OGH 13Os67/08i

OGH13Os67/08i11.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Just als Schriftführerin in der Strafsache gegen Artschili G***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Artschili G*****, Tamazi H***** und Lasha K***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 4. Februar 2008, GZ 36 Hv 11/08g-142, sowie die Beschwerden der Angeklagten Artschili G***** und Tamazi H***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Tamazi H***** und Lasha K***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Tamazi H***** zu A/I und Lasha K***** zu A/II/1, in der dazu jeweils gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 127, 129 Z 1, 130 zweiter Satz (zweiter Fall), 15 StGB und in den die Angeklagten H***** und K***** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) ebenso wie der den Angeklagten H***** betreffende Widerrufsbeschluss aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

2. Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Tamazi H***** und Lasha K***** ebenso wie jene des Angeklagten Artschili G***** zurückgewiesen.

3. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten H***** und K***** sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer diese Angeklagten betreffenden Berufung und der Angeklagte Tamazi H***** mit seiner Beschwerde auf die Teilkassation (Punkt 1.) verwiesen.

4. Auch zur Herstellung eines Kopienakts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Artschili G***** und die diesen Angeklagten betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Landesgericht Innsbruck zurückgestellt.

5. Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, wurden Artschili G*****, Tamazi H***** und Lasha K***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach (richtig:) §§ 127, 129 Z 1, 130 zweiter Satz (zweiter Fall), 15 StGB schuldig erkannt (A).

Danach haben

A. „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) nachgenannten Geschädigten fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Wertgegenstände unerhobenen, im Zweifel 3.000 Euro nicht übersteigenden Wertes mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbrüchen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen bzw wegzunehmen versucht (teils durch Einbruch), und zwar:

I. Artschili G*****, Tamazi H***** und Lasha K***** am 1. August 2007 in Inzing Verfügungsberechtigten des Lebensmittelmarktes A***** durch Aufbrechen der an der Westseite des Lebensmittelmarktes befindlichen Tür (Versuch);

II. Artschili G*****, Tamazi H***** und Lasha K***** am 13. August 2007 in Hall i.T.

1. Verantwortlichen einer Baustelle im Ortszentrum ein Hebeisen unerhobenen Wertes;

2. Verfügungsberechtigten des Lebensmittelmarktes M***** durch Aufbrechen der Hintertür des Geschäftslokals (Versuch)". Dagegen wenden sich die von allen Angeklagten auf Z 5 und 5a, von Artschili G***** und Tamazi H***** auch auf Z 10 und von Lasha K***** der Sache nach auch auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten, gesondert ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Artschili G*****:

Worin der zu A/II/1 reklamierte Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Feststellung, dass „die drei Angeklagten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Mamuka N***** in Hall i.T. zunächst auf einer Baustelle im Ortszentrum ein Hebeisen unerhobenen Wertes weggenommen" haben (US 9 letzter Absatz), und dem Beweiswürdigungsargument liegen soll, dass dem Geständnis des Angeklagten, wonach „sie gemeinsam das ganze Werkzeug auf der Baustelle organisiert hätten", angesichts von Erhebungsergebnissen, die in Betreff (nur) eines weiteren sichergestellten Werkzeugs auf eine andere Herkunft hindeuten, nicht vollumfänglich gefolgt werde (US 18), ist nicht erkennbar.

Auf die - solcherart differenzierenden und aus Z 5 nicht zu beanstandenden - Erwägungen des Erstgerichts kann eine Tatsachenrüge (Z 5a) der Beschwerde zuwider nicht gestützt werden; die Prozessordnung verlangt insoweit die Bezugnahme auf konkrete Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446).

Soweit der Angeklagte Letzteres unternimmt, indem er vorbringt, dass zu A/II/1 „lediglich ein einziges Beweisergebnis", nämlich seine eigene, Tamazi H***** allein belastende Aussage, vorliege, entfernt er sich von den Ergebnissen der Hauptverhandlung, wo er selbst von jenem gerade auch dieser Tat beschuldigt wurde (S 247 iVm 21/III). Die Beschwerde vermag weiters an der - vom Erstgericht aus der Planung und Vorbereitung der Taten und der verwendeten Ausrüstung (insbesondere Werkzeuge und Handschuhe) sowie aus dem Vorleben und der Vermögens- und Einkommenslosigkeit der Angeklagten abgeleiteten (US 17 f) - Konstatierung, dass auch der Beschwerdeführer die Einbruchsdiebstähle in der Absicht beging, solche Diebstähle zu wiederholen und sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 10, 18), mit dem Hinweis auf die im Urteil ausdrücklich abgelehnte Verantwortung, es habe sich um alkoholbedingte spontane Einbrüche gehandelt, und den Umstand, dass er nach dem Versuch zu A/I das Einbruchswerkzeug weggeworfen habe, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Aus welchen aus dem Gesetz abgeleiteten Erwägungen zur rechtlichen Annahme der Gewerbsmäßigkeitsqualifikation über die getroffenen Konstatierungen hinaus auch noch Feststellungen darüber erforderlich gewesen wären, ob der Beschwerdeführer schon früher Einbruchsdiebstähle begangen hat, und welches Vermögen und Einkommen er hat (s dazu aber übrigens US 18 oben), legt die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Artschili G***** blieb demnach ohne Erfolg.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tamazi H*****:

Unter dem Aspekt der Mängelrüge (Z 5) kann der in gemeinsamer Ausführung mit der Tatsachenrüge (Z 5a) vorgebrachten Beschwerdeauffassung, das Erstgericht hätte sich in Betreff der zu A/I vorgenommenen Konstatierungen beweiswürdigend auch mit einer SMS befassen müssen, die auf dem beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefon abgelesen wurde, Berechtigung nicht abgesprochen werden (Z 5 zweiter Fall), könnte doch der Inhalt („Artschill und Tamas sind nach Innsbruck zurückgekehrt …", S 263, 553, 557/II), wie der Einwand hervorkehrt, auch als Mitteilung über die Angeklagten Artschili G***** und Tamazi H***** verstanden werden, was in einem erörterungsbedürftigen Spannungsverhältnis zur Überzeugung der Tatrichter steht, dass der Angeklagte Tamazi H***** sein Handy nicht „verliehen oder erst später bekommen", sondern (wie bei der Festnahme am 13. August 2007) schon zur Tatzeit zu A/I (am 1. August 2007) besessen hat (US 13). Erheblich ist die Frage, ob Tamazi H***** das in Rede stehende Mobiltelefon auch am 1. August 2007 besaß, deswegen, weil es zur Tatzeit bei einem Sender nahe des Tatorts eingeloggt war, worauf sich die Beweiswürdigung unter anderem stützte (US 12 unten). Der zutreffend aufgezeigte Begründungsmangel führt zur Aufhebung des Urteils im Schuldspruch des Angeklagten Tamazi H***** zu A/I und zu Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung.

Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel. Die nominell auch unter Z 5 und 5a, der Sache nach aus Z 10 vermissten Feststellungen zu der für die rechtliche Annahme von Gewerbsmäßigkeit iSd § 130 zweiter Satz (zweiter Fall) StGB erforderlichen Willensausrichtung des Angeklagten wurden - angesichts der Teilkassation nur mehr für A/II/1 und 2 bedeutsam - im Urteil durchaus getroffen (US 10, 18). Das Beschwerdevorbringen dagegen stellt sich als unzulässige Beweiswürdigungskritik dar.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Lasha K*****:

Weshalb zum Schuldspruch A/I „die Begründung des Drittangeklagten hinsichtlich der aufgefundenen DNA-Spuren" nicht nachvollziehbar sein soll, lässt die - Z 5 und 5a durchwegs gemeinsam ausführende - Beschwerde offen; sie entzieht sich damit insoweit argumentationsbezogener Erwiderung.

Dass drei Paar Arbeitshandschuhe in Tatortnähe gefunden wurden, haben die Tatrichter ohnedies nicht als alleinige Grundlage für ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zu A/I genannt (US 11 f).

Einen Begründungsmangel (Z 5) spricht die Beschwerde zu A/II/2 mit dem Hinweis auf Aussagen der anderen Angeklagten, wonach er am Einbruchsdiebstahl nicht teilgenommen habe, gar nicht an. Sie argumentiert vielmehr aktenwidrig, wenn sie sich auf übereinstimmende Aussagen beruft: Vom Angeklagten Tamazi H***** (alias Ridas Ka*****, US 2) wurde Lasha K***** beim Untersuchungsrichter ursprünglich konkret belastet (S 151/I).

Über die Erwägungen zur Rufdatenauswertung, denen zufolge sich das Mobiltelefon des Angeklagten in der Nacht vom 12. auf den 13. August 2007 um 22.14 Uhr noch in Innsbruck und dann von 22.59 Uhr bis 0.26 Uhr in Hall i.T. befand, hinweggehend vermag die Beschwerde mit dem Vorbringen, „objektive Beweismittel" für seine Beteiligung am versuchten Einbruchsdiebstahl lägen nicht vor, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Zum Diebstahl des Hebeisens laut A/II/1 fehlt es zwar nicht an Feststellungen (US 9 f; der Sache nach Z 9 lit a), wohl aber, was der Beschwerdeführer zutreffend rügt, an einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung (Z 5 vierter Fall; vgl US 18).

Auch insoweit (A/II/1) war das Urteil daher aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Soweit sie nicht zur Teilkassation führten, waren die Nichtigkeitsbeschwerden bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

In Betreff des Angeklagten G*****, dessen Beschwerde ohne Erfolg blieb, führt die Zurückweisung zur Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde dieses Angeklagten und über die ihn betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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