OGH 14Os84/08x

OGH14Os84/08x8.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Harammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian W***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 20. Februar 2008, GZ 20 Hv 103/05g-66, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker und des Verurteilten Christian W*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die nach Bewilligung der Wiederaufnahme ohne neuerlichen schriftlichen Strafantrag erfolgte Anordnung und Durchführung einer Hauptverhandlung gegen Christian W***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sowie die Urteilsfällung vom 20. Februar 2008, GZ 20 Hv 103/05g-66, des Landesgerichts für Strafsachen Graz verletzen das Gesetz in § 490 (§ 358 Abs 2) iVm § 4 StPO.

Dieses Urteil wird aufgehoben.

Mit seiner Berufung wird Christian W***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz vom 12. Juli 2006 (ON 18) rechtskräftigem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 8. Februar 2006 (ON 8) wurde (unter anderem) Christian W***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In Stattgebung eines von Christian W***** gestellten Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens hob das Landesgericht für Strafsachen Graz am 23. Jänner 2008 das Urteil im genannten Schuldspruch auf (ON 59). Danach wurde der Akt der Staatsanwaltschaft Graz zur Einsicht übersendet. Diese retournierte ihn am 28. Jänner 2008 mit dem Vermerk: „Gesehen!" (S 339) und ließ den entgegen ihrer Stellungnahme ergangenen Wiederaufnahmsbeschluss unangefochten. Weitere Anträge, im Besonderen die Einbringung eines neuen schriftlichen Strafantrags, sind nicht aktenkundig.

Am 31. Jänner 2008 ordnete der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Graz die Hauptverhandlung für 20. Februar 2008 an (S 3k). Deren Protokoll ist unter anderem zu entnehmen, dass der Vertreter der Staatsanwaltschaft „gemäß § 244 Abs 1 StPO den Strafantrag vortrug" (S 360), wobei er sich nur auf das „verbliebene" Vergehen der Körperverletzung bezog (S 392).

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 20. Februar 2008 (ON 66) wurde Christian W***** neuerlich wegen des genannten Delikts schuldig erkannt und zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Über die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten wurde noch nicht entschieden.

Die Anordnung und Durchführung einer Hauptverhandlung sowie die Urteilsfällung nach Bewilligung der Wiederaufnahme ohne weitere Antragstellung seitens der Staatsanwaltschaft stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 358 Abs 2 iVm § 490 StPO tritt das Verfahren durch die Wiederaufnahme - mit Ausnahme des gegenständlich nicht vorliegenden Falls eines Freispruchs nach § 360 StPO - in den Stand des Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaft hat die nach Maßgabe der bewilligenden Entscheidung erforderlichen Anordnungen oder Anträge zu stellen. Die für das Ermittlungsverfahren und die Anklage geltenden Bestimmungen sind auch hier anzuwenden.

Da das Verfahren nach Wiederaufnahme in ein Verfahrensstadium vor Erhebung des Strafantrags tritt, bedarf es eines neuerlichen förmlichen Antrags des Anklägers auf Strafverfolgung. Die bloß mündliche Bezugnahme auf den ursprünglichen Strafantrag in der Hauptverhandlung reicht nicht aus. Ganz abgesehen davon, dass das nun in Rede stehende Vergehen - die Zuständigkeit des Einzelrichters gründete sich auf eine einem Mitangeklagten angelastete Nötigung - in die Kompetenz des Bezirksgerichts fällt, wird durch ein derartiges Vorgehen auch dem Angeklagten eine gezielte Vorbereitung auf die Hauptverhandlung unmöglich gemacht. Auch kann sein Recht auf Prüfung des Strafantrags durch den Einzelrichter vor Anordnung der Hauptverhandlung iSd § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO nicht effektuiert werden (vgl auch § 451 Abs 2 StPO).

Da dem nicht in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 20. Februar 2008 kein § 484 StPO entsprechender Strafantrag zugrunde lag, war mit Kassation des Urteils vorzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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