OGH 1Ob241/07h

OGH1Ob241/07h6.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4., Prinz-Eugen-Straße 20-22, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei ***** P***** registrierte Genossenschaft mbH, P*****, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in Gloggnitz, wegen 3.693,22 EUR sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 29. Juni 2007, GZ 17 R 11/07z-37, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 19. Oktober 2006, GZ 3 C 1190/05s-32, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.566,70 EUR (darin 163,78 EUR USt und 584 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist ein in § 29 KSchG genannter Verband, dem Kreditnehmer der Beklagten, - allesamt „Verbraucher" - Ansprüche im Zusammenhang mit der Kreditabwicklung zur klageweisen Geltendmachung abgetreten haben. In sämtlichen Kreditverträgen behielt sich die beklagte Bank vor, den Zinssatz anzupassen. Die Zinsanpassungsklausel lautete in allen Kreditverträgen wie folgt:

„Der Kreditgeber ist berechtigt, die vereinbarten Konditionen entsprechend den jeweiligen Geld-, Kredit- oder Kapitalmarktverhältnissen zu ändern. Eine solche Änderung kann eintreten zum Beispiel durch Erhöhung der Einlagenzinssätze oder der Bankrate oder der Kapitalmarktrendite oder durch kredit- oder währungspolitische Maßnahmen hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft, des Kreditvolumens oder der Mindestreserven oder durch Änderung der Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten."

Sämtliche Kredite wurden von den Kreditnehmern - in monatlichen Pauschalraten - spätestens zum 22. 5. 1997 zur Gänze zurückbezahlt.

Mit ihrer am 10. 5. 2005 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin - gestützt auf Schadenersatz, Bereicherung „und jeden sonst in Betracht kommenden Rechtsgrund" - die Rückzahlung von überhöht geleisteten Kreditzinsen im Gesamtbetrag von 3.693,22 EUR. Sie brachte vor, die von der Beklagten verwendete Klausel sei unwirksam, weil sie § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (aF) bzw § 879 ABGB widerspreche. Die Beklagte habe Erhöhungen der maßgeblichen Parameter rasch und in vollem Umfang - zum Teil auch in höherem Umfang als zulässig - in Form von Anhebungen des verrechneten Kreditzinssatzes an die Kreditnehmer weitergegeben, während sie bei Senkungen der maßgeblichen Parameter entweder gar keine Senkung des Kreditzinssatzes vorgenommen habe, oder zu spät oder in zu geringem Ausmaß. Anstelle der unwirksamen Klausel bzw anstelle der durch die Beklagte unter Ausnützung dieser Klausel konkret vorgenommenen Zinsanpassungen hätten Zinsanpassungen nach objektiven und nachvollziehbaren Parametern zu treten, durch die insbesondere die beim Vertragsabschluss vereinbarte subjektive Äquivalenz gewahrt bleiben müsse. Die Beklagte habe somit vertragswidrig gehandelt, weshalb ihr gemäß § 1298 ABGB der Beweis obliege, dass sie kein Verschulden treffe. Im Übrigen habe die Beklagte gegen österreichisches und europäisches Kartellrecht verstoßen.

