OGH 9ObA75/07f

OGH9ObA75/07f22.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Gruböck & Gruböck Rechtsanwälte OEG in Baden, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert EUR 10.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2007, GZ 9 Ra 11/07i-20, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. September 2006, GZ 5 Cga 57/06p-16, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem nicht angefochtenen klagsabweisenden Teil als Teilurteil unberührt bleibt, wird im Übrigen aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung

Am 26. 11. 2005 waren im hier maßgeblichen Stadttheater einige Techniker zuerst für die Probe des Stückes „Luna" und danach zur Vorbereitung der Aufführung der Oper „Fledermaus" eingeteilt sowie nach deren Ende zum Abbau der Kulissen und zur Vorbereitung für den am nächsten Tag folgenden Aufführungsbetrieb. Von der Gesamtarbeitszeit von 8 Stunden entfielen 2,5 Stunden auf die Zeit von 8.00 bis 10.30 Uhr und 5,5 Stunden auf die Zeit von 18.30 bis 24.00 Uhr.

Am 21. 3. 2006 waren die Bühnentechniker eingeteilt, die Aufführung „Evita" vorzubereiten, durchzuführen und abzubauen und für die am nächsten Tag beginnende Probe eines Stückes Arbeiten zu verrichten. Es wurden dann auch noch nach der Vorstellung bestimmte Arbeiten für die am nächsten Tag stattfindende Beleuchtungsprobe erbracht. Bis Dezember 2004 wurde keine Erschwerniszulage geleistet, wenn an einem Tag Tätigkeiten für eine an diesem Tag stattfindende Vorstellung und gleichzeitig auch Tätigkeiten für eine Aufführung oder Probe für eine Vorstellung an einem anderen Tag erbracht wurden, wobei jedoch ein Dienstplan, der dies vorgesehen hätte, nicht erlaubt wurde.

Der klagende Betriebsrat begehrte zuletzt im Wesentlichen die Feststellung, dass sowohl dann, wenn zusätzlich zu den Arbeiten für eine Aufführung an einem Tag Arbeiten für eine Probe am nächsten Tag oder Arbeiten für eine Aufführung am nächsten Tag erbracht werden, die Erschwerniszulage nach § 28 Z 5 lit c des unstrittig anzuwendenden Kollektivvertrages, abgeschlossen zwischen dem Theaterhalterverband österreichischer Bundesländer und Städte sowie der Gewerkschaft, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe Sektion Technik (im Folgenden nur Kollektivvertrag), zustünde. Der Kollektivvertrag regle in seinem § 28 Z 5 die „erweiterte" Leistungspflicht. Nach der in der Vergangenheit etablierten betrieblichen Übung seien auch dann die Zuschläge nach § 28 Z 5 lit c des Kollektivvertrages zu bezahlen, wenn nach dem Ende der Vorstellung noch Vorbereitungsarbeiten für eine nächste Vorstellung am nächsten Tag oder eine Probe stattfänden. Die Vorbereitungsarbeiten seien auch praktisch zur Gänze erbracht worden. Es sei auch keinesfalls erforderlich, dass vollständige Vorbereitungsarbeiten vorliegen würden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, nach dem Zweck und der Systematik des § 28 Z 5 des Kollektivvertrages gebühre der Zuschlag nur dann, wenn zwei zu verschiedenen Zeiten ablaufende Vorstellungen an einem Tag stattfinden. Hier sei jedoch nur eine Vorstellung pro Tag abgelaufen. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung werde auch von allen Theatern so gehandhabt, sodass ein entsprechender Bühnenbrauch bestehe. Die Auslegung des klagenden Betriebsrates würde dazu führen, dass immer dann, wenn zusätzliche Arbeiten für irgendwelche Vorstellungen oder Proben an späteren Tagen erfolgten, die „Erschwerniszulage" zustehen würde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Es folgerte rechtlich im Wesentlichen, dass sich aus der lit c des § 28 Z 5 des Kollektivvertrages ergebe, dass einem Dienstnehmer eine Erschwerniszulage gebühre, wenn er an einem Tag für zwei zu verschiedenen Zeiten ablaufende Vorstellungen tätig sei, worunter aber auch der Fall zu subsumieren sei, dass eine Vorstellung am nächsten Tag stattfinde. Wollte man davon ausgehen, dass beide Vorstellungen am gleichen Tag stattfinden, so wäre die lit d, die darauf abstelle, dass die Vorstellung gleichzeitig stattfinde, nicht erforderlich, ebenso wenig die lit e.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und wies das Klagebegehren hinsichtlich der Feststellung des Anspruches auf die Erschwerniszulage für Fälle, in denen am nächsten Tag eine Probe stattfindet, ab, bestätigte es jedoch dahin, dass die Erschwerniszulage auch dann gebührt, wenn die Vorstellung nicht am selben Tag stattfindet. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Wortlaut des § 28 Z 5 lit c des Kollektivvertrages, wonach die beiden Vorstellungen „zu verschiedenen Zeiten" stattfinden müssten, nicht darauf abziele, dass die Vorstellungen am selben Tag stattfinden. Auch ändere es für die Erschwernis für die Arbeitnehmer nichts, wenn die Vorstellung erst am nächsten Tag stattfinde. Wollte man die Regelung anders interpretieren, so hätte die Passage hinsichtlich des „Abbaues" keinen Sinn. Hinsichtlich des abweisenden Teiles verwies das Berufungsgericht auf den Wortlaut, der eben nur Vorstellungen, nicht aber auch Proben umfasse.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht im Hinblick auf das Vorliegen einer Auslegungsfrage zu einem Kollektivvertrag als zulässig. Die gegen den klagsstattgebenden Teil der Berufungsentscheidung erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt. Der hier unstrittig anzuwendende Kollektivvertrag zwischen dem Theaterhalterverband österreichischer Bundesländer und Städte sowie der Gewerkschaft, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe regelt vorweg in einem allgemeinen Teil in § 6 die Leistungspflicht und stellt dabei im Wesentlichen auf den Dienstvertrag ab, hält aber auch fest, dass Dienstnehmer mit Vorstellungsverpflichtungen 15 Minuten vor dem geplanten Vorstellungseinsatz und 15 Minuten danach für anderweitige Tätigkeiten nicht herangezogen werden dürfen. Zur Arbeitszeit bestimmt § 8, dass die Lage der Arbeitszeit und deren Verteilung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zu regeln ist.

Nach § 9 des Kollektivvertrages beträgt die wöchentliche Normalarbeitszeit 38 Stunden und die tägliche Normalarbeitszeit zwischen 5 und höchstens 9 Stunden. Weiters sind Fragen der Durchrechnung geregelt. Für die Mehrarbeitsstunden finden sich dann in § 14 und für Überstundenarbeit im § 15 des Kollektivvertrages Regelungen. § 14 des Kollektivvertrages legt einen 50 %igen Zuschlag für Mehrarbeitsstunden fest; § 15 Z 4 des Kollektivvertrages bestimmt für die erste und die zweite Überstunde neben dem Normalstundensatz einen Zuschlag von 50 %, für weitere Überstunden ein Zuschlag von 100 %. Für Arbeitsleistungen an Ruhetagen oder Feiertagen werden weitere Zuschläge festgelegt (§ 15 Z 5 und 6).

Im besonderen Teil findet sich dann der hier maßgebliche § 28 für das „Vorstellungspersonal". Dieser legt zuerst die Lohngruppen fest. Er verweist hinsichtlich der Arbeitszeiteinteilung ebenfalls wieder auf die Betriebsvereinbarung. Die hier maßgebliche Z 5 des § 28 lautet wie folgt (Hervorhebungen nicht im Originaltext):

„5.) Erweiterte Leistungspflicht:

Jeder Dienstnehmer des Vorstellungspersonals kann für die in lit a, b, c, d, e und f angeführten Leistungen herangezogen werden und erhält dafür Erschwerniszulagen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen; diese Erschwernisabgeltungen können mittels BV auch pauschal erfolgen.

a) Für den Transport von Klavieren und anderen Tasteninstrumenten, deren Gewicht 100 kg übersteigt, sowie für den Transport von Harfen, gebührt jedem der dazu beauftragten Dienstnehmer, wegen der besonderen Sorgfalt und damit verbundenen Erschwernis eine Erschwerniszulage.

b) Für Arbeiten auf offener Bühne vor Publikum gebührt dem Dienstnehmer bei Generalproben und Vorstellungen eine Erschwerniszulage.

c) Wird ein Dienstnehmer an einem Tag zum Aufbau, zur Durchführung oder zum Abbau für zwei zu verschiedenen Zeiten ablaufende Vorstellungen herangezogen, gebührt ihm - auf Grund der damit verbundenen Erschwernis - eine Erschwerniszulage in Höhe von zwei um einen 100 %igen Zuschlag vermehrten Normalstundensätzen.

d) Wird ein Dienstnehmer an einem Tag für zwei ganz oder zum Teil gleichzeitig ablaufende Vorstellungen herangezogen, so gebührt ihm - auf Grund der damit verbundenen Erschwernis - eine Erschwerniszulage in der Höhe von um einen 100 %igen Zuschlag erhöhten Normalstundensatz.

e) Wird ein Dienstnehmer zu einer dritten Vorstellung oder einer weiteren Vorstellung am gleichen Tag herangezogen, gelten die Bestimmungen von lit c und d sinngemäß.

f) Steht einem dem Vorstellungspersonal angehörenden Dienstnehmer zwischen 12.00 und 16.00 Uhr eine Mittagszeit von mindestens zwei Stunden nicht zur Verfügung, gebührt ihm eine Erschwerniszulage."

Die Höhe der Zulagen für a), b) und f) sind im lohnrechtlichen Teil dieses Kollektivvertrages zu regeln.

Kollektivverträge sind entsprechend den §§ 6 und 7 ABGB wie Gesetze auszulegen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung und einen gerechten Ausgleich zwischen sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (vgl RIS-Justiz RS0008828 mwN etwa auch 8 ObA 126/04v). Die Auslegung hat grundsätzlich auch anzustreben, dass keine nicht erklärbaren Ungleichbehandlungen zwischen den Normadressaten auftreten (vgl RIS-Justiz RS0008897 mwN etwa 8 ObA 41/04a). Auch ist im Auge zu behalten, dass der Kollektivvertrag regelmäßig einen Kompromiss beim Ausgleich der gegenläufigen Interessen der Kollektivvertragsparteien darstellt (RIS-Justiz RS0008807 mwN). Primärer Ausgangspunkt der Interpretation bleibt der Wortlaut des Kollektivvertrages und die sich daraus ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien (RIS-Justiz RS0010089 mwN, 8 ObA 126/04a). Betrachtet man nun die Regelungen der hier maßgeblichen Kollektivvertragsbestimmungen des § 28, die auf das Vorliegen mehrerer Vorstellungen abzielen, so findet sich dabei in den lit c, d und e jeweils die Festlegung einer Erschwerniszulage, die mit um 100 % erhöhten Normalstundensätzen festgelegt wird. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht erkannt, dass zwischen der Regelung c) und d) schlichtweg der Unterschied besteht, dass bei d) zwei Vorstellungen gleichzeitig ablaufen müssen, während dies bei der Regelung in § 28 Z 5 lit c nicht der Fall ist. Diese drei Regelungen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang und sind teilweise ohne die andere Regelung inhaltlich kaum verständlich. So wird etwa in der Regelung des § 28 Z 5 lit d nicht festgelegt, wofür die Dienstnehmer an einem Tag herangezogen werden müssen, ebenso in der Regelung der lit e. Dabei wird offensichtlich auf die Regelung der lit c abgestellt also „zum Aufbau, zur Durchführung oder zum Abbau". Fügt man aber diese inhaltliche Ausgestaltung in die lit d ein, ist der Satzaufbau beinahe gleichlautend zur lit c was die zeitliche Bestimmung anlangt, weil in beiden Regelungen darauf abgestellt wird, dass die Dienstnehmer „an einem Tag entweder für zu verschiedenen Zeiten" (lit c) oder für „gleichzeitig ablaufende" (lit d) Vorstellungen herangezogen werden. Noch deutlicher wird dies bei der lit e der Z 5 des § 28 des Kollektivvertrages („dritte Vorstellung" am gleichen Tag). Die systematische Auslegung spricht also dafür, dass die Vorstellungen am gleichen Tag stattfinden müssen. Im Wesentlichen lassen sich die Regelungen auch nicht aus einer höheren zeitlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer erklären, weil es die Kollektivvertragsparteien - wie oben dargestellt wurde - auch sonst durchaus verstanden haben, auf genaue zeitliche Grenzen (Normalarbeitszeit, Überstundenarbeit) abzustellen. Auch wäre es ausgehend von der zeitlichen Belastung unverständlich, warum etwa bei ganz kurzen Vorstellungsrhythmen bei sehr geringen Arbeitszeiten die Zuschläge gebühren sollten und bei anderen sehr langen Vorstellungen nicht. Die zeitliche Komponente kann also nicht als ausschlaggebend erachtet werden. Ebenso wenig kann es aber auch die Erschwernis durch eine besondere Dichte der Arbeit sein, weil diese pauschal betrachtet in der lit d, wenn zwei Vorstellungen gleichzeitig laufen, höher sein wird als in der lit c, wo die Vorstellungen hintereinander stattfinden. Im Ergebnis lassen sich die Regelungen im Zusammenhang nach dem Wortlaut am ehesten noch dahin verstehen, dass dann, wenn an einem Tag zwei Vorstellungen hintereinander auf der gleichen Vorstellungsstätte stattfinden, dies pauschal betrachtet für eine besonders günstige Auslastung dieser Vorstellungsstätte und damit für eine besonders günstige Kostenstruktur spricht. Wie dargestellt hat der Kollektivvertrag „Kompromisscharakter". Es werden regelmäßig auch Interessen der Arbeitgeberseite und damit auch der wirtschaftlichen Ertragskraft mit einfließen. Die Regelungen können somit sinnhaft dahin verstanden werden, dass bei besonders günstiger Auslastung dementsprechend auch Erschwerniszulagen gezahlt werden können, die sogar höher sind, als wenn man zwei Spielstätten benötigt, um die Vorstellungen „gleichzeitig" abzuwickeln (lit d). Ausgehend davon erweist sich jedoch eine Ableitung des Klagebegehrens aus § 28 Z 5 lit c des Kollektivvertrages als nicht möglich.

Im Ergebnis ungeprüft blieb jedoch die vom Kläger geltend gemachte Betriebsübung. Wurde die dahingehende Feststellung des Erstgerichtes doch auf die Zeit bis Dezember 2004 eingeschränkt sowie dahin, dass es einen Dienstplan, der eine derartige Arbeitseinteilung vorgesehen hätte, nicht gegeben habe.

Dies wird mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren noch zu erörtern sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 2 ASGG und 52 ZPO.

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