Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 8.341,30 EUR (darin 1.390,22 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen, und zwar der Erstkläger 11,58 %, der Zweitkläger 14,9 %, der Drittkläger 3,06 %, der Viertkläger 8,76 %, der Fünftkläger 1,47 %, der Sechstkläger 10,36 %, der Siebentkläger 4,76 %, der Achtkläger 3,29 %, der Neuntkläger 3,74 %, der Zehntkläger 2,38 %, der Elftkläger 3,85 %, der Zwölftkläger 18,7 %, der Dreizehntkläger 6,27 % und der Vierzehntkläger 6,88 % dieser Kosten.
Die klagenden Parteien sind weiters schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.478,06 EUR (darin 413,01 EUR USt) und der drittbeklagten Partei die mit 2.972,42 EUR (darin 495,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen, und zwar der Erstkläger 16,45 %, der Zweitkläger 12,58 %, der Drittkläger 2,56 %, der Viertkläger 7,52 %, der Fünftkläger 1,58 %, der Sechstkläger 8,83 %, der Siebentkläger 3,38 %, der Achtkläger 7,47 %, der Neuntkläger 3,42 %, der Zehntkläger 5,56 %, der Elftkläger 4,48 %, der Zwölftkläger 14,51 %, der Dreizehntkläger 5,96 % und der Vierzehntkläger 5,6 % dieser Kosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Sämtliche Kläger waren Berufsfußballspieler des 1913 gegründeten Vereins „FC *****". Der Verein war bereits mit Ende des zweiten Quartals 2001 erkennbar zahlungsunfähig. Infolge eines Konkursantrags des Erstbeklagten in seiner Funktion als Präsident des Vereins wurde am 25. 6. 2002 über das Vermögen des Vereins das Konkursverfahren eröffnet. Die Beklagten waren Mitglieder des Vorstands des Vereins. Der Zweitbeklagte war bis zu seinem Rücktritt am 14. 10. 2001 Präsident des Vereins, ihm folgte vom 1. 11. 2001 bis zur Konkurseröffnung der Erstbeklagte nach, der bereits seit 1. 10. 1999 die Funktion des Finanzreferenten im Vorstand ausgeübt hatte. Der Drittbeklagte gehörte dem Vereinsvorstand bis zum 29. 3. 2002 an. Die Spielerverträge waren teils vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, teils danach abgeschlossen worden. Mit Ausnahme des Vierzehntklägers, dessen Vertragsverhältnis schon vorher geendet hatte, erklärten die Kläger wegen ungebührlichen Vorenthalts von Entgeltsansprüchen ihren Austritt. Sämtlichen Beklagten hielten die Kläger vor, dass diese als Vereinsorgane die Eröffnung des Konkursverfahrens verschleppt haben und daher den Klägern schadenersatzpflichtig seien. Erst- und Zweitbeklagter haben überdies persönliche Haftungsübernahmeerklärungen gegenüber den Spielern abgegeben.
Dies bestritten die Beklagten.
Das Erstgericht gab den auf Zahlung gerichteten Klagebegehren teilweise, und dies nur gegenüber dem Erstbeklagten, Folge, wobei es als Rechtsgrund nur eine persönliche Zahlungszusage anerkannte. Gegenüber dem Zweit- und Drittbeklagten wies das Erstgericht sämtliche Zahlungsbegehren ab, ebenso die gegen alle drei Beklagten gerichteten Feststellungsbegehren.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisungen und änderte auch den gegenüber dem Erstbeklagten stattgebenden Teil dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es verneinte verbindliche persönliche Haftungserklärungen des Erst- und Zweitbeklagten. Soweit Konkursverschleppung geltend gemacht werde, hätten die Kläger den ihnen entstandenen Vertrauensschaden konkretisieren müssen, dies haben sie aber nicht getan. Vielmehr haben sie darauf bestanden, das Erfüllungsinteresse gegenüber dem Verein auch von den Beklagten zu erhalten, sodass trotz Erörterung durch das Erstgericht die Klagebegehren unschlüssig geblieben seien. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage der Berechnung des Vertrauensschadens im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis und des dazu erforderlichen konkreten Sachvorbringens eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger mit einer Mängel- und Rechtsrüge sowie dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass sämtlichen Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.
Erst- und Zweitbeklagter wendeten die Unzulässigkeit der Revision ein und beantragten hilfsweise, der Revision nicht Folge zu geben; der Drittbeklagte beantragte nur, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Sowohl bei § 159 StGB (iVm § 161 StGB) als auch bei § 69 Abs 2 KO handelt es sich um Gläubigerschutzvorschriften (9 ObA 416/97k uva). Der Schutzzweck besteht vor allem darin, insolvente Gesellschaften aus dem Rechtsverkehr zu ziehen und daher jene zu schützen, die sich sonst mit dieser Gesellschaft nicht einlassen würden (7 Ob 2339/96p = SZ 70/215; 1 Ob 134/07y). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die anhand der Verantwortlichkeit leitender Organe von Kapitalgesellschaften entwickelten Haftungsgrundsätze auf - wenngleich ehrenamtlich tätige - Vorstandsmitglieder jedenfalls solcher Vereine zu übertragen sind, die eine umfangreiche unternehmerische Tätigkeit ausüben (11 Os 52/05i; auch ohne strafgerichtliche Verurteilung: 7 Ob 2339/96p = SZ 70/215).