Die Beklagte wendete unter anderem Verjährung ein. Die Kredite seien im Jahr 1997 „glattgestellt" worden, sohin mehr als sieben Jahre vor Klagseinbringung, sodass bereicherungsrechtlich Verjährung eingetreten sei. Auch die Schadenersatzforderung sei verjährt, weil die Kreditnehmer bzw die Klägerin in der Lage gewesen wären, spätestens Ende März 2002 „nach Grund und Höhe" jenen Sachverhalt festzustellen, auf den sie die Schadenersatzpflicht der Beklagten stützen. Aufgrund der bereits Ende März 2002 vorliegenden Abrechnungsergebnisse hätte die Klagsführung schon vor dem 10. 5. 2005 erfolgen müssen, zumal die NÖ Arbeiterkammer (AKNÖ) auch mit der Geltendmachung von Ansprüchen „auf Erstattung von Überzahlungen" betraut worden sei. Im Übrigen liege keine Überzahlung vor und fehle es an einem Verschulden der Beklagten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bereicherungsansprüche unterlägen zwar der 30-jährigen Verjährungsfrist doch sei ein Bereicherungsanspruch unzulässig, wenn versucht werde, Verträge mit Hilfe des Bereicherungsrechts zu korrigieren. Wer ein ungünstiges Geschäft abgeschlossen habe, könne seinen Nachteil nicht durch das Bereicherungsrecht ausgleichen. Damit scheide die Rückforderung überhöhter Zinsen auf bereicherungsrechtlicher Basis aus. Schadenersatzrechtliche Ansprüche seien verjährt, weil die dreijährige Verjährungsfrist spätestens „zum Zeitpunkt des Nachrechnungsergebnisses" zu laufen begonnen habe. Ansonsten hätte es nämlich die Klägerin in der Hand gehabt, die Verjährung durch verspätetes Inkenntnissetzen der Kreditnehmer von Überzahlungen weiter hinauszuschieben. Das Nachrechnungsergebnis sei für alle fünf Kredite zwei bis drei Tage vor dem 10. 5. 2002 vorgelegen, sodass die erst am 10. 5. 2005 eingelangte Klage verfristet sei. Bereits zu Beginn des Kontakts zwischen den Kreditnehmern und der AKNÖ sei vereinbart worden, dass Letztere nicht nur die Kredite zu überprüfen habe, sondern auch allfällige Entschädigungszahlungen „betreiben" sollte. Somit sei klargestellt, dass die Kenntnis eines allfälligen Schadens auf Seiten der AKNÖ bzw der Klägerin für den Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist maßgeblich sei.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung auf. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Es könne die Auffassung des Erstgerichts nicht geteilt werden, dass die Kenntnis der AKNÖ über die vorliegenden Nachrechnungsergebnisse den Kreditnehmern jedenfalls zurechenbar wäre. „Wissensvertreter" sei nämlich nur derjenige, der vom Geschäftsherrn damit betraut worden sei, Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit sei, entgegenzunehmen oder anzuzeigen. Als solcher sei etwa der Hausverwalter, der insofern nicht Dritter im Sinne des § 875 ABGB sei, in Ansehung von Bauschäden angesehen worden; ebenso der Architekt, dessen Wissen um die Erfolglosigkeit von Sanierungsmaßnahmen den Beginn der Verjährungsfrist für Ansprüche des Bauherrn in Gang setze. In Ansehung des Prozessbevollmächtigten werde judiziert, dass für den Beginn der Verjährungsfrist nicht dessen im Prozess erworbenes Wissen schlechthin dem Berechtigten zuzurechnen sei, wohl aber das im aufgetragenen Wirkungskreis erworbene und dazugehörende Wissen. Im vorliegenden Fall sei lediglich festgestellt worden, dass bereits zu Beginn des Kontakts im Mai 2001 vereinbart gewesen sei, auf Grund der Überprüfungsergebnisse allfällige Differenzen im Wege der außergerichtlichen und auch notfalls gerichtlichen Einforderung geltend zu machen. Dieser Feststellung sei nicht zu entnehmen, dass die AKNÖ in einer Sonderbeziehung zu den Kreditnehmern gestanden wäre, die sie als Wissensvertreter qualifizierte. Sie vermöge auch nicht „die Einschätzung zu tragen", dass allfälliges Wissen der Klägerin den Kreditnehmern zuzurechnen wäre und den Beginn der Verjährung auslöste. Es komme daher nicht darauf an, wann bei der Klägerin bzw der AKNÖ entsprechende „Ergebnislisten" vorgelegen seien, sondern vielmehr darauf, wann die einzelnen Kreditnehmer aufgrund der von ihnen eingeholten Erkundigungen bzw der ihnen von der AKNÖ erteilten Informationen einen Kenntnisstand erhielten, der sie in die Lage versetzt hätte, Klage zu führen - wobei nicht übersehen werden dürfe, dass die Nachrechnung der AKNÖ bzw der Klägerin gerade dazu gedient habe, festzustellen, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Das Erstgericht werde daher ausdrückliche Feststellungen zum Informations- und Kenntnisstand der Kreditnehmer und deren „ersten Verdacht" zu treffen haben, wobei auch zu erörtern und festzustellen sein werde, wann und unter welchen Umständen und Bedingungen die Abtretung von den Kreditnehmern erklärt wurde, da es auf den Zeitpunkt der Annahme durch die Klägerin, die damit den Zeitpunkt des sie betreffenden Beginns der Verjährungsfrist beliebig hinauszögern könnte, nicht ankommen werde. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Voraussetzungen für die Zurechnung des Kenntnisstands einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zur Vertretung von Arbeitnehmerinteressen zu den Vertretenen im hier vorliegenden Zusammenhang fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

1. Der Anspruch des Kreditschuldners auf Rückzahlung überhöht geleisteter Zinsen verjährt nach drei Jahren (RIS-Justiz RS0117773). Dies gilt nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung auch für die bereicherungsrechtliche Rückforderung überhöhter Kreditzinsen (Dehn in KBB § 1480 Rz 3 mwN). Die Bereicherung des Darlehensgebers wegen vom Darlehensnehmer diesem überhöht verrechneter und von diesem geleisteter Darlehenszinsen tritt bei Pauschalraten (Zinsen und Kapital) erst mit der Tilgung aller Rückzahlungsansprüche des Darlehensgebers ein, weshalb die Verjährung von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen des Darlehensnehmers nicht vor der Tilgung der Raten beginnt (RIS-Justiz RS0119813). Im vorliegenden Fall wurden sämtliche Kredite spätestens im Jahr 1997 zur Gänze rückgeführt, sodass die dreijährige Verjährungsfrist für eine bereicherungsrechtliche Rückforderung bei Klagseinbringung am 10. 5. 2005 längst abgelaufen war.

