OGH 12Os158/07p

OGH12Os158/07p31.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ismail I***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Feldkirch vom 6. Juli 2007, GZ 23 Hv 139/07k-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen sowie das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache an das Geschworenengericht beim Landesgericht Feldkirch zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ismail I***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Dornbirn Aysegül I***** in einer Vielzahl von Angriffen

1. von Frühjahr 2002 bis 30. April 2004 mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt und durch gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben sowie

2. ab 1. Mai 2004 bis ca Februar 2005 mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs genötigt, indem er jeweils durch die Äußerung, er werde sie umbringen, wenn sie den Geschlechtsverkehr mit ihm nicht zulasse, in Aussicht stellte, er werde sie sofort töten, wenn sie seiner Forderung nicht nachkomme, ihr Schläge versetzte, teilweise auch ihren Kopf gegen eine Wand stieß, ihr fallweise die Kleider vom Leib riss, ihr mit der Hand den Mund zudrückte, sie mit der anderen Hand auf den Boden oder das Bett drückte, mit seinem Penis anschließend in ihre Scheide eindrang und den Geschlechtsverkehr durchführte, wobei eine im August 2004 begangene Tat eine Schwangerschaft der Aysegül I***** zur Folge hatte und die Taten insgesamt eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine ausgeprägte Anpassungsstörung in Form einer verlängerten depressiven Reaktion sowie eine Angsterkrankung mit Neigung zu Panikzuständen, somit eine an sich schwere, länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung zur Folge hatten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der Berechtigung zukommt.

Soweit der Nichtigkeitswerber auf einen zwar schriftlich gestellten (ON 69), in der Hauptverhandlung aber nicht vorgebrachten Beweisantrag Bezug nimmt, stellt er sein Vorbringen auf kein der Anfechtung nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO zugängliches Begehren ab. Zwar legt der weitere, in der Verfahrensrüge (Z 5) pauschal erhobene Einwand einer „Beschneidung von Verteidigungsrechten" nicht dar, auf welchen der von Abweisung betroffenen und in der Hauptverhandlung gestellten Anträge sich dieses Vorbringen bezieht. Dessen ungeachtet bringt der Beschwerdeführer jedenfalls in der Tatsachenrüge (Z 10a) hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er auch die Abweisung seines in der Hauptverhandlung vorgebrachten Begehrens auf Einvernahme der Zeugen Dr. Maria A*****, Dr. Maria F*****, Dr. Clemens P*****, Dr. Bernhard M*****, Dr. Sabine F*****, Dr. Cornelia S*****, Dr. Robert Z***** und Dr. Gero H***** bekämpft, die er zum Beweis dafür beantragte, dass die Privatbeteiligte entgegen ihrer Zeugenaussage tatsächlich ein Kind vom Angeklagten wollte (S 200/II). Der Nichtigkeitswerber verweist zutreffend darauf, dass Aysegül I***** anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung vom 31. Jänner 2007 deponiert hatte, dass sie vom Angeklagten keine Kinder bekommen wollte (S 495/I) und dass sie ab dem Frühjahr 2002 mit dem Rechtsmittelwerber freiwillig keinen Geschlechtsverkehr mehr vollzogen habe (S 490/I).

Soweit die Generalprokuratur in ihrer ablehnenden Stellungnahme vermeint, dass der Nichtigkeitswerber nicht dargelegt habe, weshalb ein gegenüber den behandelnden Ärzten erklärter Kinderwunsch eindeutige Rückschlüsse auf die tatsächliche innere Einstellung der Belastungszeugin zulasse, ist ihr zu entgegnen, dass es dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die im vorliegenden Fall zentrale Position der im Verfahren nach kontradiktorischer Vernehmung unter Berufung auf § 152 Abs 1 Z 2 und Z 2a StPO aF nicht mehr aussagenden Ehefrau möglich sein muss, Beweise zur aus seiner Sicht fehlenden Glaubwürdigkeit der ihn massiv belastenden Zeugin in die Hauptverhandlung einzubringen. Dies insbesondere dann, wenn - wie hier - das Beweisthema im engen Konnex zur inkriminierten Tathandlung steht, weil ein angeblich mehrfach geäußerter Kinderwunsch der Privatbeteiligten gegenüber diesbezüglich aufgesuchten Ärzten mit der Behauptung ständig wiederkehrender Vergewaltigungen in einem zumindest aufklärungsbedürftigen Widerspruch stünde. Ob eine solche Deklaration gegenüber den behandelnden Medizinern - wie von der Generalprokuratur unterstellt - mit einer Mentalreservation der Privatbeteiligten einhergegangen sei, wäre hingegen von den Geschworenen nach Beweisaufnahme über allenfalls entsprechende Äußerungen der Aysegül I***** zu beurteilen.

Durch die Abweisung dieses Begehrens wurden daher Verteidigungsrechte des Ismail I***** hintangesetzt. Dies zwingt zur Aufhebung des Wahrspruchs und des darauf beruhenden Urteils (§§ 285e, 344 StPO). Die Strafsache war daher zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Feldkirch zu verweisen (§ 349 Abs 1 StPO).

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeeinwände. Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass für den Fall mehrerer gleichwertiger sexueller Übergriffe nach § 201 Abs 1 StGB, die für eine der Folgen nach § 201 Abs 2 StGB ursächlich wurden, diese Erfolgsqualifikation nur bei einer dieser Taten angelastet werden dürfte (vgl RIS-Justiz RS0120828).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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