Bei schuldhafter Konkursverschleppung haftet das Organ einer juristischen Person nach herrschender Lehre und Rechtsprechung dem Altgläubiger für das, was dieser bei rechtzeitiger Liquidation der juristischen Person bekommen hätte, das ist die Differenz dessen, was er bei rechtzeitiger Konkurseröffnung erhalten hätte und was er tatsächlich erhält (Quotenschaden). Neugläubiger, das sind Gläubiger, deren Forderungen erst nach dem Zeitpunkt entstanden sind, ab dem die Antragstellung auf Konkurseröffnung schuldhaft unterlassen wurde, sind bei schuldhafter Konkursverschleppung so zu stellen, als hätten sie mit der Gesellschaft nicht kontrahiert. Ihnen gebührt daher der Ersatz des Vertrauensschadens (stRsp zuletzt etwa 1 Ob 134/07y). Das Eingehen neuer Schulden kann im Tätigen neuer Geschäfte, aber auch in der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern oder in der (weiteren) Inanspruchnahme entgeltlicher Leistungen Dritter bestehen (7 Ob 2339/96p = SZ 70/215; 7 Ob 726/88 mwN; Reich-Rohrwig GmbH-Recht 2/468). Ausgehend von dieser Rechtsprechung haben die Vorinstanzen daher grundsätzlich zutreffend einen Vertrauensschaden auch hinsichtlich jener Arbeitnehmer angenommen, deren Arbeitsverhältnisse schon vor Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit des Vereins und somit vor Eintritt einer Konkursverschleppung begründet wurden. Die Frage, ob auch entgangener Gewinn zu ersetzen ist, hängt zwar vom Grad des Verschuldens des Schädigers ab, führt aber selbst im Fall der Bejahung noch nicht zur Zuerkennung des Erfüllungsinteresses (RIS-Justiz RS0016374).
Die Berechnung des Vertrauensschadens kann konkret - durch den Nachweis eines versäumten Ersatzgeschäfts - oder abstrakt dann erfolgen, wenn die geschuldete Leistung einen Marktpreis oder Börsenpreis hat (RIS-Justiz RS0016376).
Gestützt auf deutsche Rechtsprechung - die den Verweis auf den Quotenschaden zwar ablehnt, allerdings nicht die Problematik des Vertrauensschadens behandelt - (insbes OLG Köln, WM 1998, 1043; BGH II ZR 292/91, NJW 1994, 2220) versuchen die Kläger darzulegen, dass bei persönlichen Arbeitsleistungen der Vertrauensschaden auch im Lohn, den die insolvent gewordene Gesellschaft (hier: Verein) schuldet, bestehen soll. Diese Meinung vertrat offensichtlich auch P. Doralt am Beispiel von Anwaltsleistungen, wenn er meinte, dass die beim Vertrauensschaden angewendete Differenzmethode in diesem Fall „unbefriedigend" sei („Unbeschränkte Haftungen bei Insolvenz der GmbH" in GesRZ 1982, 88, 91). Diesem Gedanken trat mit - nach Ansicht des Senats - überzeugenden Argumenten Dellinger entgegen („Zur Kridahaftung der GmbH-Gesellschafter sowie Ersatzfähigkeit und Berechnung des Vertrauensschadens der Neugläubiger" in WBl 1993, 201 f; Konecny/Schubert Insolvenzgesetze § 69 Rz 104). Dellinger lehrt, dass zwar der Einsatz von Fremdarbeit auch als Vertrauensschaden ersatzfähig sein muss, hingegen die Ersatzfähigkeit der vom Neugläubiger erbrachten Arbeitsleistungen jedenfalls im Rahmen des Vertrauensschadens zu verneinen ist. Wird nämlich keine andere gewinnbringende Tätigkeit versäumt, so liegt der „Schaden" des persönlich tätig gewesenen Neugläubigers allein darin, dass er gearbeitet hat, anstatt sich zu erholen. Die Aufopferung der Freizeit stellt aber nur einen immateriellen, hier nicht ersatzfähigen Schaden dar. Überträgt man diese Erwägungen auf die vorliegenden Arbeitsverhältnisse, zeigt sich gleich, dass die Kläger dazu verhalten gewesen wären, nicht nur auf ihre mit dem Verein vereinbarten Gehälter oder auf abstrakt anderweitig erzielbares Einkommen hinzuweisen, sondern konkrete (versäumte) Abschlussgelegenheiten zu behaupten und zu beweisen. Der Hinweis auf abstrakte Verdienstmöglichkeiten mag dort gerechtfertigt sein, wo - ein entsprechender Arbeitsmarkt vorausgesetzt - ortsübliche oder durch Kollektivvertrag geregelte Gehälter bestehen. Dass davon im vorliegenden Fall keine Rede sein kann, ergibt sich schon aus den von den