Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann K***** (richtig:) der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I.) und (richtig:) der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (II.) schuldig erkannt.
Danach hat er als in abgabenrechtlicher Hinsicht Verantwortlicher für seine nicht protokollierte „Einzelfirma"
I. vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für den Zeitraum 1999 bis 2001 Verkürzungen an Umsatzsteuer und Einkommensteuer bewirkt, und zwar
1. für 1999 74.867 S (5.440,80 Euro) an Umsatzsteuer und 174.993 S (12.717,24 Euro) an Einkommensteuer
2. für 2000 191.663 S (13.928,69 Euro) an Umsatzsteuer und 383.750 S (27.888,20 Euro) an Einkommensteuer
3. für 2001 181.746 S (13.208 Euro) an Umsatzsteuer und 397.314 S (28.873,93 Euro) an Einkommensteuer,
II. unter Verletzung der Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe von dem § 21 des UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlungen bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem er keine bzw zu geringe Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtete, und zwar für das Jahr 2002 (Jänner bis Dezember) um 28.761,03 (richtig: 28.671,03) Euro.
Rechtliche Beurteilung
Die aus den Gründen der Z 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv, gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen, eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583).
Aus den vom Beschwerdeführer angeführten Hinweisen auf Alkoholmissbrauch ergeben sich erhebliche Bedenken nicht. Im Übrigen setzten sich die Tatrichter sowohl mit der Verantwortung des Angeklagten, es sei zu den „Hinterziehungen" nur aufgrund seiner psychischen Probleme während des gesamten Deliktszeitraums und deshalb gekommen, weil er „dem Alkohol verfallen" war, als auch mit den in diesem Zusammenhang vorgelegten medizinischen Unterlagen (Beilage zu ON 15) umfassend auseinander und begründeten ausführlich, weshalb sie trotz der besprochenen Problematik zu dem Schluss kamen, Zurechnungsunfähigkeit sei im Tatzeitraum nicht vorgelegen (US 5 f). Zu einer gesonderten extensiven Erörterung vom Beschwerdeführer als erheblich erachteter Passagen aus seiner Aussage sowie sämtlicher Details aus den vorgelegten Urkunden (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) waren sie - dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten. Spielsucht von Krankheitswert wurde vom Angeklagten gar nicht behauptet, sodass auch keine Veranlassung bestand, im Urteil zu seiner - im Rechtsmittel verzerrt zusammengefasst wiedergegebenen - Behauptung, er habe „unter Alkohol auch in einem bestimmten Lokal Automaten und Karten gespielt", was seine Frau nicht wissen hätte dürfen (S 79), im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit oder dem Vorliegen der subjektiven Tatseite ausdrücklich Stellung zu nehmen (erneut inhaltlich Z 5 zweiter Fall). Soweit die Beschwerde einen Teil der Aussage des Zeugen Mag. Clemens L*****, wonach man sich damals die Frage gestellt habe, ob der Angeklagte vielleicht Alkoholiker sein könnte, aus dem Zusammenhang gelöst zitiert und dabei dessen weitere Depositionen, er habe mit Johann K***** nicht laufend zu tun gehabt, jedenfalls habe dieser nie „gewankt" und im Gespräch nicht den Eindruck erweckt, „im Delirium zu sein" (S 65), übergeht, lässt sie offen, inwiefern diese Angaben insgesamt in erörterungsbedürftigem Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zur Annahme von Dispositions- oder Diskretionsfähigkeit stehen sollten.
Indem der Beschwerdeführer aus den besprochenen Verfahrensergebnissen andere, für ihn günstigere Schlüsse zieht als die der Tatrichter, den kritisierten Urteilsannahmen zum Vorliegen von Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten also bloß eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt, vermag er keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken, sondern zielt just auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der oben dargestellten Sonderfälle ab.
Soweit der Angeklagte im Rahmen der auf der gleichen Argumentation aufbauenden Aufklärungsrüge (Z 5a) vorbringt, die Tatrichter wären verpflichtet gewesen, von Amts wegen ein „medizinisches" (gemeint: psychiatrisches) Sachverständigengutachten einzuholen, unterlässt er es, darzulegen, wodurch er an der Ausübung des Rechts, die angesprochene Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu beantragen, gehindert war (RIS-Justiz RS0115823). Dass ihm ein solcher Antrag „entbehrlich schien", weil nach seiner Auffassung „in der Hauptverhandlung deutlich zu Tage getreten" sei, „dass eine Unzurechnungsfähigkeit iSd § 7 FinStrG gegeben ist", vermag - entgegen dem Beschwerdestandpunkt - weder den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund herzustellen noch eine besondere Belehrungspflicht des Gerichts über dessen ins Auge gefasste Beweiswürdigung zu bewirken.
Der Einwand der - das Vorbringen der Tatsachenrüge teilweise wiederholenden - Rechtsrüge (Z 9 lit b; Punkt I.2.2. der Beschwerdeschrift), das Urteil enthalte „keine Feststellungen zum Schuldausschließungsgrund des § 7 FinStrG", übergeht die eindeutige Konstatierung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitraum (US 4) und verfehlt damit die prozessordnungsgemäße Darstellung (RIS-Justiz RS0099810). Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b; Punkt I.2.1 der Beschwerdeschrift) vermisst in Betreff des Schuldspruchfaktums II. für die Beurteilung des Vorliegens des Strafaufhebungsgrundes strafbefreiender Selbstanzeige nach § 29 FinStrG als wesentlich erachtete Feststellungen dazu, ob der Angeklagte die bescheidmäßig festgesetzte Umsatzsteuer für das Jahr 2002 abgeführt hat.
Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).
Ein solches Tatsachenvorbringen zeigt die Beschwerde nicht auf, indem sie bloß auf die Urteilsannahme der Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung für 2002 in korrekter Höhe sowie auf die Anzeige des Finanzamtes verweist, wonach am 7. August 2007 am Abgabenkonto des Angeklagten ein vollstreckbarer Rückstand von (nur noch) 11.302,04 Euro bestand (S 5) und daraus ableitet, es sei nicht auszuschließen, dass die bescheidmäßig festgesetzte Umsatzsteuer für das Jahr 2002 „bereits entrichtet ist".
Sie lässt nämlich offen, inwiefern bei der gegebenen Fallkonstellation die Höhe des Abgabenrückstands zu einem mehrere Jahre nach rechtskräftiger bescheidmäßiger Festsetzung der Umsatzsteuer (am 5. Oktober 2004 [US 3; S 73]) liegenden Zeitpunkt rechtzeitige Entrichtung des gesamten Verkürzungsbetrages (vgl dazu für viele: Reger/Hacker/Kneidinger FinStrG I³ § 29 Rz 11), solcherart also das Vorliegen der Voraussetzungen einer mit strafbefreiender Wirkung verbundenen Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG (vgl Abs 2 dieser Bestimmung), indizieren sollte.
Im Übrigen waren die unterlassenen Umsatzsteuervoranmeldungen für 2002 jedenfalls bereits am 17. November 2003 entdeckt und dies dem Anzeiger ersichtlich bekannt (AV vom 17. November 2003, ON 9; § 29 Abs 3 lit b FinStrG), weshalb - abgesehen vom Fehlen rechtzeitiger Entrichtung des Abgabenrückstandes als objektive Bedingung der Straffreiheit - die Annahme der Erstattung einer Selbstanzeige im Sinne des § 29 Abs 1 FinStrG schon am Erfordernis der Rechtzeitigkeit scheitert, weil nach den Urteilsfeststellungen, die USt-Jahressteuererklärung für 2002 erst am 26. September 2004 „dem Finanzamt übermittelt" wurde (US 3).
Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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