OGH 1Ob44/08i

OGH1Ob44/08i3.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter P*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 391.428 EUR sA und Feststellung (Streitwert 100.000 EUR) infolge Revision der klagenden Partei und der Rekurse der klagenden und der beklagten Partei gegen das Teilurteil bzw den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. November 2007, GZ 4 R 191/07x-33, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 10. September 2007, GZ 31 Cg 57/06b-25, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Sämtliche Rechtsmittel werden zurückgewiesen.

Die Parteien haben die ihnen im Verfahren dritter Instanz entstandenen Kosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Über das Vermögen des Klägers, der als Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen tätig war, wurde am 24. 1. 1990 mit - in der Folge rechtskräftig gewordenem - Beschluss des zuständigen Konkursgerichts der Konkurs eröffnet. Am 17. 5. 1990 fasste der Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer den Beschluss, dass die Berechtigung des Klägers zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft wegen der Konkurseröffnung erloschen sei und verfügte die Löschung des Klägers in der Liste der Rechtsanwälte. Der für die Führung der Verteidigerliste zuständige Präsident des Oberlandesgerichts nahm daraufhin - ohne förmliches Verfahren - die (rein faktische) Streichung des Klägers aus der Verteidigerliste vor. Nachdem der Konkurs nach Vollzug der Schlussverteilung mit Beschluss vom 13. 6. 1994 aufgehoben worden war, erfolgte keine Wiedereintragung des Klägers in die Rechtsanwaltsliste; der Kläger stellte auch keinen darauf gerichteten Antrag. Er beantragte allerdings am 2. 1. 1998 seine Aufnahme in die Verteidigerliste für den Sprengel des Oberlandesgerichts. Der Präsident des Oberlandesgerichts wies diesen Antrag mit Bescheid vom 15. 10. 1998 ab, weil mangelnde Vertrauenswürdigkeit vorliege und damit ein Eintragungshindernis im Sinne des § 39 Abs 3 StPO bestehe. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Justiz mit Bescheid vom 23. 2. 1999 als verspätet zurückgewiesen, weil für die Fristwahrung der Tag des Einlangens der Berufung maßgeblich und das Rechtsmittel damit um einen Tag verspätet sei. Dieser Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit der Begründung aufgehoben, dass die Zeit des Postlaufs auch in einem derartigen Verfahren nicht in die Rechtsmittelfrist einzurechnen und die Berufung daher rechtzeitig erhoben worden sei. Der Bundesminister für Justiz entschied daraufhin mit Bescheid vom 10. 9. 2002 meritorisch über die Berufung des Klägers; er bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und teilte die Auffassung, dass ihm die erforderliche Vertrauenswürdigkeit fehle. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 30. 3. 2004 auf, weil Feststellungen fehlten, ob der Kläger jemals in die Verteidigerliste aufgenommen war bzw weshalb er nicht mehr aufgenommen sei. Die Löschung des Klägers aus der Liste der Rechtsanwälte habe nicht auch seine Löschung aus der Verteidigerliste bewirkt, weil das Gesetz eine solche Folge nicht vorsehe. Eine rein faktisch erfolgte Streichung ohne bescheidmäßige Anordnung sei rechtlich wirkungslos. Mit Bescheid vom 9. 9. 2004 gab die Bundesministerin für Justiz der Berufung des Klägers Folge und stellte spruchmäßig fest, dass dessen Streichung aus der Verteidigerliste „titellos erfolgt und daher gegenstandslos" und dass der Kläger daher nach wie vor „in diese Liste aufgenommen" sei. Dies wurde damit begründet, dass im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs zu Unrecht eine (rein faktische) Streichung aus der Verteidigerliste vorgenommen worden sei, die keine rechtliche Wirkung habe. In einem derartigen Fall sei der Antrag auf Wiedereintragung so zu verstehen, dass damit eine Rückgängigmachung der ohne Bescheid erfolgten Streichung begehrt werde. Der Kläger ist bis heute in die Verteidigerliste eingetragen. Er begehrt nun unter Berufung darauf, dass ihn die Beklagte seit Anfang 1989 rechtswidrig an seiner Berufsausübung gehindert habe, den Ersatz von