OGH 12Os119/07b

OGH12Os119/07b15.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 28. Juni 2007, GZ 73 Hv 1/07g-116, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er Birgit H***** mit fünf massiv geführten Messerschnitten gegen den Hals, wodurch Halsweichteile und Gefäße bis zur Halswirbelsäule durchtrennt worden waren, vorsätzlich getötet hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 6, 8, 9, 10, 10a, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Der Einwand der Fragenrüge (Z 6), die Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes enthalte keinen Hinweis darauf, dass der Tatbestand des § 75 StGB dann nicht erfüllt ist, wenn sich der Täter in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lässt, einen anderen zu töten, lässt die gebotene Ausrichtung am Gesetz vermissen. Die Beschwerde legt nämlich nicht dar, aus welchem Grund der angesprochene Zusatz erforderlich gewesen sein soll, obwohl er nicht Teil des Wortlautes des § 75 StGB ist und § 312 Abs 1 StPO auf der Tatbestandsebene ausdrücklich die Aufnahme (nur) der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung verlangt, die der Anklage zugrunde liegt.

Da die Rüge aus Z 9 auf dem Vorbringen der Fragenrüge basiert, ist sie einer meritorischen Erledigung schon vom Ansatz her nicht zugänglich.

Hinzu kommt, dass sich Z 9 gerade nicht auf die Fragestellung, sondern nur auf die Antwort der Geschworenen bezieht, aus welchem Grund Fehler der Fragestellung unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgreich gerügt werden können (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 76). Mit dem auf Z 10 gegründeten Einwand, der Schwurgerichtshof wäre infolge eines mangelhaften Wahrspruchs der Geschworenen verpflichtet gewesen, das Moniturverfahren einzuleiten (§ 332 Abs 4 StPO), orientiert sich die Beschwerde nicht am Wortlaut des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Z 10 sieht die angesprochene Vorgangsweise nämlich nur dann vor, wenn der Schwurgerichtshof den Geschworenen die Verbesserung des Wahrspruchs gegen den Widerspruch des Beschwerdeführers mit Unrecht aufgetragen oder, obgleich ein oder mehrere Geschworene ein bei der Abstimmung unterlaufenes Missverständnis behauptet haben, mit Unrecht nicht aufgetragen hat, was hier nicht vorgebracht wird.

Auch die Instruktionsrüge (Z 8) entzieht sich einer inhaltlichen Antwort, weil sie sich auf die infolge Bejahung der Hauptfrage nicht zu beantwortende Eventualfrage (nach dem Verbrechen des Totschlags) bezieht. Bei dieser Konstellation wäre die Rüge nur dann gesetzesgemäß ausgeführt, wenn sie das Vorbringen enthalten würde, der relevierte Fehler habe sich auf die Beantwortung der Hauptfrage ausgewirkt (zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 345 Rz 63), wogegen fallbezogen die Beschwerde sogar ausdrücklich davon ausgeht, dass dies unerheblich sei.

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 10a) ist der Umstand, dass die Beratung der Geschworenen „nur" rund zwanzig Minuten gedauert hat (S 346/V), per se nicht geeignet, Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Dabei sei insbesonders auch darauf hingewiesen, dass die Anklage nur einen einzigen Tatvorwurf gegen einen Beschuldigten enthält (ON 93) und dass die Geschworenen nur mit einer Hauptfrage und zwei - infolge deren Bejahung letztlich nicht zu beantwortenden - Eventualfragen konfrontiert gewesen sind.

Die Beschwerdeausführungen zur angeblichen Beeinträchtigung der Entscheidungsfindung durch die Argumentation der Staatsanwaltschaft und zum persönlichen Umfeld des Beschwerdeführers haben mangels Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse auf sich zu beruhen. Die - übrigens auch ohne Bezug zum Akteninhalt vorgetragene - Behauptung, Teile des Gutachtens der psychiatrischen Sachverständigen sprächen für die Annahme einer nach § 76 StGB privilegierenden Gemütsbewegung, trifft nicht zu. Die Sachverständige gelangt zwar zu dem Ergebnis, dass die Tat eine emotionale Handlung gewesen und dass die Gewaltschwelle des Beschwerdeführers aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung herabgesetzt sei (s insbes S 338/V iVm S 69/V; S 339/V). Der Schluss auf eine allgemein begreifliche, heftige Affektlage wird hiedurch aber keineswegs nahegelegt. Im Übrigen erschöpft sich die Tatsachenrüge in der eigenständigen Bewertung einzelner Beweisergebnisse, womit sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung wendet.

Der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 12), der Wahrspruch der Geschworenen enthalte keine Feststellungen zum Nichtvorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung (der Sache nach Z 11), orientiert sich nicht am Wortlaut des § 75 StGB, der dieses (negative) Tatbestandselement nicht enthält.

Soweit die Beschwerde - ausgehend von der Prämisse, die angesprochene Affektlage sei vorgelegen - eine Verurteilung nach § 76 StGB anstrebt, entfernt sie sich vom Wahrspruch der Geschworenen (US 2). Die Behauptung der Sanktionsrüge, das Geschworenengericht habe durch den Ausspruch der lebenslangen Freiheitsstrafe seine Strafbefugnis überschritten (Z 13 erster Fall), trifft nicht zu (s § 75 StGB). Der Einwand, das Erstgericht habe bei der Strafbemessung für diese nach dem Gesetz irrelevante Umstände berücksichtigt (Z 13 zweiter Fall), lässt den Bezug zur Aktenlage vermissen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte