OGH 15Os52/08y

OGH15Os52/08y5.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Christopher S***** und Felix St***** wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom 8. Jänner 2008, GZ 15 Hv 147/07f-84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Christopher S***** und Felix St***** des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 2. Juli 2007 in Maria Taferl Manuela B***** ohne deren Einwilligung mit Gewalt, indem sie sie mehrfach an den Haaren zogen, an der rechten Hand packten und aus der Wohnung zerrten, sowie durch gefährliche Drohung, indem Christopher S***** mehrfach äußerte, dass er sie, ihre Familie sowie Arthur U***** umbringen werde, entführt, um einen Dritten, nämlich Arthur U*****, zu einer Handlung, und zwar zur Übergabe eines Betrags von 500 Euro zu nötigen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richteten sich die von Christopher S***** auf Z 9 und 10a, von Felix St***** auf Z 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Sie gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Christopher S*****:

Nichtigkeit aus Z 9 des § 345 Abs 1 StPO liegt vor, wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen - also der Wahrspruch - undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist. Mit der Behauptung, „die Antwort der Geschworenen auf die erste Hauptfrage ist zwar deutlich und vollständig (8 Stimmen ,Ja', 0 Stimmen ,Nein'), widerspricht aber ihren Angaben in der Niederschrift", und mit dem Hinweis auf die Aussagen mehrerer Zeugen bezieht sich der Beschwerdeführer der Sache nach nicht auf den Wahrspruch, also die Antwort der Geschworenen im Sinne der Z 9, sondern auf deren Erwägungen in der Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO). Ein Widerspruch zwischen der Antwort der Geschworenen und dem Inhalt der Niederschrift stellt keinen selbständigen Nichtigkeitsgrund dar, weil das Gesetz von den Laienrichtern weder in rechtlicher, noch in tatsächlicher Hinsicht eine „anfechtungsfeste" Begründung ihres Wahrspruchs verlangt (Fabrizy StPO10 § 345 Rz 16; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 71). Die Durchführung eines Moniturverfahrens wurde - aktenkonform - im gegebenen Zusammenhang gar nicht behauptet.

Im Übrigen sind der Wahrspruch und die in der Niederschrift festgehaltene Begründung nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung durchaus nicht unvereinbar.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) bekämpft die Annahme des Vorliegens einer Nötigungsabsicht bereits im Zeitpunkt der Entführung, vermag aber mit dem selektiven Hervorheben einzelner Aussageteile unter eigenständiger Würdigung der Depositionen der Zeugin Manuela B***** (vgl aber S 127 f/II) und dem Argument, die - zum Tatzeitpunkt gar nicht anwesenden - Zeugen U*****, F***** und Stu***** hätten „nicht die geringsten Hinweise" geben können, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Felix St*****:

Mit der Instruktionsrüge (Z 8) moniert der Beschwerdeführer eine unvollständige bzw missverständliche Rechtsbelehrung zur Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form „der so genannte erweiterte Vorsatz im Sinn des § 102 StGB vorzuliegen habe". Dieses Vorbringen orientiert sich mit dem Herausgreifen isoliert betrachteter Teile nicht an der Rechtsbelehrung in ihrer Gesamtheit. Diese erläutert nämlich auf S 1 (S 169/II) den Begriff des Entführens als Verbringen des Opfers von einem Ort an einen anderen, wodurch es dem überwiegenden Einfluss des Täters ausgesetzt wird. Auf S 2 der Rechtsbelehrung (S 171 Mitte/II) wird hiezu ausgeführt, dass der Täter zur Erfüllung der subjektiven Tatseite schon im Zeitpunkt des Entführens, sohin des Verbringens des Opfers, mit der Absicht handeln muss, dadurch eine dritte Person (Bekannte, Angehörige etc) zu einem bestimmten Verhalten (zB zu einer Geldherausgabe) zu nötigen; dass das Delikt mit der Entführung des Opfers vollendet ist, wird im letzten Absatz der S 2 der Rechtsbelehrung festgehalten. Weshalb die Rechtsbelehrung unter Berücksichtigung dieses Gesamtzusammenhangs unvollständig oder missverständlich, im Besonderen für die Geschworenen nicht erkennbar wäre, dass zur Verwirklichung des Verbrechens der erpresserischen Entführung bereits das Verbringen der Manuela B***** aus der Wohnung von der Absicht getragen sein musste, Arthur U***** dadurch zur Übergabe von Geld zu nötigen, legt der Beschwerdeführer nicht dar.

Soweit die Beschwerde ein fallbezogenes näheres Eingehen auf den Zeitpunkt der Entführung, deren Vollendung und die Beendigung der Straftat fordert, übersieht sie, dass es nach dem Gesetz nicht Aufgabe der schriftlichen Rechtsbelehrung, sondern der vom Vorsitzenden mit den Geschworenen gemäß § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden, einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogenen Besprechung ist, bei Erörterung der einzelnen Fragen die darin aufgenommenen Gesetzesmerkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zu Grunde liegenden Sachverhalt zurückzuführen, die für die Beantwortung der Frage entscheidungswesentlichen Tatsachen hervorzuheben und insoweit auch auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung einzugehen.

Mit den Hinweisen auf die - von den Geschworenen ohnedies in ihre Erwägungen miteinbezogenen (vgl S 239/II) - Widersprüche in der Aussage der Manuela B*****, weiters auf die vom Opfer nicht genutzte Fluchtmöglichkeit während eines Aufenthaltes auf einem Parkplatz sowie auf die Aussage des Andreas R*****, er sei anlässlich eines Telefonats von Manuela B***** von dieser nicht um Hilfe ersucht worden, und auf das fehlende Motiv des Felix St*****, der sich nach seiner Verantwortung wegen einer schmerzhaften Rippenprellung nicht in eine Auseinandersetzung einlassen wollte, vermag das auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO gestützte Vorbringen - in Ansehung der belastenden und von den Geschworenen letztlich für glaubwürdig erachteten Depositionen der Zeugin Manuela B***** - keine Zweifel an der Richtigkeit des Wahrspruchs zu erwecken.

Dem sich gegen die Niederschrift der Geschworenen wendenden Einwand, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Widersprüche in den Aussagen der Manuela B***** als „nicht so beachtlich" eingestuft wurden, ist zu entgegnen, dass die Niederschrift der Geschworenen eine kurze Begründung (= Erwägungen) für die Beweiswürdigung darstellt, und daher nicht gleichzeitig deren Gegenstand bilden kann. Obwohl sie dem Hauptverhandlungsprotokoll anzuschließen ist (§ 332 Abs 6 StPO) und solcherart zu „den Akten" gehört, kann eine Tatsachenrüge darauf nicht gegründet werden (Philipp, WK-StPO § 331 Rz 10; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 16; RIS-Justiz RS0115549).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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