OGH 14Os41/08y

OGH14Os41/08y15.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich U***** wegen der Verbrechen der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Oktober 2007, GZ 20 Hv 88/07d-71, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friedrich U***** der Verbrechen der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB (I. 1 und 2), der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz (Abs 4 Z 1) StGB (II. 1) und nach § 207a Abs 3 erster Satz (Abs 4 Z 3 lit b) StGB (II. 2), des Vergehens des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) verbliebenen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB (III.) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (IV.) schuldig erkannt.

Demnach hat er in Graz

I. zu nachangeführten Zeitpunkten nachgenannte Personen gewerbsmäßig durch gefährliche Drohungen zu Handlungen, die die Genannten am Vermögen schädigen sollten, nämlich zur Übergabe von Bargeldbeträgen, zu nötigen versucht, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. den Musa A***** mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, indem er nachgenannte Äußerungen auf der Sprachbox des Mobiltelefons des Musa A***** hinterließ, zur Übergabe eines Bargeldbetrags von 15.000 EUR, und zwar

a) am 3. April 2007: „Herr A***** Musa, ich habe Sie schon einmal verständigt. Ich teile ihnen mit, bis morgen Vormittag 15.000 EUR unbedingt in die L*****gasse ***** bei Dieter I***** zu deponieren, wenn sie noch in Österreich bleiben wollen. Ich habe die Hebel an der Macht und kann sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden abschieben. Sie sind ein ganz Böser und ich habe alle Akte bei mir.",

b) am 11. April 2007: „Herr A*****, Sie bringen heute das Geld her, sonst sind sie am Nachmittag eingesperrt", und

c) am 11. April 2007: „Ich kenne von Ihnen alle Daten: A***** Musa, 05. 05.1962, *****, ich kenne ihre Führerscheinnummer, alles. Wenn Sie heute bis 13.00 Uhr nicht wie damals vereinbart in die L*****gasse ***** kommen, zur Einfahrt beim Gittertor und das Geld hinterlegen, wird ihr Asylantrag absolut nicht genehmigt. Sie haben die Wahl. Ich habe die Hebel in der Hand.";

2. den Landtagsabgeordneten Günther P***** am 26. Jänner 2007 mit der Vernichtung seiner gesellschaftlichen Stellung zur Übergabe eines Bargeldbetrags in Höhe von 38.000 EUR, indem er ihm einen Brief sandte, in welchem er behauptete, im Besitz eines Erhebungsberichts zu sein, wonach der Genannte als AMS-Leiter in Mureck mehreren Bürgern auf ganz bösartige Weise AMS-Gelder verweigert oder sogar Einfluss auf deren Arbeitgeber ausgeübt hätte, sodass diese im wesentlichen Nachteil waren und ihre Familien in Not gerieten, wobei Günther P***** dem Alkohol nicht abgeneigt wäre und etliche Exzesse geliefert hätte, wobei er den Genannten aufforderte, den angeführten Geldbetrag an einer bestimmten Stelle (L*****gasse *****, Tordurchfahrt) zu deponieren, widrigenfalls er den angeblichen Erhebungsbericht der Staatsanwaltschaft übermitteln und den Parteiausschluss des Genannten in die Wege leiten würde;

II. im Zeitraum Mitte Juli 2006 bis 13. April 2007 sich durch Beziehen über das Internet verschafft und durch Speicherung auf seinem Personalcomputer bis zu deren Sicherstellung besessen, und zwar

1. pornographische Darstellungen unmündiger Personen, nämlich wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen teils an unmündigen Personen, teils unmündiger Personen an anderen Personen, nämlich zahlreiche Bilddateien mit Darstellungen unmündiger Mädchen und Knaben beim Vaginal-, Oral- und Handverkehr, teils mit Unmündigen, teils mit mündigen Minderjährigen, teils mit Erwachsenen und

2. pornographische Darstellungen minderjähriger Personen, nämlich wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien und der Schamgegend Minderjähriger, nämlich zahlreiche Bilddateien mit Darstellungen minderjähriger Mädchen und Knaben, die mit gespreizten Beinen ihre Vagina bzw ihren Penis präsentierten, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten;

III. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen zu nachangeführten Handlungen teils verleitet, teils zu verleiten versucht, die die Geschädigten in einem insgesamt 3.000 EUR nicht übersteigenden Gesamtbetrag an ihrem Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, und zwar

1. am 15. November 2006 und 16. Jänner 2007 den Josef W***** als Geschäftsführer der Firma W***** durch die listige Vorgabe, er sei zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde, zur Ausfolgung von Brillengläsern und zwei Stück Brillen im Gesamtwert von 1.032 EUR;

