OGH 6Ob271/07g

OGH6Ob271/07g12.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. Stefan P*****, 2. Die F*****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KEG in Klagenfurt, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 16.620 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 10. Oktober 2007, GZ 6 R 169/07f-19, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerber weisen zutreffend darauf hin, dass die beanstandeten Äußerungen nach Inhalt und Gesamtzusammenhang als Werturteile betrachtet werden können. Auch Werturteile sind aber nur dann durch das Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt, wenn sie auf ein im Kern wahres Tatsachensubstrat zurückgeführt werden können und die Äußerung nicht exzessiv gebraucht wird (RIS-Justiz RS0032201 [T11, T15, T16]).

Der EGMR räumt der Meinungsäußerungsfreiheit im Zusammenhang mit einer politischen Auseinandersetzung und in Fragen des öffentlichen Interesses breiten Raum ein. Seine Rechtsprechung hat Eingang in die österreichische Judikatur gefunden (siehe RIS-Justiz RS0115541; 6 Ob 296/02a; 6 Ob 159/06k = MR 2006, 363; die letztgenannte Entscheidung ist in der Literatur auf Widerstand gestoßen, vgl die Glosse von Korn MR 2006, 364).

Der EGMR hat aber jüngst auch ausgesprochen (Urteil vom 15. 11. 2007, Pfeifer gegen Österreich Beschwerde-Nr 12.556/03), dass ein Werturteil, das weit über das hinausgeht, was vernünftigerweise auf den Tatsachenkern zurückgeführt werden kann, exzessiv ist und die Grenzen der nach Art 10 MRK zulässigen Kritik überschreitet. Er hat in diesem Fall Österreich deshalb verurteilt, weil das österreichische (Straf-)Gericht den Beschwerdeführer nicht gegen eine derart exzessive Kritik geschützt hatte.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Annahme des Vorliegens eines Wertungsexzesses unter Berücksichtigung des im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalts keine krasse Fehlbeurteilung. Der strafrechtlich relevante Vorwurf der Bilanzfälschung bzw Bilanzmanipulation wird im Zusammenhang mit der Verbuchung von Digitalisierungskosten gebraucht. Tatsächlich fand eine Umbuchung dieser Kosten (nur) statt, um eine frühere unrichtige Zuordnung zum Vorteil der Mieter zu ändern. Die Bewertung eines derartigen Vorgangs als „Bilanzfälschung" oder „Bilanzmanipulation" als exzessiv bedeutet unter Berücksichtigung der jüngst ergangenen Rechtsprechung des EGMR keine krasse Fehlbeurteilung, die im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufgegriffen werden müsste. Gleiches gilt für den weiteren, auf „verbrecherische" Methoden hinweisenden Vorwurf „rote Mietenmafia" bzw „Teil der roten Mietenmafia". Auch dieser Vorwurf geht weit über das hinaus, was der Leser auf den Tatsachenkern zurückführen kann.

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