Verdienstentgang in Höhe von 391.428 EUR samt Zinsen sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, in den Jahren 1988 und 1989 hätten das Finanzamt sowie die Rechtsanwaltskammer mutwillig Konkursanträge eingebracht, die infolge seiner bekannten völligen Vermögenslosigkeit nicht hätten bewilligt werden dürfen. Zwei Konkurseröffnungsbeschlüsse aus dem Jahr 1989 seien im Rechtsmittelweg aufgehoben worden. Nachdem das Konkursgericht den Akt wochenlang nicht bearbeitet habe und dem Kläger als Verfahrenshilfeanwalt ein Kostenbetrag von 59.000 ATS zugesprochen worden sei, sei eine Konkurseröffnung möglich gewesen. Nach Aufhebung des Konkurses hätten die zuständigen Funktionäre der Rechtsanwaltskammer die klare Bestimmung des § 34 Abs 1 lit a RAO verletzt, nach der er wieder in die Liste der Rechtsanwälte einzutragen gewesen wäre. Schließlich sei ihm über lange Zeit mit unvertretbaren Begründungen die Aufnahme in die Verteidigerliste verwehrt worden. Infolge der aufgezeigten Rechtsverletzungen habe er seit Beginn des Jahres 1989 kein Einkommen mehr erzielen können. Verjährung von Ansprüchen könne nicht eingetreten sein, weil die aufgezeigten Verstöße Bestandteile einer einzigen Tathandlung seien. Die in Betracht kommenden Rechtsverstöße hätten nur durch ihr Zusammenwirken den entstandenen Schaden verursachen können. Außerdem sei es ihm vor dem Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 9. 9. 2004 gar nicht möglich gewesen, seinen Schadenersatzanspruch geltend zu machen; vorher hätte nicht die geringste Erfolgsaussicht bestanden.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, sie sei für allfälliges Fehlverhalten von Funktionären der Rechtsanwaltskammer nicht verantwortlich. Die Entscheidungen des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien und des Bundesministers für Justiz über die Ablehnung der Eintragung des Klägers in die Verteidigerliste seien inhaltlich richtig, jedenfalls aber vertretbar gewesen. Gegebenenfalls hätte auch rechtmäßiges Alternativverhalten zum selben Ergebnis geführt. Allenfalls zu Recht bestehende Ersatzforderungen seien verjährt. Entwickelten sich aus einer einzigen schädigenden Verhaltensweise fortlaufend gleichartige schädliche Folgen, die in überschaubarem Zusammenhang stehen und schon ursprünglich voraussehbar waren, so beginne die Verjährungsfrist ab Kenntnis der ersten schädigenden Auswirkung zu laufen. Eine allfällige Unvertretbarkeit des Bescheids des Oberlandesgerichtspräsidenten vom 15. 10. 1998 hätte der als ehemaliger Rechtsanwalt sachverständige Kläger schon mit dem Zeitpunkt der Zustellung erkennen können; es habe kein Anlass bestanden, mit der Klage bis nach dem Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 9. 9. 2004 zu warten. Schließlich hätte der Kläger auch seine Rettungspflicht verletzt. Nachdem gemäß § 34 Abs 1 lit a RAO in der damals geltenden Fassung seine Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit der rechtskräftigen Aufhebung des Konkurses Mitte 1994 wieder aufgelebt sei, hätte er einen Antrag auf Wiedereintragung stellen können. Bei einer neuerlichen Eintragung in die Rechtsanwaltsliste hätte sich auch das im Verfahren vor dem Oberlandesgericht behandelte Problem seiner Vertrauenswürdigkeit gar nicht mehr gestellt. Letztlich hätte der Kläger seine Tätigkeit als Verteidiger ohne weiteres fortsetzen können, da nie eine rechtsverbindliche Streichung erfolgt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Rechtsanwaltskammer sei selbstständiger Rechtsträger im Sinne des § 1 Abs 1 AHG, weshalb die Beklagte für deren Verhalten nicht hafte. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 6 Abs 1 AHG beginne mit Kenntnis des Schadens, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Zur Annahme der Voraussetzungen für die Verlängerung der dreijährigen Verjährungsfrist gebe es keinerlei Hinweise und auch kein taugliches Vorbringen. Da die Klage bei Gericht am 22. 9. 2005 eingelangt sei, seien unter Berücksichtigung der dreimonatigen Frist des § 8 AHG alle Ansprüche verjährt, die dem Kläger vor Juni 2002 bekannt waren oder bekannt sein mussten, sofern ein zugrunde liegendes Verfahren zu diesem Zeitpunkt zumindest ein Jahr lang rechtskräftig beendet gewesen sei. Der Kläger könne daher aus dem im Jahr 1994 rechtskräftig beendeten Konkursverfahren keine Ansprüche mehr ableiten. Nicht verjährt wären allfällige Ansprüche aus der versuchten „Wiedereintragung" in die Verteidigerliste, da dieses Verfahren erst durch den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 9. 9. 2004 rechtskräftig erledigt worden sei. Eine Haftung bestehe jedoch deshalb nicht, weil es auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten zum selben Ergebnis gekommen wäre. Der Präsident des Oberlandesgerichts und die Bundesministerin für Justiz seien in ihren Entscheidungen nur zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht in die Liste der Verteidiger eingetragen sei. Es könne aber kein Zweifel daran bestehen, dass bei richtiger Rechtskenntnis die Entscheidung dahin gelautet hätte, den Kläger durch Bescheid aus der Liste zu streichen. Inhaltlich wären beide Entscheidungen im Wesentlichen gleich geblieben und auch nicht unvertretbar gewesen. Unter Berücksichtigung dieses Umstands seien die nachfolgenden Entscheidungen ohne Bedeutung, da der Kläger bereits mit Bescheid vom 15. 10. 1998 aus der Verteidigerliste gestrichen worden wäre. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung eines Teilbegehrens von 133.769,29 EUR samt Zinsen als Teilurteil und hob die darüber hinausgehende Entscheidung auf; es sprach aus, dass die ordentliche Revision und der Rekurs zulässig seien. Das Erstgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass eine Haftung des Bundes für ein Fehlverhalten von Organen der Rechtsanwaltskammern im eigenen Wirkungsbereich ausscheide. Eine Haftung der Beklagten könne sich daher nur aus Handlungen und Unterlassungen im Zusammenhang mit der Führung der Verteidigerliste ergeben, für die gemäß § 39 Abs 3 StPO der Präsident des Gerichtshofs zweiter Instanz zuständig sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sei der Bescheid des Oberlandesgerichtspräsidenten vom 15. 10. 1998, mit dem der Antrag auf Aufnahme in die Verteidigerliste abgewiesen wurde, rechtlich unrichtig. Der Antrag hätte so verstanden werden müssen, dass damit eine Rückgängigmachung der ohne Bescheid erfolgten Streichung begehrt werde; der Präsident des Oberlandesgerichts hätte dem Antrag in diesem Sinne Folge geben und die titellose Streichung rückgängig machen müssen. Letztlich sei die Entscheidung jedoch als vertretbar anzusehen. Seien Gesetzesbestimmungen nicht vollkommen eindeutig, enthielten sie Unklarheiten über die Tragweite ihres Wortlauts und stehe zudem keine höchstgerichtliche Rechtsprechung als Entscheidungshilfe zur Verfügung, komme es allein darauf an, ob bei pflichtgemäßer Überlegung aller Umstände die getroffene Entscheidung als vertretbar bezeichnet werden könne. Das Gesetz enthalte keine ausdrückliche Regelung, wie vorzugehen sei, wenn bei einem die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwalt, der in die Verteidigerliste eingetragen wurde, die Eintragungsvoraussetzung nach § 39 Abs 3 Satz 2 StPO weggefallen sei; es fehle auch eine Norm, unter welchen Voraussetzungen die Streichung eines Verteidigers aus der Verteidigerliste zu erfolgen habe. Zum Entscheidungszeitpunkt seien die einschlägigen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs noch nicht zur Verfügung gestanden. In der Lehre sei teilweise vertreten worden, dass mit dem Erlöschen der Rechtsanwaltschaft auch die Löschung von der Verteidigerliste zu verfügen sei. Ebenso sei es vertretbar gewesen, das Fehlen der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 5 Abs 2 RAO iVm § 39 Abs 3 StPO zu bejahen, wobei diese nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sei. Der Gesetzgeber verwende hier einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der mittels der aus der Rechtsordnung unter Heranziehung der jeweils gesellschaftlichen Vorstellungen abzuleitenden Wertungen auszulegen sei. Bei der gebotenen Prüfung, ob das gesamte Verhalten geeignet sei, Vertrauen in die korrekte Berufsausübung zu erwecken, sei ein strenger Maßstab anzulegen.

Eine unvertretbare Rechtsansicht sei hingegen dem Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 23. 2. 1999 zugrunde gelegen, mit dem die - in Wahrheit rechtzeitige - Berufung des Klägers als verspätet zurückgewiesen worden ist. Bei dieser Entscheidung sei § 6 Abs 3 StPO unbeachtet gelassen worden, wonach die Tage des Postlaufs in alle in der StPO bestimmten Fristen nicht einzurechnen seien. Im fraglichen Bescheid habe man sich mit der Vorschrift des § 6 StPO überhaupt nicht auseinandergesetzt und auch nicht etwa beachtliche Gründe für eine teleologische Reduktion dieser Bestimmung auf unmittelbar den Strafprozess - und nicht das Justizverwaltungsverfahren im Zusammenhang mit der Verteidigerliste - betreffende Fristen ins Treffen geführt. Eine Rechtsauffassung, die § 6 Abs 3 StPO in diesem Zusammenhang nicht einmal erwähnt, sei als unvertretbar zu beurteilen.

Die Beklagte könne sich aber auch nicht auf mangelnde Kausalität wegen der Gleichwertigkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen. Die richtige Entscheidung hätte darin bestanden, anstelle der Zurückweisung der Berufung dem Rechtsmittel Folge zu geben und - unverzüglich - auszusprechen, dass dem Begehren auf Rückgängigmachung der ohne Bescheid erfolgten Streichung Folge gegeben werde. Erst danach wären gegebenenfalls Überlegungen anzustellen gewesen, ob der Beschwerdeführer noch die erforderliche Vertrauenswürdigkeit besitzt und allenfalls ein Verfahren über seine Streichung durchzuführen wäre. Ein solches Verfahren sei auch später nicht geführt worden; der Kläger sei bis heute in der Verteidigerliste eingetragen. Unvertretbar sei schließlich auch die Entscheidung des Bundesministers für Justiz vom 10. 9. 2002 gewesen, mit der der Berufung des Klägers - nach meritorischer Behandlung - nicht Folge gegeben worden war. Zwei einschlägige Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs seien damals bereits seit einiger Zeit veröffentlicht gewesen. Danach habe kein Zweifel an der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs bestehen können, dass der Antrag des Klägers zur (sofortigen) Rückgängigmachung der titellosen Streichung hätte führen müssen.

Eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG sei dem Kläger nicht vorzuwerfen. Unter „Rechtsmittel" in diesem Sinn seien nur verfahrensrechtliche Rechtsbehelfe zur Abhilfe gegen gerichtliche oder sonstige behördliche Entscheidungen zu verstehen. Er sei daher nicht gehalten gewesen, bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer einen Antrag auf Wiedereintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu stellen, um weiteren Schaden abzuwenden.

