OGH 13Os3/08b

OGH13Os3/08b13.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bayram T***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Innsbruck vom 16. November 2007, GZ 24 Hv 127/07a-89, sowie über dessen (implizite § 498 Abs 3 StPO) Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Bayram T***** (anklagedifform) des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er sich am 13. Februar 2007 in Innsbruck in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lassen, seinen Schwiegersohn Selim B***** durch die Abgabe zweier gezielter Schüsse aus einer Selbstladepistole der Marke Manurhin, Modell PP, Kaliber 7,65 mm, wodurch Selim B***** einen Oberschenkeldurchschuss erlitten hat, vorsätzlich zu töten zu versuchen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grunde der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Nichtigkeit aus Z 9 des § 345 Abs 1 StPO liegt vor, wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen - also der Wahrspruch (maW die Feststellungsebene) - undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist, wenn also trotz undeutlicher oder widersprüchlicher Feststellungen oder fehlender Antworten zu entscheidenden Tatsachen (im schöffengerichtlichen Verfahren § 281 Abs 1 Z 9 oder 10 StPO) den Geschworenen die Verbesserung des solcherart mangelhaften Wahrspruchs nicht aufgetragen wurde oder der Auftrag ohne Erfolg blieb (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 69).

Mit der Behauptung, die „Antworten der Geschworenen" ließen sich „logisch nicht vereinbaren", weil die Begründung für die Verneinung der Hauptfrage (nach dem Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB) zur Gänze jener für die Bejahung der (auf das Verbrechen des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB gerichteten) Eventualfrage 1 entsprach, bezieht sich der Beschwerdeführer der Sache nach gar nicht auf den Wahrspruch, also „die Antwort der Geschworenen" im Sinne der Z 9 des § 345 Abs 1 StPO, sondern deren Erwägungen in der Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO).

Logisch oder empirisch unhaltbare Begründung, maW ein Widerspruch zwischen Niederschrift (§ 331 Abs 3) und Wahrspruch ohne Verbesserungsauftrag ist aber unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe bedeutungslos, verlangt doch das Gesetz von den Laienrichtern weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht eine „anfechtungsfeste" Begründung ihres Wahrspruchs. Folgerichtig kann der Inhalt der in § 331 Abs 3 StPO bezeichneten Niederschrift nur über Anfechtung aus Z 10 des § 345 Abs 1 StPO zur Nichtigkeit führen. Einer solchen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist nämlich stets ein Verbesserungsauftrag des Schwurgerichtshofs nach Anhörung von Ankläger und Verteidiger vorgeschaltet (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 69, 71). Die Durchführung eines Moniturverfahrens wurde - aktenkonform (vgl S 19/III) - fallaktuell aber im gegebenen Zusammenhang gar nicht behauptet.

Der weitere Beschwerdeeinwand, der Umstand, dass die selben vier Geschworenen, die eine versuchte vorsätzliche Tötung nach §§ 15, 75 StGB durch den Angeklagten als nicht erwiesen ansahen (was zur Verneinung der darauf gerichteten Hauptfrage führte [§ 331 Abs 1 StPO]), gleichzeitig die Eventualfrage 1 bejahten, mache die Antworten der Geschworenen „unvereinbar", verfehlt die Ausrichtung am Verfahrensrecht, weil ein Widerspruch im Sinne des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes nur aus dem Wahrspruch als Ganzem (arg: „Antwort der Geschworenen"), nicht aber - worauf die Beschwerde abstellt - aus dem Stimmverhalten einzelner Geschworener bei Beantwortung der Fragen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0101011).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte