OGH 14Os24/08y

OGH14Os24/08y15.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Murat D***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 19. Dezember 2007, GZ 415 Hv 2/07y-42, sowie über die Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss (§ 494a StPO) nach Anhörung der Generalprokurator in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben. Der Wahrspruch der Geschworenen, der im Übrigen unberührt bleibt, zur Hauptfrage A und das auf diesen Wahrspruch gegründete - im Übrigen unberührt bleibende - Urteil im Schuldspruch I./ wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, demzufolge auch der Strafausspruch sowie der Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit werden aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht des Landesgerichts für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen und Beschwerden werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Murat D***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I.) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz - (zu I.) am 13. August 2007 in Wien, dadurch dass er eine Schreckschusspistole gegen den Angestellten Peter K***** richtete und äußerte: „Schnell, Geld her!", einen Schuss zur Seite abgab und aus der von Peter K***** auf ein Tischchen gelegten Kellnerbrieftasche einen Bargeldbetrag von 14.950 Euro an sich nahm, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), Gewahrsamsträgern der S***** GmbH eine fremde bewegliche Sache mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte. Gegen das Urteil (inhaltlich nur gegen den Schuldspruch I.) richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Sie zeigt zu Recht eine zur Irreführung der Geschworenen geeignete Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zur - auf das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB gerichteten - Hauptfrage A. auf.

§ 142 StGB setzt in subjektiver Hinsicht (zumindest bedingten) Vorsatz auch bezüglich des Einsatzes von Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, sowie des Wegnehmens oder Abnötigens voraus. Hinzu tritt als erweiterter Vorsatz das Erfordernis, „durch deren Zueignung sich oder einen Dritten zu bereichern" (Eder-Rieder in WK² [2006] § 143 Rz 44). Schließlich muss auch die Deliktsqualifikation der Verwendung einer Waffe (§ 143 zweiter Fall StGB) vom Vorsatz mitumfasst sein (Eder-Rieder in WK² [2006] § 143 Rz 2).

Die Rechtsbelehrung führt in ihrem allgemeinen Teil rechtsrichtig aus, dass vorsätzlich handelt, wer einen einem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalt verwirklichen will und definiert sodann die drei Arten des Vorsatzes (S 3 f).

In ihrem besonderen Teil zum Verbrechen des schweren Raubes erschöpfen sich die Erläuterungen zur subjektiven Tatseite in dem ausdrücklichen Hinweis, dass „das Wegnehmen oder Abnötigen mit dem Vorsatz erfolgen muss, dass der Täter sich oder einen Dritten ... durch Zueignung der Sache unrechtmäßig bereichern will", und „dass der Vorsatz auf die unrechtmäßige Bereicherung gerichtet sein muss" (S 12).

Davon ausgehend kritisiert die Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend das Fehlen einer Belehrung der Geschworenen darüber, dass der Vorsatz auch die übrigen (oben angeführten) Sachverhaltselemente einschließlich der deliktsqualifizierenden Merkmale, wie hier die Verwendung der Waffe beim Raub, umfassen muss, unter dem Gesichtspunkt irreführender Unvollständigkeit.

Die bloß auf die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischem Diebstahl bezogene Erwähnung, dass „der Täter beim Verbrechen des Raubes Gewalt und Drohung anwendet, um sich in den Besitz einer fremden Sache zu setzen" oder diese Nötigungsmittel „zur weiteren Durchführung (Fortsetzung der Wegnahmehandlung) bzw zur Vollendung der Wegnahmehandlung einsetzt" (S 12 f), ändert übrigens nichts am Vorliegen des aufgezeigten Instruktionsfehlers.

Weil dessen Einfluss auf die Entscheidung der Geschworenen nicht ausgeschlossen werden kann (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 62; vgl S 103/II), waren der Wahrspruch der Geschworenen (der hinsichtlich der Hauptfrage B. unberührt bleibt), weiters das auf den Wahrspruch gegründete Urteil, das im Schuldspruch II./ wegen des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG unberührt bleibt, im Schuldspruch I. wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches nach § 38 Abs 1 Z 1 StGB) und der Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu verweisen (§§ 285e, 344 StPO).

Mit ihren Berufungen und Beschwerden waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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