf kommunale Sammelsysteme jedenfalls im strittigen Zeitraum nicht (mehr) kostendeckend war. Denn anders lässt sich die Erhöhung nicht erklären. Der alte Tarif entsprach daher inhaltlich nicht (mehr) den Vorgaben des § 12 Abs 2 Z 1 TMG.
3. In einer solchen Fallgestaltung ist nach Auffassung des Senats kein formloses Außerkrafttreten des Tarifs durch Ablauf der Übergangsfrist (Unwirksamwerden der „alten" Ermächtigung) anzunehmen. Vielmehr liegt eine formal durch die „neue" Ermächtigung gedeckte Verordnung vor, die die Gerichte bis zu ihrer allfälligen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof bindet.
3.1. Die Formulierung des Verfassungsgerichtshofs, dass die Neufassung des Gesetzes eine „Grundlage" für die Verordnung bieten müsse (VfSlg 12.634/1991), kann nach Auffassung des Senats nicht dahin gedeutet werden, dass bei einem Wechsel der Verordnungsermächtigung jede Gesetzwidrigkeit der Verordnung inzident von Gerichten und Verwaltungsbehörden wahrzunehmen wäre. Unter Grundlage ist vielmehr (nur) das formale Bestehen einer Verordnungsermächtigung für den Regelungsgegenstand der Verordnung zu verstehen; die inhaltliche Prüfung der Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit fällt weiterhin in die ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs.
3.2. Diese Auffassung wird durch mehrere Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs gestützt: So führte er etwa in VfSlg 12.756/1991 aus, dass die geänderte Sbg FeuerpolizeiO „für generelle Rechtsakte dieser Art" (konkret: einer Verordnung über Kehrfristen) keine Grundlage mehr biete; daher sei diese VO mit der Änderung des Gesetzes weggefallen. Maßgebend war daher der Wegfall der Verordnungsermächtigung für den Regelungsgegenstand. Gleiches gilt im Ergebnis für das Erkenntnis VfSlg 12.634/1991: Dort war im Bundesstraßengesetz die Streckenbeschreibung einer Bundesstraße geändert (gekürzt) worden. Der Verfassungsgerichtshof nahm an, dass damit auch jener Teil der TrassenVO weggefallen sei, der sich auf den nun nicht mehr gesetzlich vorgesehenen Straßenverlauf bezogen hatte. Auch das lässt sich auf den Wegfall der Verordnungsermächtigung für den Regelungsgegenstand der TrassenVO (nämlich für den gesetzlich nicht mehr vorgesehenen Straßenverlauf der Bundesstraße) zurückführen. Es ist daher nicht erforderlich, das Außerkrafttreten mit einem „Widerspruch" zwischen der Verordnung und der neuen Gesetzeslage zu begründen, also letztlich mit einem Derogationsargument (Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 [1996] 204 f; vgl auch Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht II [1988] 1161), dem sonst der Grundsatz der Gewaltenteilung entgegenstünde (Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht2 [2003] Rz 843 mwN).
3.3. Die Notwendigkeit einer Anfechtung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum Prüfungsmaßstab bei einer Änderung der gesetzlichen Grundlage (zB VfSlg 9.659/1983, 14.135/1995). Danach ist im Verfahren nach Art 139 B-VG als Prüfungsmaßstab für das Verfahren, in dem eine Verordnung erlassen wurde, das zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltende Gesetz heranzuziehen, für die inhaltliche Gesetzmäßigkeit hingegen die aktuelle Fassung dieses Gesetzes. Eine Änderung des Verfahrens zur Erlassung einer Verordnung führt daher nicht dazu, dass die Beurteilung der inhaltlichen Gesetzmäßigkeit nicht mehr unter das Normenkontrollmonopol des Verfassungsgerichtshofs fiele. Gleiches muss für die (formale) Änderung der Rechtsgrundlage der Verordnung gelten (hier: § 12 Abs 2 Z 1 TMG statt § 6 Abs 3 Vollzugsanweisung). Aufgrund dieser Überlegungen erachtet sich der OGH nicht für befugt, den - formal erst mit § 10 TKVO 2005 außer Kraft gesetzten - Entgelttarif der TKVO 1986 aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit unangewendet zu lassen. Vielmehr ist ein Verordnungsprüfungsantrag nach Art 89 Abs 3 B-VG erforderlich.
4. Zwar fehlte die für einen solchen Antrag erforderliche Präjudizialität, wenn die in Zweifel gezogene Norm offenkundig gemeinschaftsrechtswidrig und ihre Anwendung daher denkunmöglich wäre (VfSlg 15.215/1998, 16.293/2001). Das trifft hier aber nicht zu. Konkrete Gründe für die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit haben die Parteien nicht aufgezeigt. Der von den Vorinstanzen genannten VO (EG) Nr. 1774/2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl 2002 L 273/1) sind solche Gründe nicht zu entnehmen.
Ein nicht kostendeckender Entgelttarif könnte zwar als Beihilfe iSv Art 87 EG zu werten sein (vgl EuGH Rs C-126/01 ). Die Europäische Kommission hat im Jahr 2002 angekündigt, solche Beihilfen, von hier wohl nicht anwendbaren Ausnahmen abgesehen, nicht mehr zu genehmigen (Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Rahmen von TSE-Tests, Falltieren und Schlachtabfällen, 2002/C 324/02 , ABl 2002 C 324/2). Eine offenkundige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Tarifs lässt sich daraus aber nicht ableiten. Denn wegen des Fehlens von gesicherten Daten zu den Auswirkungen des Tarifs kann nicht beurteilt werden, ob das „Bruttosubventionsäquivalent" der fehlenden Kostendeckung die beihilfenrechtliche Spürbarkeitsschwelle iSv Art 2 der VO (EG) Nr. 69/2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis"-Beihilfen (ABl 2001 L 10/30) überschreitet (100.000 EUR je Unternehmen in drei Jahren). Nur in diesem Fall könnte der Tarif als Beihilfe iSv Art 87 EGV gewertet werden (Kreuschitz/Rawlinson, in Lenz/Borchardt [Hrsg], EUV/EGV4 Art 87 EGV Rz 32; Sutter in Mayer [Hrsg], EU- und EG-Vertrag, Art 87 EGV Rz 54) und daher unter das Durchführungsverbot des Art 88 Abs 3 Satz 3 EGV (Sutter aaO Art 88 EGV Rz 64 ff) fallen.
Die Klägerin verrechnete für die Entsorgung aus den Gemeindetonnen der Beklagten im strittigen Zeitraum von neun Monaten nach ihrem eigenen Vorbringen (ON 36 S 23) insgesamt 84.358,71 EUR. Wie viel davon nach dem alten Tarif ohnehin von den einliefernden Betrieben zu zahlen gewesen wäre, steht zwar nicht fest. Die nach dieser Zahlung bestehende und daher allenfalls als Beihilfe zu wertende „Deckungslücke" lag aber jedenfalls für alle einliefernden Betriebe zusammen unter diesem Betrag. Damit ist aber zumindest prima facie nicht anzunehmen, dass die Deckungslücke je einlieferndem (Kleinschlacht-)Betrieb - wenngleich auf 36 Monate gerechnet - über der Spürbarkeitsgrenze von 100.000 EUR lag.
Der Tarif verstößt somit nicht offenkundig gegen das Gemeinschaftsrecht. Der Oberste Gerichtshof geht daher von dessen Präjudizialität für seine Entscheidung aus.
5. Wegen der fehlenden Kostendeckung hat der OGH aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung des mit der TKVO 1986 verordneten Tarifs. Diese Bedenken erstrecken sich auch auf § 8 TKVO 1986. Denn der Verweis auf einen gesetzwidrigen Tarif ist selbst als gesetzwidrig anzusehen (vgl die Rsp des OGH zu Verweisen in Klauselwerken, RIS-Justiz RS0122040); zudem wäre § 8 TKVO 1986 bei Wegfall des Tarifs nicht mehr vollziehbar.
Die TKVO 1986 wurde durch § 10 TKVO 2005 mit Wirkung vom 1. April 2005 aufgehoben. Daher ist nach Art 89 Abs 3 B-VG der Antrag zu stellen, der Verfassungsgerichtshof möge entscheiden, dass die oben genannten Bestimmungen der TKVO 1986 ab dem 1. Juli 2004 gesetzwidrig waren. Denn mit diesem Zeitpunkt war die Übergangsfrist des § 15 Abs 4 TMG abgelaufen, innerhalb derer „landesgesetzliche" Bestimmungen, die aufgrund der Vollzugsanweisung erlassen worden waren, dem TMG angepasst werden mussten. Unter „landesgesetzlichen" Bestimmungen sind nach Auffassung des Senats auch Verordnungen des Landeshauptmanns zu verstehen. Denn sonst hätten solche Verordnungen zugleich mit dem Inkrafttreten des TMG, dh schon mit 1. Jänner 2004, geändert werden müssen. Ein Grund für die Verschiedenbehandlung von - auf welcher Grundlage immer bestehenden - Landesgesetzen und landesrechtlichen Verordnungen ist nicht erkennbar.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)