OGH 13Os18/08h

OGH13Os18/08h23.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Hans-Jürgen G***** und andere Verurteilte wegen des teils durch sonstigen Beitrag begangenen Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13, 11 dritter Fall FinStrG, AZ 36 Hv 1102/01f des Landesgerichts Salzburg, über den Antrag der Generalprokuratur auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung des davon betroffenen Dr. Friedrich D***** in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Erneuerungsantrag wird Folge gegeben.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 19. August 2004, AZ 9 Bs 55, 56/04 (ON 314), das im Übrigen unberührt bleibt, wird insoweit, als der Berufung des Dr. Friedrich D***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. Februar 2002, GZ 36 Hv 1102/01f-297, nicht Folge gegeben wurde, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung im Umfang der Erneuerung an das Oberlandesgericht Linz verwiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. Februar 2002, GZ 36 Hv 1102/01f-297, wurde ua Dr. Friedrich D***** „des Finanzvergehens" der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 13 FinStrG, teilweise als Beitragstäter nach § 11 dritter Fall FinStrG, schuldig erkannt und über ihn, ausgehend von einem strafbestimmenden Wertbetrag von 1,076.864,67 Euro, eine Geldstrafe von 300.000 Euro verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde gemäß § 20 Abs 2 FinStrG mit vier Monaten festgesetzt. Gemäß § 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43a Abs 1 StGB wurde ein Teil der Geldstrafe von 200.000 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Bei der Strafbemessung wurden als mildernd der bis dahin ordentliche Lebenswandel, die Schadensgutmachung, das lange Wohlverhalten seit den Taten, der Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind, und die unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens gewertet, als erschwerend wurden wiederholte Beitragshandlungen innerhalb eines langen Deliktszeitraums veranschlagt (US 101 f). Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 12. Februar 2004, GZ 12 Os 95, 98/02, 106/03-22 (ON 305), wurde ua die von Dr. Friedrich D***** gegen das bezeichnete Urteil des Landesgerichts Salzburg erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 19. August 2004, AZ 9 Bs 55, 56/04 (ON 314), wurde ua der vom Genannten gegen den Strafausspruch ergriffenen Berufung nicht Folge gegeben. In der Begründung wurde - soweit hier wesentlich - ausgeführt, dass die nicht von Dr. Friedrich D***** zu vertretende überlange Verfahrensdauer vom Erstgericht in ausreichendem Maß gewichtet worden sei (§ 34 Abs 2 StGB; US 11). Im Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 22. Februar 2007 (D***** gegen Österreich, Application no. 32407/04) wurde in Betreff der langen Verfahrensdauer eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK festgestellt.

Zwar sei die Dauer des Verfahrens bei der Bemessung der Strafe berücksichtigt worden und liege diese „am unteren Ende des von der anzuwendenden Strafbestimmung vorgesehenen Strafrahmens". Aus der Begründung gehe jedoch „nicht klar hervor, dass das Zeit/Verzögerungselement als hauptsächlicher Milderungsfaktor hervortrat". Der Gerichtshof zog den Schluss, „dass die Verringerung der Strafe aufgrund der langen Verfahrensdauer im vorliegenden Fall nicht messbar ist und keinen entscheidenden Einfluss auf die Strafe des Beschwerdeführers hatte". Es sei „somit keine rasche und messbare Abhilfe für die Verletzung des Erfordernisses der angemessenen Verfahrensdauer" geboten worden, weshalb der Beschwerdeführer noch vorbringen kann, „ein Opfer im Sinne des Artikels 34 der Konvention zu sein" (vgl Rz 27).

Weiters wurde festgestellt, dass gegen maßgebliche Verfahrensverzögerungen während der Bearbeitung der Strafsache durch das Finanzamt und die Staatsanwaltschaft kein dem § 91 GOG vergleichbarer Rechtsbehelf zur Verfügung stand, wodurch das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art 13 MRK und eine angemessene Verfahrensdauer verletzt sei (Rz 46).

Unter Bezugnahme auf dieses Erkenntnis beantragt die Generalprokuratur die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO in Ansehung des Dr. Friedrich D***** betreffenden Strafausspruchs.

Da nicht im Sinne des § 363a Abs 1 StPO auszuschließen ist, dass die im Erkenntnis des EGMR festgestellte Grundrechtsverletzung einen nachteiligen Einfluss auf den Strafausspruch des hievon betroffenen Dr. Friedrich D***** ausüben konnte, war dem Erneuerungsantrag der Generalprokuratur, dem der Genannte in seiner Äußerung (§ 363 Abs 2 StPO) beigetreten ist, in nichtöffentlicher Beratung stattzugeben (§ 363b Abs 3 StPO).

Bei der Strafbemessung wird im Hinblick auf den unberührten Schuldspruch das Verschlechterungsverbot zu beachten sein (§ 363b Abs 3 letzter Satz StPO).

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