Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 6. März 2006, GZ 46 Hv 2/05z-349, verletzt in den Schuldsprüchen der Angeklagten Harald H*****, Roman S*****, Werner G***** und Rudolf W***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 3 StGB, teils nach § 12 dritter Fall StGB, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 22 Abs 2, 33 Abs 2 lit a FinStrG.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen A. und B., demnach auch in den Strafaussprüchen und den Abschöpfungserkenntnissen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 6. März 2006, GZ 46 Hv 2/05z-349, das auch einen Freispruch dreier Angeklagter und Abschöpfungserkenntnisse nach § 20 Abs 1 Z 1 sowie Z 2 StGB enthält, wurden Ing. Harald H*****, Roman S***** sowie - als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB - Werner G***** und Rudolf W***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (richtig:) vierter Fall und Abs 3 StGB schuldig erkannt und zu - jeweils zur Gänze oder teilweise bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafen verurteilt.
Demnach haben von Februar 2002 bis 9. Juli 2003 in Baden, Neusiedl und anderen Orten
A. Harald H***** und Roman S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, „Beamte des Finanzamtes Baden durch die Vorlage manipulierter Rechnungen, wonach die Firma I*****, auf deren Führung sie alleinigen Einfluss hatten, wertberichtigte, somit offene und uneinbringliche Forderungen gegen die Firma C***** GmbH hätte und daher Anspruch auf Umsatzsteuerrückvergütung bestünde, zur Anerkennung dieses Anspruches und Überweisung eines Betrages von 1,037.551,30 EUR an die Firma I*****, Schaden des Staates 1,037.551,30 EUR, (verleitet), wobei sie einen Betrug begingen, indem sie zur Täuschung ein falsches Beweismittel benützten und durch die Tat ein 50.000 EUR übersteigender Schaden herbeigeführt wurde;
B. Werner G***** und Rudolf W***** zur Ausführung des unter Punkt A. beschriebenen Betruges beigetragen, indem Werner G***** die zur Täuschung verwendeten, manipulierten Unterlagen herstellte und Rudolf W***** die zur Täuschung verwendeten Transferrechnungen betreffend die Firma C***** beschaffte und dem Finanzamt Baden übermittelte."
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen (S 459 ff/XXV) war die I***** GmbH Teil einer niederländisch-österreichischen Unternehmensgruppe, zu der auch die C***** GmbH gehörte. Im Herbst 2001 wurden verschiedene Unternehmen dieser Gruppe insolvent, darunter auch die C***** GmbH. Zwischen der C***** GmbH und der I***** GmbH bestand ein Kooperationsvertrag, wonach letztere für den Verkauf und den Kontakt zu den Kunden zuständig war, während der C***** GmbH das Assembling oblag. Im Tatzeitraum waren Ing. Harald H***** und Roman S***** Gesellschafter und tatsächliche Unternehmensleiter der I***** GmbH.
Aufgrund des Kooperationsvertrags zwischen der C***** GmbH und der I***** GmbH bestanden zum Zeitpunkt des Eintrittes der Insolvenz im Jahre 2001 Forderungen der I***** GmbH in Höhe von 97 Mio ATS, welche nunmehr bei der C***** GmbH nicht mehr einbringlich waren. Harald H***** und Roman S***** erfuhren im Zuge eines zivilgerichtlichen Verfahrens, dass sie Forderungen gegen die im Konkurs befindlichen Unternehmen wertberichtigen müssten und sie sich, sollten sie bereits Umsatzsteuer bezahlt haben, durch den Ausfall dieser Forderungen die Steuern „wieder zurückholen" könnten. Die Änderung der Bemessungsgrundlage wurde durch die I***** GmbH in einer im Herbst 2002 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für den Kalendermonat Februar 2002 dem Finanzamt Baden bekanntgegeben. In dieser Umsatzsteuervoranmeldung wurde ein Überschuss von 1,200.000 EUR (richtig: 1,220.290,90 EUR) ausgewiesen.