Die Beklagte hafte dem Kläger daher für den Schaden am Vermögen, der ihm durch die Bescheide des Bundesministers für Justiz vom 23. 2. 1999 und 10. 9. 2002 zugefügt wurde, gegebenenfalls auch für die künftigen Schäden. Dagegen sei das Verdienstentgangsbegehren für die Zeit vom 1. 1. 1989 bis 4. 3. 1999 (Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids vom 23. 2. 1999) unberechtigt, weshalb das auf diesen Zeitraum entfallende Zahlungsbegehren vom Erstgericht zu Recht abgewiesen worden sei. Im Übrigen sei eine Verfahrensergänzung durch das Erstgericht erforderlich. Dabei müsse geklärt werden, inwieweit in den geltend gemachten Ersatzbeträgen auch Verdienst enthalten sei, den der Kläger nicht in seiner Funktion als Verteidiger in Strafsachen, sondern aus „anderer anwaltlicher Tätigkeit", erworben hätte. Für die Beurteilung des Feststellungsbegehrens fehle es an Tatsachenfeststellungen darüber, inwieweit die rechtswidrigen Bescheide künftig einen Verdienstentgang verursachen könnten. Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof seien im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil Rechtsprechung zu einem Amtshaftungsanspruch, der aus der Führung der Verteidigerliste abgeleitet wird, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Revision des Klägers als auch die Rekurse beider Parteien erweisen sich - entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts - als unzulässig, weil die Entscheidung - in Ermangelung geeigneter Ausführungen in den Rechtsmitteln - nicht von der Beantwortung erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kann sich gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

1. Zur Revision:

Richtigerweise hält der Revisionswerber seine früher vertretene Rechtsauffassung, die Beklagte habe auch für im Bereich der Anwaltskammer begangene Fehler zu haften, nicht mehr aufrecht. Seine Ansicht, eine Haftung für das Fehlverhalten von Kammerfunktionären sei im Rahmen des § 1302 ABGB gegeben, weil sich die Anteile des Bundes und der Rechtsanwaltskammer am eingetretenen Schaden nicht bestimmen ließen, setzte jedoch vor allem ein eigenes haftungsbegründendes Fehlverhalten von Organen der Beklagten voraus. Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang - wie bereits im Berufungsverfahren - nur pauschal auf sein Klagevorbringen zur „Inszenierung eines Konkursverfahrens" verweist, ist nicht ausreichend erkennbar, inwieweit er den Vorinstanzen insoweit eine verfehlte Beurteilung vorwerfen will. Soweit es um das Verhalten des Konkursgerichts geht, zieht er nicht in Zweifel, dass zum Zeitpunkt der schließlich in Rechtskraft erwachsenen Konkurseröffnung die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Konkursverfahrens gegeben waren; er hat diesen Konkurseröffnungsbeschluss auch nicht bekämpft. Wäre zu diesem Zeitpunkt ein Konkursantrag nicht vorgelegen, wäre er gemäß § 69 KO verpflichtet gewesen, selbst die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen. Auf einen allenfalls „verfrühten" Konkursantrag eines Organs der Beklagten oder ein übermäßig langes Zuwarten des Konkursgerichts mit seiner Entscheidung kann er seinen Anspruch daher nicht stützen.

Soweit er im Verfahren erster Instanz behauptet hat, ein Konkursantrag der Beklagten aus dem Jahr 1988 habe schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres zu beträchtlichen Umsatzeinbrüchen geführt, und er habe Anfang 1989 die Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens beantragt, um ein Konkursverfahren abzuwehren, erweist sich das Vorbringen als kaum nachvollziehbar, zumal nicht erklärt wird, warum der bloße Konkursantrag geeignet gewesen sein sollte, Umsatzeinbrüche herbeizuführen; Verdienstentgang macht der Kläger auch erst ab 1989 geltend. Allfällige Schadenersatzansprüche wären auch schon verjährt, weil jeder auf ein gesondert zu beurteilendes Fehlverhalten zurückzuführende Schaden einer eigenen Verjährungsfrist unterliegt. Ist ein Primärschaden dem Kläger bereits im Jahr 1989 oder 1990 bekannt geworden, wären auch aus dem behaupteten Verhalten abgeleitete Schadenersatzansprüche zum Zeitpunkt der Klageeinbringung bereits verjährt gewesen. Schon das Erstgericht hat darauf hingewiesen, dass es keine Anhaltspunkte für die Anwendung einer längeren als der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist gibt. Dazu führt der Kläger auch in seiner Revision nichts aus; seine Ausführungen zur vermeintlichen Verfassungswidrigkeit der gegenüber § 1489 ABGB auf zehn Jahre verkürzten „langen" Verjährungsfrist lassen nicht erkennen, aus welchem Grund hier die längere Frist überhaupt zur Anwendung kommen sollte.

