Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Der Kläger ist Eigentümer zweier Grundstücke, über die ein Forstweg führt. Wegehalterin ist eine Bringungsgenossenschaft. Ihre Mitglieder sind nach § 4 ihrer Satzung berechtigt, „ihre Forstprodukte auf dem Forstweg zu befördern, darüber hinaus auch landwirtschaftliche Erzeugnisse und Produktionsmittel zu befördern und überhaupt auf dem Forstweg zu gehen und zu fahren".
Der Beklagte ist nicht Mitglied der Bringungsgenossenschaft. Er ist Bestandnehmer eines Teils einer Wirtschaftshütte, Bestandgeber sind das Ehepaar H*****, die ihrerseits als Eigentümer „beanteilter" Liegenschaften Mitglieder der Bringungsgenossenschaft sind. Der Ehemann besitzt ein über diesen Forstweg erreichbares Eigenjagdgebiet. Der Beklagte übt dort die Jagd aus. Er „pachtete" ein auf dem Grundstück der Ehegatten H***** befindliche Wirtschaftshütte „zum Zwecke des Almaufenthalts".
Der Kläger begehrt, dem Beklagten das Befahren der über seine näher bezeichneten Grundstücke führenden Weganlage zu untersagen, sofern es nicht entsprechend den Satzungen der Bringungsgenossenschaft für land- und forstwirtschaftliche Zwecke erfolgt. Der Beklagte benutze die Forststraße nicht nur für die von der Satzung gestatteten land- und forstwirtschaftlichen Zwecke, sondern befahre sie auch zu Zwecken der Jagdausübung und in Verfolgung von anderen Eigeninteressen (zur Erholung), beides sei vom Zweck der Bringungsgenossenschaft nicht umfasst. Er könne eine generelle Fahrerlaubnis weder von seinen Bestandgebern ableiten, noch auf den Vollversammlungsbeschluss der Bringungsgenossenschaft vom 14. 3. 2002 stützen. Nach dieser Beschlussfassung bedürfe nämlich eine über land- und forstwirtschaftliche Zwecke hinausgehende Wegbenutzung der Zustimmung sämtlicher Eigentümer jener Grundstücke, über die die Weganlage verlaufe. Zu diesen Eigentümern gehöre auch der Kläger, er habe einem Befahren der Weganlage über seine Grundstücke zu jagdlichen oder privaten Zwecken nicht zugestimmt.
Der Beklagte wendete ein, er benütze die Weganlage im Interesse der Liegenschaft seiner Bestandgeber, die Mitglieder der Bringungsgenossenschaft seien, weil er für sie Arbeiten verrichte. Im Übrigen habe er Räumlichkeiten in deren Wirtschaftshütte in Bestand genommen. Die Bringungsgenossenschaft habe in der Vollversammlung vom 14. 3. 2002 auf Grundlage der Satzung den Beschluss gefasst, Mietern von Zimmern in landwirtschaftlich genützten Hütten der Mitglieder eine Fahrerlaubnis gegen Zahlung von 50 EUR jährlich zu erteilen. Diesem Beschluss habe auch der Kläger zugestimmt, der Beklagte habe den geforderten Betrag (an die Bringungsgenossenschaft) bezahlt. Überdies befahre er die Grundstücke des Klägers nicht zu jagdlichen Zwecken und habe schon deshalb den ihm angelasteten Verstoß nicht begangen. Er steige nämlich noch außerhalb dieser Grundstücke aus dem Fahrzeug aus, gehe zu Fuß über die Grundstücke des Klägers und steige erst danach wieder in das Fahrzeug ein. Zu transportierendes Wild werde vor dem Grundstück des Klägers ausgeladen, zu Fuß auf der Forststraße (über die Grundstücke des Klägers) getragen und nach deren Ende wieder in das Fahrzeug geladen. Der Kläger sei überdies aktiv nicht klagslegitimiert, weil er seine Grundstücke in die Bringungsgenossenschaft eingebracht und dieser das Verfügungsrecht als Wegehalterin eingeräumt habe. Einer zusätzlichen Zustimmung der Grundeigentümer zur Wegbenutzung bedürfe es nicht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte noch fest, mit der Formulierung des § 4 der Satzung „und überhaupt auf dem Forstweg zu gehen und zu fahren" sei eine Benützung im Sinn des Forstgesetzes gemeint. Nach § 16 Abs 2 der Satzung sei für eine außerordentliche Inanspruchnahme des Wegs durch einzelne Mitglieder oder Nichtmitglieder ein besonderer Betrag zu leisten, dessen Höhe die Vollversammlung bestimme. Die Vollversammlung der Bringungsgenossenschaft vom 14. 3. 2002 habe unter anderem beschlossen, dass Mietern von Einzelzimmern in landwirtschaftlich genützten Hütten von Mitgliedern eine Benützung der Forststraße gegen ein jährliches Entgelt bewilligt werden könne, die Bewilligung setze allerdings die Zustimmung sämtlicher Grundeigentümer voraus. Der Beklagte habe eine Zustimmung des Klägers für die Benutzung seiner Grundstücke im Verlauf des Forstwegs nicht eingeholt. Er sei seit etwa 2000 auch zu jagdlichen Zwecken in das Revier seines Bestandgebers gefahren, wobei er gewusst habe, dass er dabei die Grundstücke des Klägers nicht befahren dürfe. Er sei deshalb nicht selbst mit dem Auto dorthin gefahren, sondern immer nur mitgefahren, an der Grenze der Grundstücke des Klägers ausgestiegen und zu Fuß - allenfalls unter Mitnahme jagdlicher Gerätschaften - weitergegangen. Fallweise sei er auch zu Erholungszwecken - wie etwa am 6. 