Spruch:
Eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung über den zwischen dem Landesgericht für Strafsachen Graz und dem Landesgericht für Strafsachen Wien in der Strafsache gegen Vasile T***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB, AZ 223 Ur 241/07p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, bestehenden negativen Kompetenzkonflikt liegt nicht vor.
Text
Gründe:
Beim Landesgericht für Strafsachen Graz ist gegen Vasile T***** zu AZ 12 Hv 111/07b ein Strafverfahren anhängig, in dem am 10. Juli 2007 ein Strafantrag wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB eingebracht wurde (S 27). Da dem Beschuldigten bislang die Ladung zur Hauptverhandlung nicht zugestellt werden konnte, wurde das Verfahren mit Beschluss vom 20. August 2007 gemäß § 412 StPO aF abgebrochen (S 3d). Ein weiteres Strafverfahren gegen Vasile T***** wurde zu AZ 223 Ur 241/07p beim Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verdachts des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 (Z 2) StGB geführt. Im Rahmen gerichtlicher Vorerhebungen beantragte die Staatsanwaltschaft Wien zunächst die Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehls, der am 31. Juli 2007 vollzogen wurde (S 51). Nach Einlagen der Strafanzeige (ON 3) beantragte die Staatsanwaltschaft Wien die Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Graz zum obgenannten dort anhängigen, älteren Verfahren gemäß § 56 StPO (S 3a). Dieses fasste am 20. November 2007 den Beschluss auf Rückabtretung des Verfahrens und Abtretung des eigenen Verfahrens an das Landesgericht für Strafsachen Wien, weil sich aus der dort verfahrensgegenständlichen Strafanzeige vom 14. Oktober 2007 (ON 3 des Aktes 223 Ur 241/07p des Landesgerichts für Strafsachen Wien) der Verdacht der Gewerbsmäßigkeit und des Handelns im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ergebe, woraus die Zuständigkeit des (höherrangigen) Schöffengerichts resultiere (S 3h f des Aktes 12 Hv 111/07b des Landesgerichts für Strafsachen Graz). In weiterer Folge beantragte die Staatsanwaltschaft Wien zunächst die Einbeziehung des Grazer Verfahrens gemäß § 56 StPO sowie unter anderem die Ausschreibung des Vasile T***** zur Aufenthaltsermittlung im Inland und die Abbrechung des Verfahrens gemäß § 412 StPO aF (S 3c). Diese Anträge wurden jedoch am 19. Dezember 2007 zurückgezogen und gleichzeitig die Rückabtretung beider Verfahren an das Landesgericht für Strafsachen Graz begehrt, weil „eine unzulässig Abtretung" desselben vorliege (S 3d).
Rechtliche Beurteilung
Das Landesgericht für Strafsachen Graz legte den dort am 10. Jänner 2008 erneut eingelangten Akt dem Obersten Gerichtshof nunmehr gemäß § 38 dritter Satz StPO zur Entscheidung des Kompetenzkonflikts vor, weil „einer Einbeziehung des Aktes 223 Ur 241/07p des Landesgerichts für Strafsachen Wien in den Hv-Akt" der Umstand entgegenstehe, dass hinsichtlich der in Wien verfolgten Straftaten noch keine Anklage erhoben worden sei.
Im genannten Verfahren des Landesgerichts für Strafsachen Wien waren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Strafprozessreformgesetzes bei Gericht keine Anträge auf gerichtliche Vorerhebungen im Sinn des § 516 Abs 2 StPO anhängig (S 3d). Das Verfahren war infolge Zurückziehung der davor gestellten Anträge auch nicht gemäß § 412 StPO aF abgebrochen (vgl § 516 Abs 5 StPO), weshalb es seit dem 1. Jänner 2008 nach den Bestimmungen der geltenden Strafprozessordnung zu führen ist.
Gleiches gilt für das beim Landesgericht für Strafsachen Graz im Stadium der Hauptverhandlung anhängige Verfahren. Eine Verbindung mehrerer Verfahren bei Gericht und eine zu diesem Zweck vorgenommene Abtretung sind gemäß § 37 Abs 3 StPO nur zulässig, wenn in allen hievon betroffenen Verfahren bereits eine rechtswirksame Anklage vorliegt. Die Abtretung eines Verfahrens zur Verbindung mit einem anderen bereits im Stadium der Hauptverhandlung befindlichen kann daher nur durch den zur Führung der Hauptverhandlung berufenen Richter, niemals aber durch die das Ermittlungsverfahren leitende Staatsanwaltschaft (vgl §§ 20 Abs 1, 25 Abs 1 und Abs 3, 36 Abs 1 StPO) erfolgen. Nur wenn beide Verfahren sich entweder im Stadium des Ermittlungs- oder des Hauptverfahrens befinden, kommt eine Abtretung des einen zur Verbindung mit dem anderen in Frage. Im Falle eines Zuständigkeitskonflikts ist in ersterem Fall (wenn die betreffenden Staatsanwaltschaften verschiedenen Oberstaatsanwaltschaften unterstehen) die Generalprokuratur zur Entscheidung berufen (§ 28 StPO), nur in letzterem hingegen gemäß § 38 letzter Satz StPO das gemeinsam übergeordnete Gericht, liegen die beteiligten Gerichte in verschiedenen Oberlandesgerichtssprengeln also der Oberste Gerichtshof.
Zur Entscheidung des hier vorliegenden Kompetenzkonflikts, der der Sache nach ausschließlich das im Stadium des Ermittlungsverfahrens behängende Strafverfahren AZ 223 Ur 241/07p des Landesgerichts für Strafsachen Wien betrifft (die Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz für das Verfahren AZ 12 Hv 111/07b ist - abgesehen von der aus dem Grund der Konnexität gemäß § 56 StPO aF erfolgten Abtretung - an sich unstrittig), ist der Oberste Gerichtshof sohin nicht zuständig.
Nach seinem Rücklangen wird das Landesgericht für Strafsachen Graz den Akt 223 Ur 241/07p des Landesgerichts für Strafsachen Wien der Staatsanwaltschaft zu übertragen haben (vgl § 516 Abs 2, Abs 5 StPO), für die sich die örtliche Zuständigkeit nach den Bestimmungen der §§ 25 ff StPO richtet.
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