Auch mit seinen Ausführungen zur Frage der Vertretbarkeit der dem Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 15. 10. 1998 zugrunde liegenden Rechtsansicht wirft der Revisionswerber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Eine solche läge nur vor, wenn die Bejahung der Vertretbarkeit durch das Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung darstellte, was jedoch zu verneinen ist. Die Auffassung, mangels jeglicher Vorjudikatur zur betreffenden Frage (richtiges Vorgehen bei bloß faktisch vorgenommener Streichung nach Verlust der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft) sei nicht zwingend davon auszugehen gewesen, dass vor der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Eintragung in die Verteidigerliste seine (aktuelle) Vertrauenswürdigkeit nicht geprüft werden dürfe, stellt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste. Zur weiteren Frage, ob unter den konkreten Umständen des Einzelfalls die Auffassung des Präsidenten des Oberlandesgerichts, die Vertrauenswürdigkeit sei nicht gegeben, vertretbar war, kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden, die nicht als bedenkliche Fehlbeurteilung zu qualifizieren sind.

2. Zum Rekurs des Klägers:

Davon, dass der Kläger durch den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts beschwert wäre, weil er nur mit seinem Eventualbegehren durchgedrungen sei, kann keine Rede sein. Er hat vielmehr ein einheitliches - auf Geldleistung bzw Feststellung lautendes - Begehren erhoben; auch das Berufungsgericht hat nicht etwa ein Hauptbegehren abgewiesen.

Der Frage, ob dem Kläger durch das Fehlverhalten von Organen der Beklagten (im Zusammenhang mit seiner Aufnahme in die Verteidigerliste) Erwerbseinkommen in bestimmter Höhe entgangen ist, wurde durch die Entscheidung des Berufungsgerichts keineswegs in einer das Erstgericht bindenden rechtsirrigen Weise vorgegriffen. Die Ausführung im Aufhebungsbeschluss, es müsse nach dem Vorbringen davon ausgegangen werden, dass im Betrag von 257.658,71 EUR Verdienst enthalten sei, der dem Kläger nicht in seiner Funktion als Verteidiger in Strafsachen, sondern aus anderer anwaltlicher Tätigkeit entgangen sei, stellt keineswegs eine abschließende Beurteilung dar. Ausdrücklich sagt das Berufungsgericht im unmittelbaren Anschluss daran, dass maßgeblich das Einkommen sei, das der Kläger bei weiterer Ausübung der Tätigkeit als Verteidiger erzielt hätte; diesen Betrag werde der Kläger im fortgesetzten Verfahren gesondert zu beziffern und unter Beweis zu stellen haben. Damit ist es ihm keinesfalls verwehrt, zu behaupten und zu beweisen, dass er das gesamte geltend gemachte Einkommen auch dann erzielt hätte, wenn er ausschließlich als Verteidiger in Strafsachen tätig gewesen wäre und diese Tätigkeit - wegen des Wegfalls sonstiger Erwerbsmöglichkeiten - entsprechend ausgeweitet hätte. Unverständlich ist der Hinweis des Rekurswerbers darauf, dass sich ein beträchtlicher Teil der Klageforderung auf einen Zeitraum bezieht, in dem er noch nicht seine Eintragung in die Verteidigerliste beantragt hatte. Dieser Teil ist nicht Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses.