2. am 21. November 2006 in Graz Verantwortliche des Magistrats Graz, Sozialamt, durch die listige Vorgabe, die Mietzahlungen für Oktober und November 2006 geleistet zu haben, wobei er eine von ihm selbst hergestellte und mit der Unterschrift „Angela K*****" unterfertigte Zahlungsbestätigung vorlegte, mithin unter Benützung einer falschen Urkunde, zur Zahlung eines Mietenzuschusses in unbekannter, 3.000 EUR nicht übersteigender Höhe, wobei es diesbezüglich beim Versuch blieb;

IV. am 15. August 2007 Alojz T***** und Peter B***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er in einem Brief an den Landtagsabgeordneten Günther P***** behauptete, die Genannten hätten den unter I. 2. beschriebenen Erpresserbrief verfasst und er möge gegen sie aus diesem Grunde Strafanzeige erstatten, sie mithin einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144, 145 Abs 1 Z 1 StGB, falsch verdächtigt, wobei er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch ist.

Die vom Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen Josef W***** „zum Beweis dafür, dass eine Vereinbarung dahingehend getroffen wurde, dass der Angeklagte den Kaufpreis zu einem späteren Zeitpunkt bezahlen könne und er auf seine zum Zeitpunkt der Bestellung mangelnde Zahlungsunfähigkeit hingewiesen habe" (S 427 f/II) Verteidigungsrechte schon deshalb nicht verletzt, weil das Schöffengericht von der zu erweisenden Tatsache des Aushandelns einer Zahlungsfrist bei zu diesem Zeitpunkt bestehender Zahlungsunfähigkeit ohnehin ausgegangen ist (US 13; S 431/II; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342). Das Rechtsmittelvorbringen, im Falle des Vorliegens einer solchen Vereinbarung, „wäre eine Täuschungshandlung entfallen", übersieht, dass dem Angeklagten auch mangelnde Zahlungswilligkeit angelastet wird (US 5, 13). Der Antrag auf „Erstellung eines graphologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Unterschrift auf dem Schreiben S 101 (Band II) Angelika K***** nicht vom Angeklagten stammt" (S 81 f/III), trägt zur Frage des hier allein entscheidenden Umstands des - schon aus der Verwendung eines falschen Vornamens [Angelika statt Angela] erhellenden - Gebrauchs einer falschen Urkunde und damit zur Lösung der Schuldfrage nichts aus.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) haben die Tatrichter ihre Konstatierungen zur sehr angespannten finanziellen Situation des Angeklagten (Bezug eines Pensionsvorschusses von 477 EUR 14 x jährlich, vollkommen vermögenslos; US 7) logisch und empirisch einwandfrei auf den vom Beschwerdeführer gewonnenen persönlichen Eindruck und dessen Vorleben gegründet (US 16 f). Weitere erörterungsbedürftige Umstände legt die Beschwerde nicht dar. Ihr Schluss, bei Wegfall des Bereicherungsvorsatzes des Angeklagten in Bezug auf die Vermögensdelikte entfalle auch die innere Tatseite der Verleumdung anderer Personen ist schon logisch nicht nachvollziehbar. Ein Begründungsmangel zu IV. des Schuldspruchs wird damit nicht behauptet.

Letztlich versagt der Vorwurf der Aktenwidrigkeit, der - wie die Beschwerde richtig darstellt - nur zum Tragen kommt, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Der Hinweis auf Passagen in den Aussagen der Polizeibeamten G*****, E***** und R*****, denen zufolge der Angeklagte nach der Adresse der Meldestelle für Kinderpornos gefragt und versichert habe, falls er zufällig auf solche stoße, werde er dies jener brav melden, steht den erstgerichtlichen Erwägungen zur Verwerfung seiner Verantwortung, er habe „im polizeilichen Auftrag im Internet nach Kinderpornographie zu suchen" gehandelt (vgl US 12 f), nicht entgegen. Der Beschwerdeführer bekämpft hier vielmehr in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung, er habe „in weiser Voraussicht" Kontakte zur Polizei hergestellt, um für einen Fall des Auffindens des kinderpornographischen Materials eine entlastende Verantwortung wählen zu können (US 19).

Nach Prüfung des weiteren, teils die Argumentation der Mängelrüge wiederholenden Beschwerdevorbringens anhand der Akten ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen (Z 5a).

Abgesehen davon, dass Erpressungs- und Betrugshandlungen keineswegs eine „praktische Vermögenslosigkeit" des Täters zur Voraussetzung haben und jenem hier - wie oben beschrieben - zudem auch mangelnde Zahlungswilligkeit zur Last liegt, legt die Mängel der Sachverhaltsermittlung zufolge unterbliebener amtswegiger Überprüfung der Behauptung des Angeklagten, wonach er über eine Eigentumswohnung im Ausmaß von 80 m2 und ein Barvermögen von 90.000 EUR auf einem Schweizer Konto verfüge, behauptende Rüge nicht dar, warum der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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