12. 2003 als Beifahrer im Auto seines Bestandgebers - dorthin gefahren. Er sei dann an der Grundstücksgrenze ausgestiegen und zu Fuß - den alten Weg über das Grundstück des Klägers benützend - weitergegangen; zu Pfingsten 2004 habe er für die Fahrt zur und von der Hütte aufgrund eines jagdlichen Zwecks die gleiche Vorgangsweise eingehalten. Der Beklagte fahre rund 10 mal pro Jahr über diese Forststraße. Fallweise, wenn er nicht die Absicht gehabt habe, zu jagen, sei er auch schon über die Grundstücke des Klägers als Beifahrer gefahren. Grundsätzlich benütze er aber den alten Weg als Gehweg, selten den neuen Weg.
Rechtlich bejahte das Erstgericht die Aktivlegitimation und den Unterlassungsanspruch des Klägers. Alle Mieter von Zimmern in der Hütte seines Bestandgebers dürften die Weganlage nur mit Einwilligung der Bringungsgenossenschaft als Wegehalterin und entsprechend den von der Vollversammlung beschlossenen Bedingungen befahren. Die Bringungsgenossenschaft habe eine Fahrerlaubnis von der Zustimmung der Grundeigentümer abhängig gemacht, der Beklagte habe eine derartige Zustimmung des Klägers nicht eingeholt, es sei ihm daher nicht erlaubt, die Weganlage über land- und forstwirtschaftliche Zwecke hinaus zu befahren. Der Beklagte verfolge bei seinen Fahrten Eigeninteressen, die nicht diesen Zwecken dienten, er könne sein Fahrrecht auch nicht von seinen Bestandgebern ableiten. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger sei aktiv legitimiert, weil die vom Beklagten in Anspruch genommene Sondernutzung der Weganlage seine Zustimmung als Grundeigentümer voraussetze, und er eine derartige Zustimmung nicht erteilt habe. Die Bringungsgenossenschaft habe die Sondernutzung von der ausdrücklichen Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer abhängig gemacht, bei deren Fehlen - wie hier - eine Fahrerlaubnis nicht bestehe. Der Kläger sei daher berechtigt, die auf sein Eigentumsrecht gestützten Ansprüche selbst geltend zu machen. Mangels der erforderlichen Zustimmung der Grundeigentümer sei der Beklagte somit nicht berechtigt, die Weganlage über die Grundstücke des Klägers - ausgenommen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke - zu befahren. Er habe jedoch die im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke bisher nie, somit auch nicht zu jagdlichen oder zu Erholungszwecken befahren und auch die Weganlage vor und nach den Grundstücken des Klägers nur als Beifahrer benutzt. Ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Klägers als Voraussetzung seines Unterlassungsanspruchs habe nicht stattgefunden. Auch die Voraussetzungen einer vorbeugenden Unterlassungsklage lägen nicht vor, weil keine konkrete Besorgnis einer drohenden Rechtsverletzung bestehe. Der Beklagte habe nämlich nie - auch nicht im Verfahren - den Standpunkt vertreten, die Weganlage über die im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke befahren zu dürfen. Er habe vielmehr immer bekundet, zu wissen, dass er ein Befahren über land- und forstwirtschaftliche Zwecke hinaus zu unterlassen habe. Er habe somit weder eine dem Unterlassungsgebot zuwiderlaufende Handlung gesetzt, noch habe er die Absicht dies zu tun. Unter dem zu untersagenden „Befahren" könne nur das aktive Lenken eines Fahrzeugs gemeint sein, nicht aber ein bloßes Mitfahren. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Pflicht, das Befahren einer Weganlage über bestimmte Zwecke hinaus zu unterlassen, dadurch zuwidergehandelt werde, dass der Verpflichtete in einem Fahrzeug bloß mitfahre, vor dem Grundstück anhalte, dieses zu Fuß überquere und danach wieder in das Fahrzeug als Mitfahrer einsteige.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist wegen des vom Berufungsgericht angeführten Grundes, aber auch deshalb zulässig, weil die zweite Instanz zur Begründung der mangelnden Gefahr eines Eigentumseingriffs aktenwidrig davon ausgegangen ist, dass der Kläger nie den Standpunkt vertreten habe, die Weganlage über die im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke befahren zu dürfen.
1. Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht die Aktivlegitimation des Klägers mit zutreffender Begründung bejaht hat. Auf diese Ausführungen wird hingewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
2. Der Beklagte ist Bestandnehmer eines Mitglieds der Bringungsgenossenschaft und dessen Jagdgast. Er ist nicht Mitglied der Bringungsgenossenschaft. Der Kläger begehrt, dem Beklagten zu untersagen, die über seine Grundstücke führende Weganlage zu befahren, sofern dies nicht entsprechend den Satzungen der Bringungsgenossenschaft für land- und forstwirtschaftliche Zwecke erfolgt. Der Vorwurf des Klägers besteht darin, dass der Beklagte die Weganlage im Bereich seiner Grundstücke zu Zwecken befahre, die nicht der Land- und Forstwirtschaft dienten; er befahre sie zu Zwecken der Jagd und für sonstige Privatfahrten. Derartige Fahrten seien weder durch die Satzung der Bringungsgenossenschaft noch auch durch § 33 ForstG gedeckt.
2.1. Nach Satzung und ergänzender Beschlussfassung der Bringungsgenossenschaft kann den Mietern von Zimmern in landwirtschaftlich genutzten Hütten der Mitglieder ein Fahrrecht (in Erweiterung der satzungsmäßigen Nutzung des Wegs für land- und forstwirtschaftliche Zwecke) eingeräumt werden. Voraussetzung einer derartigen Einräumung ist die Zahlung einer jährlichen Pauschalsumme von 50 EUR an die Bringungsgenossenschaft und die Zustimmung der Grundeigentümer, über deren Liegenschaft die Forststraße verläuft. Der Beklagte hat die Zustimmung des Klägers zum Befahren seiner Grundstücke nicht eingeholt. Er ist daher nicht befugt, die Forststraße im Bereich der Grundstücke des Klägers anders als zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken zu befahren.
2.2. Das gegen den Beklagten angestrebte, auf § 523 ABGB gestützte Unterlassungsgebot setzt eine entsprechende Verletzungshandlung voraus. Das Erstgericht hat dazu (zusammengefasst) festgestellt, dass der Beklagte die Grundstücke des Klägers zu jagdlichen Zwecken nicht befahren habe. Er sei mit einem Dritten mitgefahren, an der Grenze zu den klägerischen Grundstücken ausgestiegen und zu Fuß weitergegangen. Fallweise sei er auch zu Erholungszwecken als Beifahrer mitgefahren, wieder an der Grundstücksgrenze ausgestiegen und zu Fuß, meist den alten Weg benützend, über die Grundstücke des Klägers gegangen. Wenn er nicht die Absicht gehabt habe, zu jagen, sei er fallweise auch über das Grundstück des Klägers als Beifahrer (eines Dritten) mitgefahren.
Das Berufungsgericht hat diese Feststellungen übernommen und daraus den Schluss gezogen, der Beklagte habe die Grundstücke weder befahren noch beabsichtige er, das zu tun.
