Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.959,48 EUR (darin 326,58 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist der für Buch- und Medienwirtschaft zuständige Bundesfachverband der Wirtschaftskammer Österreich. Zu seinen Aufgaben zählen die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder sowie die Aufrechterhaltung eines fairen Wettbewerbs in der Branche.
Die Beklagte ist eines der führenden inländischen Unternehmen im Bereich Büroartikel-, Papier- und Buchhandel sowie Handel mit Bild- und Tonträgern sowie Unterhaltungselektronik. Ihr über Filialen vertriebenes Warensortiment ist sehr umfangreich; der Verkauf von Büchern beträgt insgesamt nur etwa 15 % ihres Gesamtumsatzes. Sie hat in österreichweit an Haushalte abgegebenen und in den Filialen aufliegenden Werbeprospekten sowie auf ihrer Website ihren „L*****-Club" beworben und dabei insbesondere Folgendes angekündigt:
„Bis zu 5 % Jahresrückvergütung auf Ihre Einkäufe. Genießen Sie die Vorteile der L***** Club Karte, indem Sie sie bei jedem Einkauf an der Kassa vorweisen! Denn je nach Höhe ihrer Jahreseinkaufssumme erhalten Sie mit der L***** Club Karte rückwirkend bis zu 5 % Rabatt. Gilt für Ihre Einkäufe in den L*****-Filialen". Die Beklagte hat in ihrer Werbung für den „L*****-Club" weiters angekündigt, dass die beworbene Jahresrückvergütung wie folgt gestaffelt ist: Bei einer Einkaufssumme von 250 EUR bis 499 EUR 2 %, von 500 EUR bis 2.499 EUR 3 % und ab 2.500 EUR 5 % Rabatt. Die Beklagte hat ihre Ankündigung nach Abmahnung durch den Kläger zwar geändert, sich aber geweigert, eine vom Kläger geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Der Kläger beantragte, zur Sicherung seines Anspruchs auf Unterlassung von Ankündigungen wider § 5 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern (BGBl I 45/2000 - in der Folge nur: BPrBG) der Beklagten aufzutragen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Letztverbrauchern mit der Ankündigung von Rabatten für preisgebundene Bücher gemäß dem BPrBG eine Unterschreitung des Letztverkaufspreises im Sinne des § 3 Abs 1 BPrBG anzukündigen, insbesondere in Zusammenhang mit der Bewerbung des „L*****-Club" mit „Bis zu 5 % Jahresvergütung auf Ihre Einkäufe!" und/oder „Genießen Sie die Vorteile der L***** Club Karte, indem Sie sie bei jedem Einkauf an der Kassa vorweisen! Denn je nach Höhe Ihrer Jahreseinkaufssumme erhalten Sie mit der L***** Club Karte rückwirkend bis zu 5 % Rabatt. Gilt für Ihre Einkäufe in den L*****-Filialen", wenn dabei gleichzeitig nicht ausgeschlossen wird, dass sich diese Ankündigung auch auf preisgebundene deutschsprachige Bücher bezieht, die zum gesetzlichen Mindestpreis verkauft werden. Die Rabattwerbung der Beklagten im Zusammenhang mit dem L*****-Club beziehe sich unter anderem auch auf preisgebundene Bücher, die zu dem in Österreich festgesetzten Mindestpreis angeboten würden. Gemäß § 5 Abs 2 BPrBG dürfe eine zulässige Unterschreitung des Mindestpreises nicht angekündigt werden. In der Werbung der Beklagten für den L*****-Club seien die preisgebundenen Bücher nicht ausgenommen, somit werde verbotenerweise auch ein Rabatt für preisgebundene Bücher angekündigt. Dieser Rechtsbruch verschaffe der Beklagten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern. Die Beklagte wendete ein, ihre Werbeaktivitäten beträfen immer ihr gesamtes Sortiment, nicht allein preisgebundene Bücher. Weniger als 2 % der Club-Mitglieder hätten seit Juli 2007 ausschließlich preisgebundene Bücher gekauft. Das Ankündigen des Rabatts verstieße nur dann gegen § 5 Abs 2 BPrBG, wenn der Kunde ausschließlich preisgebundene Bücher um mehr als 250 EUR kaufe, was jedoch nach dem langjährigen Kundenverhalten praktisch nie der Fall sei. Die beanstandete Werbung verschaffe der Beklagten im Zusammenhang mit preisgebundenen Büchern keinen Wettbewerbsvorsprung. Die Buchpreisbindung sei gemeinschaftsrechtswidrig.