OGH 13Os97/07z

OGH13Os97/07z16.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter G***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 23. April 2007, GZ 39 Hv 77/07h-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter G***** jeweils einer unbestimmten Zahl von Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 (I/1) und von Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (I/2, II/1 bis 3) schuldig erkannt.

Danach hat er in I*****, M*****, W***** und anderen Orten

I. zwischen „Anfang 2003" (gemeint: 16. März 2003, dem Zeitpunkt der Eheschließung zwischen der Kindesmutter und dem Angeklagten) und Ende 2004

1. außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an seiner am 3. August 1992 geborenen, somit unmündigen Stieftochter Julia K***** vorgenommen, indem er ihr wiederholt, und zwar etwa drei Mal pro Woche, unter der Oberbekleidung auf die nackten Brüste griff;

2. durch die zu I/1 beschriebenen Handlungen mit seiner minderjährigen, seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Stieftochter Julia K***** „geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw diese unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber zur Unzucht missbraucht";

II. mit seiner am 21. Februar 1987 geborenen, somit minderjährigen, seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Stieftochter Sara K***** „geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw diese unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber zur Unzucht missbraucht", und zwar

1. zwischen „Anfang 2003" (gemeint: 16. März 2003) und 20. Februar 2005, indem er sie beinahe täglich unter ihrer Oberbekleidung „intensiv auf ihren Brüsten abgriff und an ihren Brustwarzen drehte";

2. im Frühjahr 2004, indem er für ca 10 bis 15 Minuten bis zu drei Finger in ihre Scheide einführte;

3. im Herbst 2004, indem er sie während einer Fahrt von I***** nach W***** aufforderte, ihre Oberbekleidung abzulegen, und er dann ihre Brüste abgriff.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten der Sache nach aus Z 5, nominell auch aus Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Was es im Einzelnen bedeutete, dass der Angeklagte gegenüber seinen Stiefkindern „die Vaterrolle" einnahm, wie die Tatrichter feststellten (US 6), ist entgegen dem Einwand der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) für die Subsumtion seines zu I/2 und II/1 bis 3 festgestellten Verhaltens unter § 212 Abs 1 Z 1 StGB nicht entscheidend, kommt es doch in Betreff der Subjektqualität nach dieser Bestimmung nur auf die Eigenschaft als - hier: - Stiefvater der zur Tatzeit minderjährigen Opfer an. Eines bestimmten Rollenverständnisses, etwa in der angesprochenen Richtung, bedarf es zur Tatbestandserfüllung keineswegs.

Ebenso wenig kommt es der Beschwerdemeinung (Z 5 erster Fall) zuwider nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB auf ein Ausnützen eines Autoritätsverhältnisses an. Die Bestimmung geht vielmehr schon ihrer Konzeption nach davon aus, dass sich das Autoritätsverhältnis (hier: Stiefvater - Stieftochter) willenseinschränkend ausgewirkt hat (Kienapfel/Schmoller StudB BT III §§ 212-213; idS ersichtlich auch Schick in WK² § 212 Rz 1 aE, 9).

Demnach gingen die Urteilsannahmen, wonach es dem Angeklagten darauf ankam, „unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber seiner Stieftochter geschlechtliche Handlungen an dieser vorzunehmen bzw diese zur Unzucht zu missbrauchen" (US 7 unten, vgl auch US 6 oben), über das zur Tatbestandserfüllung nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (I/2, II/1 bis 3) Erforderliche hinaus. Die daran (erneut aus Z 5 erster Fall) geübte Kritik releviert demnach auch in diesem Punkt keine für den Schuldspruch oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidende Tatsache.

Indem der Beschwerdeführer damit argumentiert, dass eine „generell einheitliche" Stellung als Stiefvater „sicher nicht" bestehe und (die Bezugnahme im Urteil auf) eine solche Stellung „im Hinblick auf das maßgebliche Kriterium eines Abhängigkeitsverhältnisses bzw einer Über- und Unterordnung kein inhaltliches Substrat zum Ausdruck" bringt, wendet er sich der Sache nach gegen die gesetzliche Konzeption, die in § 212 Abs 1 Z 1 StGB zwar auf bestimmte Täterkreise, aber nicht darauf abstellt, wie eines der dort bezeichneten Autoritätsverhältnisse im Einzelfall gestaltet ist. Entgegen dem weiteren Vorbringen (nominell Z 5 a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) wurde die Aussage des Zeugen Marco I***** in der Hauptverhandlung, er habe etwa drei Monate mit Anna G***** zusammengelebt und sei von ihr - aktenwidrig heißt es in der Beschwerde auch, von den Stieftöchtern - nach der Trennung beschuldigt worden, 10.000 S und den PKW gestohlen und in der Wohnung „durchgedreht" zu haben, worauf er angeklagt, aber freigesprochen worden sei (S 321 f/I), dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend ohnehin erörtert (US 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte