OGH 11Os159/07b

OGH11Os159/07b29.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 5. Oktober 2007, GZ 24 Hv 160/07d-70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A.) und des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB (B.) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt sowie gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er in Imst

A. am 18. Februar 2007 Josefine K***** mit Gewalt zur Vornahme und Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie „mit beiden Händen am rechten Oberarm packte und festhielt, sie mit sich in eine Seitenstraße zerrte, ihr nach ihrer Weigerung, an ihm den Oralverkehr zu vollziehen, eine heftige Ohrfeige versetzte, sie wiederum anwies, an ihm den Oralverkehr zu vollziehen, wobei er mit seinem Penis in ihren Mund eindrang, sie weiters anwies, ihn am After und an den Hoden zu lecken und mit ihren Fingern in seinen Anus" (einzudringen, seinerseits mit seinen Fingern in ihre Scheide und ihren Anus eindrang; US 12) sowie den Analverkehr an ihr vollzog;

B. zwischen 17. und 19. Februar 2007 den Verfügungsberechtigten der Fa W***** fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 EUR nicht übersteigenden Wert, nämlich einen Flachmeißel und einen „Maurerfäustel", mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mit einen Pickel die Türe eines Baucontainers aufbrach.

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich nur gegen den Schuldspruch zu A. richtet sich die auf Z 4, 5a und 11 (teils iVm Z 5) des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Sie verfehlt ihr Ziel. Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden die in der Hauptverhandlung vom 5. Oktober 2007 gestellten Beweisanträge (S 44 f/III) zu Recht abgewiesen. Der Antrag auf „Beischaffung der Fragebögen des Subgutachters Dr. Martin Thurner sowie dessen Einvernahme zur Erörterung seines Gutachtens" zum Beweis dafür, dass „die Täterschaft des Angeklagten ausgeschlossen ist", ließ nicht erkennen, weshalb die beantragte Beweisführung das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS-Justiz RS0099453). Auch hat der Antragsteller keine Mängel von Befund und Gutachten iSd §§ 125 f StPO aF aufgezeigt, die eine Erörterung in der Hauptverhandlung erforderlich gemacht hätten (RIS-Justiz RS0117263).

Das den Antrag ergänzende Vorbringen im Rechtsmittel ist unzulässig, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Eine Beweisführung mit dem Ziel, abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten ist, ist im Stadium der Hauptverhandlung nicht zulässig (RIS-Justiz RS0118123). Insofern handelte es sich bei den Anträgen auf Vernehmung der Beamten des Landeskriminalamts Innsbruck A***** und K***** „zur Abklärung, wann wie viele Fotos und zu welchem Zweck Fotos vor der Einvernahme des Angeklagten angefertigt wurden" sowie auf „kriminaltechnische Untersuchung der sichergestellten Cowboystiefel des Angeklagten sowie der Handtasche des Opfers, und zwar hinsichtlich allfälliger Abdruckspuren und DNA-Spuren", um Erkundungsbeweise, deren Durchführung zu Recht abgelehnt wurde.

Eine ergänzende kontradiktorische Vernehmung der Zeugin K***** scheiterte schon an ihrer unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Weigerung, in der Hauptverhandlung auszusagen (S 173/II; § 152 Abs 1 Z 2a StPO aF). Einen diesbezüglichen Sinneswandel der Zeugin hat der Beweisantrag nicht einmal behauptet. Welchen Beitrag zur Lösung der Schuldfrage eine neuerliche Gegenüberstellung mit dem Angeklagten, dem dabei erlaubt werden solle, seine Ringe, Halsketten und Armbänder zu tragen, und auf dessen Tätowierung im Bauchbereich hinzuweisen sei, leisten könnte, blieb gleichfalls unklar, zumal die Zeugin angegeben hat, dass der Täter vermummt war und sie seinen Bauch nicht sehen konnte (S 173, 189/II).

Da der Schöffensenat es ohnehin als erwiesen ansah, dass die am Tatort vorgefundenen Haare samt Haarwurzeln weder vom Angeklagten noch vom Tatopfer stammten (S 49f/III), blieb schließlich auch der Antrag auf DNA-Untersuchung dieser Präparate zu Recht erfolglos (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 342).

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftssätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahe legen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die vorliegenden Indizien, die zur Identifizierung des Angeklagten herangezogen wurden, bloß selektiv hervorhebt und deren Beweiskraft eigenständig bewertet, gelingt es ihr nicht, solche erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken, zumal sich die Tatrichter ausführlich mit dem Für und Wider der vorgeführten Beweismittel auseinandergesetzt haben (US 16 ff).

Die Sanktionsrüge bekämpft die Sachverhaltsermittlung in Bezug auf die für eine Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB erforderliche Prognosetat (Z 11 zweiter und dritter Fall iVm Z 5), übersieht aber, dass nicht die Korrektheit der Feststellung von Strafzumessungstatsachen, sondern nur deren rechtsfehlerhafte Beurteilung nichtigkeitsrelevant ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680). Insoweit sie dabei die Gefährlichkeit des Angeklagten bestreitet, bringt sie lediglich einen Berufungsgrund vor.

Tatbestandsmerkmale, aber auch deliktstypische oder mit der Deliktsverwirklichung notwendig verbundene Umstände sind für die Strafzumessung verbraucht, wenn sie bei der Festsetzung der Strafdrohung mitberücksichtigt wurden und diese daher (mit-)bestimmen (Ebner in WK² § 32 Rz 60 f). Die Erfüllung mehrerer Varianten des Tatbestands der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und die Nötigung zur Duldung und Vornahme weiterer geschlechtlicher Handlungen konnten daher - da diese Umstände die Strafdrohung nicht bestimmen - ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB als erschwerend gewertet werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Angeklagten - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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