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Die Werbung der Beklagten, die sich auf ihr gesamtes Sortiment bezogen habe, habe gegen § 5 Abs 2 BPrBG verstoßen. Dieser Verstoß gelte gemäß § 7 BPrBG als sittenwidrige Handlung im Sinne des § 1 UWG. Die Werbung der Beklagten sei geeignet, zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu führen. Das BPrBG verstoße weder gegen Gemeinschaftsrecht, noch sei es verfassungswidrig.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es den Sicherungsantrag abwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Auslegung des § 5 Abs 2 BPrBG zulässig sei. Die genannte Bestimmung gelte gegenüber allen Letztverkäufern und sei daher nicht gleichheitswidrig. Wenn es dem Gesetzgeber - wie der Kläger meine - auch darum gehe, den „kleinen Buchhändler" vor einer Verdrängung durch „große" Konkurrenten zu bewahren, so sei die Bestimmung nicht unsachlich, weil es großen Buchhändlern viel leichter falle als kleinen Mitbewerbern, das Gewähren zulässiger Preisnachlässe werbewirksam so anzukündigen, dass möglichst viele Interessenten erreicht würden. Auch beim Verkauf von Büchern in Einkaufsmärkten könne der Unternehmer einzelnen Kunden - etwa an der Kasse - einen zulässigen Preisnachlass gewähren. Bei Auslegung des § 5 Abs 2 BPrBG sei auch § 9a UWG zu beachten, wonach es zwar unzulässig sei, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unter anderem in öffentlichen Bekanntmachungen anzukündigen, dass Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben gewährt werden, doch bestehe eine Ausnahme für den Fall, dass die Zugabe in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag bestehe, der der Ware nicht beigefügt sei (§ 9a Abs 2 Z 5 UWG). Einem Unternehmer sei es daher gestattet, einen Geldrabatt anzukündigen und zu gewähren. § 5 Abs 2 BPrBG untersage dagegen das Ankündigen eines Unterschreitens des festgesetzten Letztverkaufspreises, also das Ankündigen eines (bis zu 5 % zulässigen) Rabatts. Eine Auslegung des § 5 Abs 2 BPrBG wie durch den Kläger würde bedeuten, dass Unternehmer, die neben zahlreichen anderen Waren auch - wenngleich in ganz geringem Umfang - preisgebundene Bücher vertrieben, bei an sich zulässigen Werbemaßnahmen unbillig eingeschränkt wären, weil sie bei der Ankündigung eines Rabatts von 5 % preisgebundene Bücher ausdrücklich davon ausnehmen müssten, obwohl sie ihren Kunden einen Rabatt in dieser Höhe auch für solche Waren gewähren wollten und dürften. § 5 Abs 2 BPrBG sei daher unter Berücksichtigung des § 9a UWG einschränkend auszulegen: Ein Ankündigen des Unterschreitens des Letztverkaufspreises im Sinne dieser Bestimmung liege daher nur dann vor, wenn sich die Ankündigung entweder ausdrücklich auf preisgebundene Bücher beziehe oder wenn sie „in sehr maßgeblichem Umfang" preisgebundene Bücher betreffe; Letzteres sei etwa dann der Fall, wenn ein allgemeiner Rabatt angekündigt werde und der Ankündigende „hauptsächlich" preisgebundene Bücher verkaufe. Hier habe die Beklagte in ihren Werbeaussendungen auf die von ihr - im geringen Umfang von 15 % ihres Gesamtumsatzes - auch verkauften preisgebundenen Bücher überhaupt nicht Bezug genommen. Demnach habe sie mit der von ihr angekündigten Rabattgewährung nicht gegen § 5 Abs 2 BPrBG verstoßen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Der Kläger hat die Rechtsrüge durch Aufwerfen der vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch angeführten Rechtsfrage gesetzmäßig ausgeführt. Damit hat der Oberste Gerichtshof - nach einem allgemeinen Grundsatz des Rechtsmittelverfahrens - die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ohne Beschränkung auf die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen allseitig und umfassend, also nach allen Richtungen hin, zu überprüfen (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 189 mN aus Lehre und Rsp; RIS-Justiz RS0043352).