2. Die (dreijährige) Verjährungsfrist des § 1489 ABGB für Schadenersatzansprüche beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden als auch die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Nach ständiger Rechtsprechung müssen dem Ersatzberechtigten Schaden und Schädiger soweit bekannt sein, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann, wobei aber die Erkundigungspflicht des Geschädigten nicht überspannt werden darf (1 Ob 68/05i mwN). Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen bzw vom Schaden eines Tages zufällig Kenntnis erhält. Dabei hat auch eine Wissenszurechnung allfälliger „Wissensvertreter" zu erfolgen (RIS-Justiz RS0065360).

Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob das Wissen der Klägerin bzw der AKNÖ über Umstände, die für den Beginn der Verjährungsfrist relevant sind, den einzelnen Kreditnehmern zurechenbar ist.

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Rechtsprechung - samt Judikaturbeispielen - wiedergegeben, wonach als Wissensvertreter jene Person zu qualifizieren ist, die vom Geschäftsherrn damit betraut wurde, Tatsachen, deren Kenntnis von Rechtserheblichkeit ist, entgegenzunehmen oder anzuzeigen. Nach den erstrichterlichen Feststellungen haben die Kreditnehmer die AKNÖ bereits im Jahr 2001 mit der Überprüfung ihrer bereits abgedeckten Kredite beauftragt, aber auch damit den erlittenen Zinsschaden gegenüber der Beklagten geltend zu machen. In diesem Sinne unterfertigten sie späterhin am 12. 5. 2002 und am 6. 5. 2005 eine Abtretungsvereinbarung zum Inkasso und zur Klagsführung durch die Klägerin. Die AKNÖ war daher bereits 2001 seitens der Kreditnehmer mit der Feststellung des Vorliegens und des Umfangs des Zinsschadens aber auch mit der Veranlassung der Geltendmachung eines solchen beauftragt.

Die Rechtsfigur des Wissensvertreters beruht auf dem Grundgedanken, dass sich - unabhängig von einem Vertretungsverhältnis - derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (vgl dazu Iro in ÖBA 2001, 3 ff [6]). Diese Voraussetzung trifft hier auf die AKNÖ zu, zumal ein Wertungswiderspruch darin läge, Personen, die vom Geschäftsherrn damit betraut wurden, rechtserhebliche Tatsachen entgegenzunehmen oder anzuzeigen (z.B. Hausverwalter oder Architekten), als Wissensvermittler des Geschäftsherrn zu qualifizieren, nicht aber jene, die mit der Ermittlung dieser Tatsachen betraut wurden.

War aber der AKNÖ der Schaden „zwei bis drei Tage vor dem 10. 5. 2002" soweit bekannt, dass mit Aussicht auf Erfolg Klage erhoben werden konnte, und war sie festgestelltermaßen auch mit der Geltendmachung eines allfälligen Schadens betraut, dann ist deren Wissen den Kreditnehmern zuzurechnen. Die Klagsführung hätte sohin noch vor dem 10. 5. 2005 erfolgen müssen. Die am 10. 5. 2005 eingebrachte Klage ist daher auch im Hinblick auf die Schadenersatzforderung verjährt.

Dieses Ergebnis steht - im Gegensatz zur Ansicht der Klägerin - auch im Einklang mit der von ihr zitierten Entscheidung des Handelsgerichts Wien zu Dg 1 R 248/05z (siehe hiezu Klauser/Gaugg in ecolex 2006, 740). Dort war nämlich nur das „Wissen der Verbraucherorganisation", die für den Kreditnehmer den Schaden zu berechnen hatten, maßgeblich, sdass die Verjährungsfrist (erst) mit der Verständigung des Kreditnehmers vom Nachrechnungsergebnis zu laufen begann. Hier aber war die AKNÖ damit beauftragt, den Schaden auch geltend zu machen, sie war also mit der Einbringung betraut, weshalb sich die Kreditnehmer das Wissen der von ihr beauftragten Institution auch zuzurechnen haben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts ist folglich aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.

Für die Berufungsbeantwortung gebührt nur ein geringerer Einheitssatz, weil der Beklagtenvertreter zur Berufungsverhandlung nicht erschienen ist.

Stichworte