einzelnen Spielern begehrten Zahlungen: Hier kann weder von einem einheitlichen Grundentgelt, noch von einheitlichen Prämien, sei es jetzt brutto oder netto, die Rede sein. Auch dort, wo Sachleistungen gewährt wurden (insbesondere durch zur Verfügungstellung von Wohngelegenheiten), wurden diese völlig unterschiedlich ausgestaltet. Das Verlangen des Berufungsgerichts nach Konkretisierung alternativer Verdienstmöglichkeiten gibt daher keinen Anlass zur Kritik. Selbst dort, wo (insbesondere später erzielte) alternative Verdienstmöglichkeiten einzelner Spieler festgestellt wurden, können diese weder ein Vorbringen ersetzen, noch zum Zuspruch eines Minus führen, zumal die in Brutto- und Nettoverdienst aufgegliederten Verdienstentgänge beim insolventen Verein mit den behaupteten und nur teilweise - „überschießend" - festgestellten Alternativmöglichkeiten, die ebenfalls teilweise in Brutto-, teilweise in Nettobeträgen ausgedrückt wurden, nicht korrespondieren.
In ihrem ihre Begehren zusammenfassend konkretisierenden Schriftsatz (ON 83) berufen sich die Kläger zwar ausdrücklich auf den Eintritt eines Vertrauensschadens (S 3 f in ON 83), beharren aber dennoch darauf, dass dieser Vertrauensschaden mit dem entgangenen Verdienst beim insolventen Verein ident sei.
Soweit die Kläger vorbringen, dem Zweit- und Drittbeklagten sei die mangelnde Einforderung von Haftungserklärungen des Erstbeklagten vorzuwerfen, ist Folgendes entgegenzuhalten: Die Kläger behaupteten gar nicht, dass diese Forderung „werthaltig" gewesen sei, sondern nur, dass dadurch „Klarheit" geschaffen worden wäre (S 7 in ON 83) und dies den Klägern die Möglichkeit eines schon früheren Austritts geboten hätte, womit aber wieder nur ein Vertrauensschaden relevant werden könnte.
Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit der Behauptung der Kläger auseinandergesetzt, wonach Erst- und Zweitbeklagter neben ihrer - deliktischen - organschaftlichen Verpflichtung auch persönliche Haftungen gegenüber den Klägern für deren Forderungen übernommen haben. In diesem Zusammenhang gelangte das Berufungsgericht, welches auch die Umstände und die Zielrichtung dieser Erklärungen berücksichtigte, zur richtigen Auffassung (§ 510 Abs 3 ZPO), dass damit bei objektiver Betrachtung für die Spieler weder Schuldbeitritte noch -übernahmen, noch Bürgschaftserklärungen eingegangen worden sind. Dem vermögen die Revisionswerber keine zwingenden Argumente entgegenzuhalten.
Was die Abweisung der Feststellungsbegehren anlangt, beharren die Kläger auf ihrem bisherigen, vom Berufungsgericht zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) widerlegten Standpunkt, ohne auf die Argumente des Berufungsgerichts auch nur ansatzweise einzugehen.
Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht weder ergänzende Feststellungen getroffen, noch ließ es die Umstände der Erklärungen von erst- und zweitbeklagter Partei unberücksichtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Zum Erstbeklagten: Der Streitwert beläuft sich auf insgesamt 2,528.657 EUR (Leistung: 2,508.657 EUR und Feststellung 2 x 10.000 EUR). Mangels einer Solidarhaftung der Kläger zum Kostenersatz hat eine entsprechende Aufteilung nach dem jeweiligen Klageinteresse zu erfolgen. Den Zahlungsbegehren der einzelnen Kläger ist das alle Kläger betreffende Feststellungsbegehren anteilig hinzuzuzählen, für den Erstkläger noch das eigene Feststellungsbegehren. Daraus ergeben sich die aus dem Spruch ersichtlichen Prozentsätze.
Hinsichtlich des Zweit- und Drittbeklagten: Der Gesamtstreitwert beträgt 120.049,54 EUR (Leistung: 100.049,54 EUR, Feststellung 20.000 EUR). Der Kostenzuspruch unterscheidet sich deshalb, weil der Zweitbeklagte für die sonst richtig errechneten Kosten einen etwas zu niedrigen Ansatz wählte, an den das Gericht gebunden ist. Im Übrigen gilt für die prozentuelle Kostentragung durch die Kläger dasselbe wie im Verhältnis zum Erstbeklagten.
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