2. Grundlage jeder einstweiligen Verfügung zur Sicherung eines nicht in Geld bestehenden Anspruchs ist die Behauptung und Bescheinigung eines bereits erfolgten oder unmittelbar drohenden Verstoßes des Gegners der gefährdeten Partei gegen eine ihn treffende Unterlassungspflicht (vgl E. Kodek in Angst, EO § 381 Rz 21). Der konkrete gegen einen bestimmten Gegner gerichtete Unterlassungsanspruch entsteht erst durch die Rechtsverletzung (die Störung, den Eingriff), weil erst dadurch das gesetzliche oder vertragliche Handlungsverbot bzw Unterlassungsgebot aktualisiert wird (Duursma-Kepplinger in Gumpoldsberger/Baumann, UWG § 14 Rz 32 mwN). Ein im Sicherungsverfahren begehrtes Unterlassungsgebot findet daher seine Rechtfertigung allein in einem Verhalten des Antragsgegners, das zutreffend als Rechtsverletzung geltend gemacht wird.
3.1. Nach diesen Grundsätzen ist das vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsgebot schon deshalb nicht berechtigt, weil ihm nach dem bescheinigten Sachverhalt keine Verletzungshandlung der Beklagten zu Grunde liegt, die durch den angestrebten Ausspruch abgestellt werden könnte.
3.2. Der Kläger stützt sein Unterlassungsbegehren auf einen Verstoß der Beklagten gegen das Ankündigungsverbot des § 5 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern. Der Beklagten soll im Kern aufgetragen werden, es zu unterlassen, gegenüber Letztverbrauchern mit der Ankündigung von Rabatten für preisgebundene Bücher eine Unterschreitung des gesetzlichen Letztverkaufspreises anzukündigen, „wenn dabei gleichzeitig nicht ausgeschlossen wird, dass sich diese Ankündigung auch auf preisgebundene deutschsprachige Bücher bezieht, die zum gesetzlichen Mindestpreis verkauft werden".
3.3. Nach dem bescheinigten Sachverhalt ist das Warensortiment der Beklagten sehr umfangreich; der Verkauf von Büchern beträgt insgesamt nur etwa 15 % ihres Gesamtumsatzes. Die beanstandete Ankündigung der Beklagten bewirbt eine Jahresrückvergütung bis zu 5 % auf sämtliche bei ihr unter Vorlage einer Kundenkarte getätigten Einkäufe, ohne nach bestimmten Artikelgruppen zu differenzieren.
Unter diesen Umständen verlangte die vom Kläger im zu sichernden Unterlassungsbegehren geforderte Einschränkung der beanstandeten Rabatt-Ankündigung („wenn dabei gleichzeitig nicht ausgeschlossen wird, dass sich diese Ankündigung auch auf preisgebundene deutschsprachige Bücher bezieht, die zum gesetzlichen Mindestpreis verkauft werden") von der Beklagten ein wahrheitswidriges und damit kundentäuschendes Verhalten, müsste sie doch diesfalls tatsachenwidrig behaupten, die genannten Artikel nicht unter dem Mindestpreis zu verkaufen, obwohl sie ihren Kunden den beworbenen Rabatt für sämtliche Artikel ihres Sortiments tatsächlich gewährt und nach dem Gesetz auch gewähren darf (vgl § 9a Abs 2 Z 5 UWG; für preisgebundene deutschsprachige Bücher ausdrücklich § 5 Abs 1 BPrBG). Im Unterlassen tatsachenwidriger Behauptungen kann aber keine durch Unterlassungsgebot abzustellende Rechtsverletzung liegen.
4. Mangels Bescheinigung eines Verstoßes der Beklagten gegen eine sie treffende Unterlassungspflicht in der vom Kläger beschriebenen Fassung hat das Rekursgericht den unschlüssigen Sicherungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen, setzt doch eine solche Entscheidung eine vorangegangene Erörterung des Begehrens mit dem Sicherungswerber nicht voraus (RIS-Justiz RS0005452 [T7, T9]). Auf die in der Revisionsrekursbeantwortung aufgeworfenen Fragen, ob das BPrBG verfassungswidrig sei oder gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, kommt es damit nicht weiter an.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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