OGH 12Os143/07g

OGH12Os143/07g21.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Februar 2008 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Dr. Lässig, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther K***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Mai 2007, GZ 021 Hv 31/05p-86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Verfolgungsvorbehalt nach § 263 Abs 2 StPO enthaltenden Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (1) sowie (richtig:) mehrerer Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB

(2) schuldig erkannt.

Danach hat er

(1) in der Zeit vom 29. Jänner 2001 bis zum 16. August 2001 als Einzelunternehmer in vier Angriffen durch rechtsgrundlose Entnahmen in der Gesamthöhe von 792.900,15 Euro einen Bestandteil seines Vermögens beiseite geschafft und hiedurch die Befriedigung seiner Gläubiger zumindest geschmälert, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und

(2) in der Zeit vom November 2001 bis zum Juni 2002 als Dienstgeber Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung in der Gesamthöhe von 12.780,52 Euro der Wiener Gebietskrankenkasse als berechtigtem Sozialversicherungsträger vorenthalten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (S 453 f/V) des Antrags auf „Einholung eines neurologisch-psychologischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten im Zeitraum Anfang 1999 bis Ende 2001" (S 449/V) Verteidigungsrechte nicht verletzt. Der Beweisantrag lässt nämlich nicht erkennen, aus welchem Grund die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f). Das begleitende Antragsvorbringen, eine angeblich zwischenzeitig erfolgte psychotherapeutische Behandlung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit nur eingeschränkt geschäftsfähig gewesen sei (S 449/V), vermag hieran nichts zu ändern, weil es die nachgetragene Antragsprämisse substratlos behauptet. Das in diesem Zusammenhang der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde beigelegte ärztliche Attest ist - ebenso wie das die aus Z 4 relevierten Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen - aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbots einer inhaltlichen Erörterung nicht zugänglich.

Auch den Antrag auf „Einholung eines bautechnischen SV-Gutachtens zum Beweis dafür, dass die im Gutachten des Sachverständigen ON 34 erliegende Rechnungskopien der Firma V***** GesmbH, der Firma Fe***** sowie der Firma S***** GmbH entsprechende Leistungen in der Saudiarabischen Botschaft gegenüberstehen" (S 333/V), wies das Erstgericht zu Recht ab (S 455/V). Der strafrechtliche Vorwurf gegen den Beschwerdeführer in Bezug auf die Rechnungen der genannten Unternehmen besteht nämlich darin, die in diesen Rechnungen ausgewiesenen Beträge nicht für die dort genannten Leistungen an die als Rechnungsaussteller aufscheinenden Unternehmen bezahlt zu haben. Eine bautechnische Expertise könnte zwar allenfalls Aufschlüsse darüber geben, ob die Leistungen überhaupt erbracht worden sind, was aber - selbst bei Bejahung dieser Frage - nicht geeignet wäre, die Beweislage hinsichtlich des dargelegten Vorwurfs zugunsten des Beschwerdeführers zu ändern.

Der Einwand der Mängelrüge, die angefochtene Entscheidung übergehe die dem Schuldspruch 1 zugrunde liegenden Rechnungen (Z 5 zweiter Fall), schlägt fehl. Die Tatrichter gehen vielmehr - mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung (US 6 bis 8) - davon aus, dass es sich dabei um Scheinrechnungen handelt.

Die Beschwerdebehauptung, das Erstgericht habe sich mit der beweiswürdigenden Urteilsannahme, dass keiner der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen angegeben hat, Mitarbeiter der als Rechnungsaussteller aufscheinenden Unternehmen auf den betreffenden Baustellen gesehen zu haben (US 6), nichtigkeitsbegründend über mehrere Zeugenaussagen hinweggesetzt, trifft nicht zu. Die von der Rüge in diesem Zusammenhang angeführten Depositionen der Zeugen M***** (S 259, 273/V), S***** (S 383/V), N***** (S 437 f, 441/V) und U***** (S 393/V) widersprechen diesem Urteilsargument nämlich keineswegs und waren demnach auch nicht erörterungsbedürftig im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (Art 6 Abs 2 MRK) wird keiner der von der Z 5 bezeichneten Fehler behauptet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 454).

Das - grundsätzlich zutreffende - Vorbringen, die Formulierung sogenannter Scheingründe sei ein Fall fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall), lässt nicht erkennen, auf welche Urteilspassagen es abzielt, und entzieht sich somit einer inhaltlichen Erwiderung.

Mit dem Vorbringen, die Akten seien nicht zur Gänze verlesen worden, wird erneut kein aus Z 5 relevanter Mangel behauptet. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 85) der erhebliche Akteninhalt - der Bestimmung des § 252 Abs 2a StPO entsprechend - vorgetragen worden ist (S 455/V).

Zur Prämisse der Tatsachenrüge (Z 5a), die dem Schuldspruch 1 zugrunde liegenden Rechnungen seien im Rahmen der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt worden, wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Darlegungen zum inhaltsgleichen Einwand der Mängelrüge verwiesen.

Soweit die Beschwerde die Einholung eines bautechnischen Gutachtens unter dem Aspekt der Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs 2, 254 StPO) einfordert, verkennt sie die insoweit bestehende Subsidiarität der Aufklärungs- gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4), die daraus resultiert, dass andernfalls die wesentlichen Voraussetzungen Letzterer (Antrag oder Widerspruch) unterlaufen würden (Lässig, Das Rechtsschutzsystem der StPO und dessen Effektuierung durch den OGH, ÖJZ 2006, 406 [409]). Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die angefochtene Entscheidung enthalte keine Feststellungen über die Verwendung der beiseitegeschafften Vermögensteile, lässt nicht erkennen, aus welchem Grund die vermisste Konstatierung - entgegen dem Wortlaut des § 156 StGB - schuld- oder subsumtionsrelevant sein soll.

Das Vorbringen, das Erstgericht treffe keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite, ignoriert die diesbezüglichen Konstatierungen (US 5).

Die Behauptung, entscheidende Tatsachen seien nicht festgestellt worden, legt nicht dar, welche über die getroffenen hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollten, und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung. Der Verjährungseinwand der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b) nimmt nicht Maß an den Bestimmungen der §§ 57 und 58 StGB und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Verjährungsfrist in Bezug auf das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB gemäß § 57 Abs 3 StGB zehn Jahre beträgt, womit die Verjährung im Hinblick auf die Tatbegehung im Jahr 2001 insoweit keinesfalls eingetreten ist. Hinsichtlich des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB, das nach fünf Jahren verjährt (§ 57 Abs 3 StGB), hindert die Verlängerungsbestimmung des § 58 Abs 3 Z 2 StGB, wonach die Zeit, während der wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei Gericht anhängig ist, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird, die Strafaufhebung, weil der Beschwerdeführer bereits im Oktober 2005 wegen des diesbezüglichen Anklagevorwurfs gerichtlich in Verfolgung gezogen wurde (S 3 h/I). Mit der Behauptung eines Feststellungsmangels in Bezug auf die angeblich zur Tatzeit nicht vorgelegene Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers (§ 11 StGB) unterlässt die Rüge das Vorbringen eines auf diesen Schuldausschließungsgrund hinweisenden Sachverhaltssubstrats, womit sie die deutliche und bestimmte Bezeichnung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes verfehlt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 601). Im Übrigen trifft der Einwand, das Erstgericht habe die Frage der Zurechnungsfähigkeit nicht durch Feststellungen geklärt, nicht zu. Die Tatrichter gehen vielmehr ausdrücklich davon aus, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit fähig war, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (US 5). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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