OGH 14Os175/07b

OGH14Os175/07b19.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thi Huyen N***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen nach § 28 Abs 1 erster Fall und Abs 3 erster Fall SMG aF und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Thi Huyen N***** und Sa Mit T***** sowie die Berufung der Angeklagten Thi Thao C***** gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 10. Oktober 2007, GZ 10 Hv 73/07f-95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sa Mit T***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch II. genannten Straftat unter § 132 Abs 2 erster Fall StGB und demgemäß im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung, nicht aber im Einziehungserkenntnis) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sa Mit T***** wird im Übrigen ebenso wie jene der Angeklagten Thi Huyen N***** zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Thi Huyen N***** und Thi Thao C***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagte Sa Mit T***** wird mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten Thi Huyen N***** und Sa Mit T***** fallen auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Thi Huyen N*****, Thi Thao C***** und Sa Mit T***** der - hinsichtlich der Angeklagten Thi Thau C***** und Sa Mit T***** teilweise im Versuchsstadium (§ 15 StGB) verbliebenen - Verbrechen nach § 28 Abs 2 erster Fall und Abs 3 erster Fall SMG aF (I) und Sa Mit T***** überdies des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben

I. den bestehenden Vorschriften zuwider

1. Thi Huyen N***** in W***** in der Zeit von Februar bis etwa Mitte Mai 2007 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Thanh-Nguyen Q***** Suchtgift in zumindest 18-fach großer Menge, nämlich zumindest 360 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz dadurch erzeugt, dass sie im Haus W***** in einer „Indoor-Cannabis-Plantage" zumindest 500 Cannabispflanzen großzogen und ernteten, wobei sie mit der Absicht gehandelt haben, sich durch die wiederkehrende Erzeugung von Suchtgift in großen Mengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

2. Thi Thau C***** und Sa Mit T***** in der Zeit von März bis Mitte Mai 2007 in E***** gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Thanh-Nguyen Q***** Suchtgift in zumindest 18-fach großer Menge, nämlich zumindest 360 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz dadurch erzeugt, dass sie im Haus R***** in einer „Indoor-Cannabis-Plantage" ca 500 Cannabispflanzen großzogen, wobei es infolge Sicherstellung der Pflanzen durch die Polizei etwa zwei Wochen vor Erntereife hinsichtlich einer zumindest 9-fach großen Menge beim Versuch geblieben ist, wobei sie in der Absicht gehandelt haben, sich durch die wiederkehrende Erzeugung von Suchtgift in großen Mengen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

II. Sa Mit T***** gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Thanh-Nguyen Q***** in der Zeit von März bis Mitte Mai 2007 in E***** mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Zuführung von Energie dient, Energie, deren Wert 3.000 Euro übersteigt, dadurch entzogen, dass sie an der Strom-Hauszuführungsleitung des Hauses R***** vor dem Stromzähler ein Kabel installierten und dadurch Strom abzweigten, womit sie die zu Punkt I.2. angeführte Cannabis-Aufzuchtanlage betrieben haben. Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten Thi Huyen N***** und Sa Mit T***** jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde, welche die Erstgenannte auf die Gründe der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO, Sa Mit T***** auf jene der Z 4, 5 und 5a leg cit stützt.

Rechtliche Beurteilung

Zum erfolgreichen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sa

Mit T*****:

Die unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO vorgetragene Mängelrüge des Sa Mit T***** zeigt zutreffend auf, dass das Urteil keine Begründung für die zur Annahme der Qualifikation des § 132 Abs 2 erster Fall StGB entscheidende Feststellung enthält, der Angeklagte habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, „dass Strom im Gesamtwert von jeweils mehr als 3.000 EUR abgezweigt" wird.

Dies macht eine Rückverweisung an das Erstgericht im davon betroffenen Umfang erforderlich (§ 285e StPO).

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Sa Mit T***** kommt im Übrigen und jener der Thi Huyen N***** zur Gänze keine Berechtigung zu. Zum erfolglosen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sa

Mit T*****:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf Einvernahme des Thanh-Nguyen Q***** zum Beweis dafür, „dass dem Drittangeklagten (Sa Mit T*****) nicht bekannt war, dass es sich bei den angepflanzten Pflanzen um Cannabiskraut gehandelt hat" (S 21/II) zu Recht abgelehnt.

