OGH 11Os63/08m

OGH11Os63/08m24.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerhard R***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Gerhard R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Geschworenengericht vom 12. Februar 2008, GZ 22 Hv 93/07b-99, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Gerhard R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den rechtskräftigen Schuldspruch einer weiteren Angeklagten enthält, wurde Gerhard R***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 (A.1.a), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (A.1.b), der Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs 1 und Abs 2 erster Fall und 15 StGB idF BGBl 1974/60 (A.1.c), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (A.1.d), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (A.1.e und 2.c), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (A.2.a, 3.b und 5.b), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A.2.b, 4. und 5.c) sowie der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB teils als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (A.3.a und 5.a) schuldig erkannt.

Danach hat er in Linz und andernorts

A.1.) in der Zeit von 1984 bis Weihnachten 1993

a) in zumindest einem Angriff außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt oder durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er zu einem nicht mehr näher bekannten Zeitpunkt zwischen 1991 und Weihnachten 1993 die am 20. Jänner 1980 geborene Susanne R***** an den Armen festhielt und unter Einsatz seines bei weitem überlegenen Körpergewichts den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog;

b) durch die unter A.1.a. beschriebene Tat sowie in zahlreichen Angriffen mit der am 20. Jänner 1980 geborenen, sohin unmündigen Susanne R***** den außerehelichen Beischlaf unternommen;

c) in wiederholten, mehrmals monatlich stattfindenden Angriffen die am 20. Jänner 1980 geborene, sohin unmündige Susanne R***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er ihr einen Finger in die Scheide einführte bzw in zumindest einem Fall in den Analbereich einzuführen versuchte und sie zur Vornahme eines Oralverkehrs an ihm anleitete;

d) außer dem Fall des § 206 StGB „nahezu wöchentlich" geschlechtliche Handlungen an der am 20. Jänner 1980 geborenen, sohin unmündigen Susanne R***** vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er sie im Brust- und Genitalbereich betastete und küsste, „seinen erigierten Penis gegen den Genitalbereich und den Po des Mädchens drückte" und sie aufforderte, seinen Penis bis zum Samenerguss zu reiben,

wobei die unter A.1.a bis d. geschilderten Taten bei Susanne R***** eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer chronisch posttraumatischen Belastungsstörung, einer mittelgradig bis schweren depressiven Episode und einer Bulimia nervosa zur Folge hatten;

e) durch die unter A.1.a bis d. geschilderten Taten an einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung geschlechtliche Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen;

2.) in der Zeit von 1984 bis 1993

a) die am 10. Dezember 1979 geborene, sohin unmündige Melanie O***** in zahlreichen Angriffen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er ihr den Finger in die Scheide einführte;

b) außer dem Fall des § 206 StGB wiederholt geschlechtliche Handlungen an der am 10. Dezember 1979 geborenen, sohin unmündigen Melanie O***** vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er sie im Brust- und Genitalbereich streichelte und sich von ihr mit der Hand befriedigen ließ;

c) durch die unter A.2.a. und b. geschilderten Taten an einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung geschlechtliche Handlungen vorgenommen und vornehmen lassen;

3. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt 1994/95

a) Anita Maria R***** zur Vornahme des außerehelichen Beischlafs mit dem am 27. Dezember 1982 geborenen, sohin unmündigen Daniel W***** bestimmt;

b) Anita Maria R***** zur Vornahme eines Oralverkehrs an dem am 27. Dezember 1982, sohin unmündigen Daniel W***** bestimmt und diesen dadurch auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht;

4.) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Sommer 1992 an der am 31. Oktober 1978, sohin unmündigen Doris B***** außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie im Brust- und Genitalbereich berührte und zwischen den Beinen im Scheidenbereich küsste;

5.) in der Zeit Sommer 1998 bis 2001 in zahlreichen Angriffen

a) mit der am 21. August 1987 geborenen, sohin unmündigen Sandra S***** den Beischlaf oder (ab Oktober 1998) eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er ihr einen Finger in die Scheide und in den Analbereich einführte und den Oral- sowie Vaginalverkehr mit ihr vollzog;

b) im Sommer 1998 bis 30. September 1998 die am 21. August 1987 geborene, sohin unmündige Sandra S***** in zumindest zwei Angriffen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er ihr den Finger in die Scheide einführte;

c) außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der am 21. August 1987 geborenen, sohin unmündigen Sandra S***** vorgenommen, indem er sie wiederholt im Genital- und Brustbereich streichelte und an der Scheide leckte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer auf Z 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; diese schlägt fehl. In seiner Tatsachenrüge bringt der Beschwerdeführer vor, das Erstgericht habe die Aussagen der Zeugen Robert M***** und Christa O***** übergangen und unerörtert gelassen, weshalb das Urteil mit dem Begründungsmangel der Unvollständigkeit behaftet sei. Weiters hätten die Tatrichter den Schuldspruch zu A.5. ausschließlich auf die Aussage der Zeugin Sandra S***** gestützt. Unberücksichtigt geblieben seien die Angaben des Zeugen Richard F*****, wonach diese Zeugin einerseits ihrer Mutter im fraglichen Zeitraum erklärt habe, „noch Jungfrau" zu sein, und andererseits schon immer „hobbymäßig gelogen" habe (S 359/III).

Hiezu ist vorweg festzuhalten, dass im geschworenengerichtlichen Verfahren die entscheidenden Sachverhaltsannahmen mangels einer die Geschworenen treffenden Begründungspflicht nicht auf ihre formale Mängelfreiheit im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO überprüfbar sind, eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung somit nicht geltend gemacht werden kann (Fabrizy StPO10 § 345 Rz 1).

Der Nichtigkeitsgrund der Z 10a wiederum greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftssätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583).

Indem die Tatsachenrüge dem Wahrspruch der Geschworenen bloß eigene Beweiswerterwägungen und Glaubwürdigkeitsbewertungen auf Basis teils selektiv herausgehobener Zeugenaussagen gegenüberstellt, zielt sie aber gerade auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der oben dargestellten Sonderfälle ab und vermag solcherart keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Sofern bei den Schuldsprüchen zu A.1.a bis d. offenbar - aus der Hauptfrage 5 lässt sich dies nicht mit Bestimmtheit ableiten - eine schwere Körperverletzung mehreren Taten qualifizierend zugerechnet wurde, war dies im gegebenen Fall für den Angeklagten mit keinem Nachteil verbunden (vgl US 19 f), weshalb zu einem Vorgehen nach §§ 290 Abs 1, 344 StPO kein Anlass bestand (vgl 15 Os 60/06x). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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