Zufolge der Höhe des geltend gemachten Umsatzsteuerguthabens wurde eine Umsatzsteuersonderprüfung durchgeführt. Im Zuge dieser Sonderprüfung wurden dem Finanzamt zumindest inhaltlich unrichtige Rechnungen der I***** GmbH vorgelegt, in denen jeweils nicht der Endkunde, sondern die C***** GmbH als Rechnungsadressat ausgewiesen wurde. Als Folge der inhaltlich unrichtigen Rechnungen überwies die Finanzbehörde am 1. Juli 2003 einen Betrag von 1,180.966,45 EUR an die Steuerberatungskanzlei des Mag. Thomas G*****. In diesem Betrag waren auch 138.143,93 EUR enthalten, bei denen eine Änderung der Bemessungsgrundlage zu Recht erfolgt war.
Nach den diesbezüglichen Konstatierungen setzt sich der im Spruch festgestellte Betrugsschaden in der Höhe von 1,037.551,30 EUR aus dem (von der Steuerberatungskanzlei weiterüberwiesenen) Betrag von 1,175.745,27 EUR abzüglich jenes Betrages von 138.143,93 EUR zusammen, bei dem die Umsatzsteuergutschrift zu Recht geltend gemacht worden war.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Geltendmachung ungerechtfertigter Gutschriften in Voranmeldungen zur Umsatzsteuervorauszahlung und damit die Erzielung eines Guthabens oder einer allfälligen Verminderung der Zahllast begründet das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG.
§ 22 Abs 2 FinStrG schafft eine Privilegierung von Betrugs- und Täuschungshandlungen, die Mittel zur Begehung von Finanzvergehen sind. Durch diese Bestimmung scheidet Idealkonkurrenz von (betrügerischen) Finanzvergehen mit Betrugs- und Täuschungstatbeständen aus (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 185; Dorazil/Harbich FinStrG § 22 Anm 5) und ist damit klargestellt, dass die Täuschung der Finanzbehörde nicht nach §§ 146 ff StGB zu verfolgen ist.
Demnach wäre das Tatverhalten der Verurteilten als das (gemäß § 22 Abs 2 FinStrG gegenüber dem Tatbestand des Betruges spezielle) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG zu beurteilen gewesen. Die Annahme der Staatsanwaltschaft, es läge ein der Entscheidung 10 Os 180/81 (= EvBl 1983/124) vergleichbarer Fall der „Vortäuschung einer Abgabenpflicht" vor (Anklageschrift ON 287; S 77/XXI), übersieht, dass die I***** GmbH ein grundsätzlich abgabepflichtiges Steuersubjekt - als Prämisse für einen steuerrechtlich relevanten Tatbestand - war und lediglich unrichtige tatsächliche Grundlagen in Form manipulierter Rechnungen für eine Umsatzsteuerrückvergütung vorgespiegelt wurden (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 186). Dies erhellt auch aus dem Umstand, dass die Wertberichtigung von drei der eingereichten Rechnungen steuerlich zulässig war und dieser lukrierte Rückvergütungsbetrag von 138.143,93 EUR von der „Schadenssumme" in Abzug gebracht wurde (S 463/XXV).
Der sich auf die Geltendmachung nicht bestehender Umsatzsteuergutschriften beziehende Schuldspruch verletzt daher das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 22 Abs 2, 33 Abs 2 lit a FinStrG. Im Hinblick auf die gegenüber § 33 Abs 5 FinStrG höhere Strafdrohung der den Strafsatz bestimmenden Qualifikationsnorm des § 147 Abs 3 StGB sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil in seinem schuldigsprechenden Teil und demgemäß im Strafausspruch und im Abschöpfungserkenntnis aufzuheben und Verfahrenserneuerung anzuordnen. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst kommt nicht in Betracht, weil Feststellungen zur inneren Tatseite des Finanzvergehens nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (§ 5 Abs 3 StGB) im Urteil fehlen.
Im erneuerten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass mit Art VI Z 3 SteuerreformG 2005 (BGBl I 2004/57) die Möglichkeit der zusätzlichen Ahndung von Urkundenfälschungen (§ 223 StGB) und von Fälschungen eines Beweismittel (§ 293 StGB), die im Zusammenhang mit einem Finanzvergehen verübt wurden, beseitigt worden ist (§ 22 Abs 3 FinStrG).
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