Nach gefestigter Rechtsprechung muss im Beweisbegehren, soweit dies nicht auf der Hand liegt, angegeben werden, aus welchen Gründen zu erwarten ist, dass die Durchführung des angestrebten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde und inwieweit dies - sofern es nicht offensichtlich ist - für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (vgl RIS-Justiz RS0118123, RS0099453 und RS0107040). Die Begründung des Beweisbegehrens muss dabei um so eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschrittes im Lichte der übrigen Beweisergebnisse ist. Genügt ein Beweisantrag diesen Anforderungen nicht, so liegt ein unzulässiger Erkundungsbeweis vor (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Diese Anforderungen erfüllt das in Rede stehende Beweisbegehren nicht. Denn zur Vermeidung eines Erkundungsbeweises hätte es einer eingehenden Begründung bedurft, inwiefern der abgesondert verfolgte, trotz Haftbefehl flüchtige (US 11; S 18/II; ON 14) Thanh-Nguyen Q***** in der Lage sein sollte, verlässliche Auskunft zur Kenntnis des Beschwerdeführers von der Spezies der von ihm gezogenen Pflanzen zur Tatzeit zu geben.

Der Kritik in der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht das Wissen des Angeklagten, verbotene Cannabispflanzen zu ziehen, mängelfrei darauf gestützt, dass dieser (wie von ihm zugestanden) eine „typische Indoor-Aufzuchtanlage" betrieben, sich die dafür erforderliche Energie illegal beschafft und ursprünglich falsche Angaben über seinen Auftraggeber gemacht hat (US 7). Dabei vermochte der erkennende Senat die auf das Erzielen einer fortlaufenden Einnahme durch wiederkehrende Tatbegehung gerichtete subjektive Tatseite ausreichend schlüssig (vgl Ratz, aaO § 281 Rz 19) mit der (bereits durch Einsichtnahme in aktenkundige Lichtbilder erkennbaren) Professionalität der Aufzuchtanlage - die schon ihrer Natur nach zur wiederholten Erzeugung von großen Mengen Delta-9-THC bestimmt ist - sowie mit dem Umstand zu begründen, dass eine unentgeltliche Betriebsführung durch den über kein nennenswertes Vermögen verfügenden Angeklagten völlig außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liege (US 5 und 8).

Die Konstatierungen zum objektiv widerrechtlichen Entzug von Energie im Wert von mehr als 3.000 EUR und zum allgemeinen (nicht die Qualifikation betreffenden) Bereicherungsvorsatz konnten die Tatrichter der weiteren Beschwerdeargumentation zuwider aus der vom Angeklagten zugestandenen (S 6/II iVm S 288 f/I) Unterstützung des Thanh-Nguyen Q***** beim Verlegen der Stromleitung in Verbindung mit der Verwendung der entzogenen Energie für den Betrieb einer professionell geführten Aufzuchtanlage für illegale Cannabispflanzen und somit (was die innere Tatseite anlangt) aus dem daraus erkennbaren objektiven Geschehen sowie aus den als unbedenklich erachteten Aussagen des Zeugen Silvio K***** ableiten (US 7 f und US 10).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf das Vorbringen der Mängelrüge und der Behauptung, die Beweiswürdigung des Erstgerichts zur Kenntnis des Angeklagten vom Betrieb einer Cannabis-Aufzuchtanlage würde an eine „willkürliche Scheinbegründung" grenzen, sowie ferner mit dem isolierten Hinweis auf günstige Teile der Aussage des Angeklagten sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen nicht zu erwecken.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Thi Huyen N*****:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider hat der Schöffensenat den Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme „des Chinh T*****, heute genannt Fam Van C***** sowie jene des Thanh-Nguyen Q***** sowie deren Ausforschung durch die Polizei zum Beweis dafür, dass die Erstangeklagte (Thi Huyen N*****) weder Suchtgift in einer mehrfachen großen Menge erzeugt noch besessen hat", (S 21/II) sehr wohl erledigt (S 22/II). Im Übrigen wurde im Beweisantrag nicht dargelegt, weshalb die angeführten (trotz intensiver polizeilicher Ermittlungen) unbekannten bzw geflüchteten Personen (S 18/II) verlässliche Angaben zum Fehlen jedweder Suchtgiftdelinquenz der Angeklagten zu tätigen und solcherart die Beweislage zu deren Gunsten zu verändern in der Lage gewesen wären; ein Vorbringen, das angesichts der bereits zur Verfahrensrüge des Angeklagten Sa Mit T***** angeführten grundsätzlichen Anforderungen notwendig gewesen wäre. Indem sich die Mängelrüge in eigenen hypothetischen Erwägungen erschöpft, wonach die Vermögenslosigkeit der Angeklagten einer (von ihr im Übrigen gar nicht in Abrede gestellten; S 11 f/II) Anmietung des Objekts W***** entgegenstünde, spricht sie keine der Anfechtungskategorien der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO an. Insoweit waren die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sa Mit T***** im Übrigen und jene der Angeklagten Thi Huyen N***** daher zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der Angeklagte Sa Mit T***** war mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen. Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Thi Huyen N***** und Thi Thao C***** ist das Oberlandesgericht Linz zuständig (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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