Unbedenklich ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, es fehle an ausreichenden Tatsachenfeststellungen zur Beurteilung des Feststellungsbegehrens. Da das Erstgericht nicht festgestellt hat, wie sich die Einkommenssituation des Klägers zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung dargestellt hat und mit welcher zukünftigen Entwicklung gerechnet werden kann, kann auch nicht der rechtliche Schluss gezogen werden, dass dem Kläger - zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit - auch in Zukunft noch Nachteile aus der über einen längeren Zeitraum verweigerten Aufnahme in die Verteidigerliste entstehen werden.

3. Zum Rekurs der Beklagten:

Soweit die Beklagte weiterhin die Auffassung vertritt, die Zurückweisungsentscheidung des Bundesministers für Justiz vom 23. 2. 1999 sei vertretbar gewesen, genügt es auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen. Das Entscheidungsorgan hat sich mit der Bestimmung des § 6 Abs 3 StPO in keiner Weise auseinandergesetzt und umso weniger nachvollziehbare Erwägungen dahin angestellt, aus welchen Gründen der Anwendungsbereich dieser Vorschrift allenfalls zu reduzieren wäre. Im Ergebnis wurde eine tatsächlich nicht vorhandene Norm für das Verfahren zur Eintragung in die Verteidigerliste einfach „erfunden", obwohl dafür keine Veranlassung bestand, zumal auch die verwandte Rechtsbereiche betreffende Vorschrift des § 33 Abs 3 AVG eine Nichteinrechnung der Zeit des Postlaufs in die Rechtsmittelfrist anordnet. Allein der Umstand, dass der einfache Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht auch die Möglichkeit gehabt hätte, eine abweichende Vorschrift für das hier zu beurteilende Justizverwaltungsverfahren zu schaffen, kann schon deshalb kein berücksichtigungswürdiges Argument sein, weil eine derartige Vorschrift eben nicht existiert.

Zur Frage der Vertretbarkeit der Entscheidung des Bundesministers für Justiz vom 10. 9. 2002 setzt sich der Rekurs mit der Argumentation des Berufungsgerichts, zum Entscheidungszeitpunkt seien bereits zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs bekannt gewesen, die mit der genannten Entscheidung unvereinbar seien, nicht auseinander. Die Rekursausführungen sind schon deshalb nicht geeignet, eine bedenkliche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen. Letztlich ist auch der Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen, dass sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht darauf berufen kann, rechtmäßiges Alternativverhalten hätte zum gleichen Erfolg, nämlich dazu geführt, dass der Kläger als Verteidiger in Strafsachen nicht hätte tätig werden können. Auch hier kann auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden, das zutreffend dargelegt hat, dass die richtige Entscheidung darin bestanden hätte, die Berufung meritorisch zu behandeln und den angefochtenen Bescheid in einem für den Kläger günstigen Sinn abzuändern. Darauf, ob die verwaltungsbehördliche Berufungsinstanz - hätte sie die Berufung nicht zu Unrecht zurückgewiesen - in vertretbarer Weise auch eine Abweisung begründen hätte können, kommt es nicht an, weil nur rechtmäßiges, nicht aber bloß vertretbares Alternativverhalten eine Haftung ausschließt (vgl dazu nur Schragel, AHG³ Rz 155 mwN). Das Risiko, sich durch eine rechtswidrige Formalentscheidung der Möglichkeit zu begeben, eine zwar ebenfalls unrichtige, aber zumindest vertretbare abweisende Entscheidung zu fällen, trägt der Rechtsträger. Er kann sich nicht darauf berufen, dass eine hypothetische meritorische Entscheidung vertretbar gewesen wäre und der Kläger auch dann den selben Nachteil erlitten hätte.

4. Kostenentscheidung:

Da sich sämtliche Rechtsmittel als unzulässig erweisen, haben die Rechtsmittelwerber die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften gemäß § 50 Abs 1 § 40 Abs 1 ZPO selbst zu tragen. Kostenersatz steht aber auch für die Gegenschriften nicht zu, da diese - mangels Hinweises auf die Unzulässigkeit - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 41 Abs 1 ZPO nicht erforderlich waren.

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