3. Der Revisionswerber macht zutreffend geltend, dass die Feststellungen der Vorinstanzen für die Beurteilung einer Wegbenutzung durch Befahren zu anderen als zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken nicht ausreichen. Selbst wenn der Beklagte die Grundstücke des Klägers anlässlich von Fahrten zu Zwecken der Jagd zu Fuß überquert hat, so steht dennoch fest, dass er fallweise - zu anderen als zu Jagdzwecken - als Beifahrer über diese Grundstücke gefahren ist. Auch derartige „Privatfahrten" fallen - nach den tieferstehend begründeten Voraussetzungen - weder unter die nach der Satzung der Betriebsgenossenschaft zulässige land- und forstwirtschaftliche Nutzung, noch unter eine Nutzung nach § 33 ForstG. Die Bringungsgenossenschaft gestattet den Mietern weiter oben gelegener Hütten von Genossenschaftsmitgliedern derartige Fahrten nur nach Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer und nach Zahlung eines Jahresentgelts. Eine derartige Zustimmung des Klägers hat der Beklagte nicht eingeholt.
4. Soweit sich der Beklagte nun darauf beruft, er sei über die Grundstücke des Klägers fallweise (aber nur) als Beifahrer mitgefahren, ist zu unterscheiden:
4.1. War der Fahrer des Fahrzeugs berechtigt, die Forststraße über die Grundstücke des Klägers zu den unternommenen (Privat-)Fahrten zu benutzen und nahm er den Beklagten, der - mangels Zustimmung des Klägers - das Fahrzeug nicht hätte selbst lenken dürfen, anlässlich einer eigenen (ohnehin vorgesehenen) Fahrt bloß mit, so hätte der Beklagte die Ausschließlichkeitsrechte des Klägers nicht verletzt. In einem solchen Fall entspräche nämlich auch die Mitnahme eines selbst nicht Fahrberechtigten einer üblichen, der Verkehrssitte entsprechenden Vorgangsweise.
4.2. Unternahm der Fahrberechtigte die Fahrt hingegen zum alleinigen Zweck, den Beklagten - im Ergebnis einem Taxi gleich - über die Weganlage zu befördern, so wäre seine Fahrt dem Beklagten als Benutzung der Weganlage zuzurechnen. Sie fände allein in seinem Interesse statt. Der Beklagte hätte sich dann des fremden Fahrers nur bedient, um die Weganlage trotz des für ihn geltenden Fahrverbots zu befahren.
4.3. War der Lenker des Fahrzeugs selbst nicht berechtigt, den Forstweg über die Grundstücke des Klägers zu befahren, so wäre die Fahrt nur dann dem Beklagten als Benutzung der Weganlage zuzurechnen, wenn sie allein in seinem Interesse stattfand. Hatte aber auch der Lenker selbst Interesse an der konkreten Fahrt, so wäre die Wegbenutzung allein ihm - und nicht auch dem Beklagten - zuzurechnen.
5. Das bisherige Verfahrensergebnis reicht zur Beurteilung des Unterlassungsanspruchs nicht aus, sodass sich eine Verfahrensergänzung in erster Instanz als erforderlich erweist. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren festzustellen haben:
- als wessen Beifahrer der Beklagte fallweise die Grundstücke des Klägers im Verlauf der Forststraße befuhr,
- ob der jeweilige Lenker des Fahrzeugs über eine entsprechende Fahrgenehmigung (der Bringungsgenossenschaft und des Klägers) verfügte und in diesem Kontext
- zu welchen Zwecken und in wessen Interesse die Fahrten jeweils unternommen wurden.
6. Die durch das Berufungsgericht - mit sogleich zu erörternder aktenwidriger Begründung - verneinte (Erst-)Begehungsgefahr als Grundlage einer vorbeugenden Unterlassungsklage stellt sich erst dann, wenn der Beklagte ein Befahren des Wegs nicht zu verantworten hat. Bei der Beurteilung wird aber zu berücksichtigen sein, dass der Beklagte - entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts - ein von seinen „Verpächtern" abgeleitetes Fahrrecht im Verfahren mehrmals behauptet hat. Ob schon dieses Vorbringen bei Berücksichtigung der noch zu erhebenden Umstände ausreicht, um eine Erstbegehungsgefahr im Sinn einer unmittelbar drohenden Verletzung der Eigentumsrechte des Klägers zu begründen, kann erst nach dem Ergebnis der aufgetragenen Verfahrensergänzung beurteilt werden.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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