OGH 14Os60/07s

OGH14Os60/07s28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dietmar L***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 23. Februar 2007, GZ 23 Hv 250/06g-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Dietmar L***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (A 1.), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (A 2.) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (B) sowie der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 3 StGB (A 3.) schuldig erkannt.

Demnach hat er in einer Vielzahl von Angriffen jeweils an den Wochenenden von 1987 bis etwa Anfang Dezember 1990 in Tschagguns

A) dadurch, dass er mit seiner am 20. Dezember 1976 geborenen

leiblichen Schwester Michaela L***** nach Niederdrücken auf ihr Bett sowie Zudrücken des Mundes trotz ihrer Weigerung und Gegenwehr einen Geschlechtsverkehr durchführte, wodurch sie eine bis heute andauernde schwere posttraumatische Belastungsstörung mit Zeichen einer Anpassungsstörung mit Symptomen einer Angst- und depressiven Reaktionslage erlitten hat, jeweils in Tateinheit

1. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB aF (BGBl 1989/242) eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt;

2. mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, verbunden mit einer Gesundheitsschädigung in der Dauer von länger als 24 Tagen, zur Folge hatte;

3. mit seiner Schwester den Beischlaf unternommen;

B) Michaela L***** durch die Äußerung, sie im Falle der Mitteilung an

ihre Eltern oder an Dritte wegen der unter Punkt A) des „Anklage-"(gemeint: Urteils-)satzes angeführten Straftaten „auf die Seite zu räumen" bzw „umzubringen", sohin durch Drohung mit dem Tode, zur Unterlassung der Erstattung einer Strafanzeige oder der Vornahme von sonstigen Mitteilungen hievon an ihre Eltern oder an Dritte genötigt.

Der vom Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 5 und 11 lit b (im Zusammenhang mit Z 4) des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert die Nichtzulassung der Frage des Verteidigers an den psychiatrischen Sachverständigen Prim. Univ. Prof. Dr. Reinhard H*****, ob es mit dem „medizinischen Zustandsbild" des Angeklagten in Einklang zu bringen sei, dass dieser ein Streicheln seiner Schwester zugebe, jedoch deren Vergewaltigung abstreite, durch den Vorsitzenden (S 294). Abgesehen davon, dass der Verteidiger nicht begehrte, hierüber einen Senatsbeschluss (§ 238 Abs 1 StPO) zu fassen, sodass die Beschwerde an sich nicht legitimiert ist (Kirchbacher, WK-StPO § 249 Rz 41), erweist sie sich auch inhaltlich als nicht berechtigt. Denn die Fragestellung zielte nicht nur auf die Führung eines unzulässigen Erkundungsbeweises über die Glaubwürdigkeit des Angeklagten ab, sondern war darüber hinaus nach Lage des Falles von vornherein nicht geeignet, Erhebliches zur Klärung entscheidender Tatsachen beizutragen.

Die vorerst auf § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO gestützte Rüge, der Angeklagte sei am 16. Mai 1987 „17 Jahre alt und somit Jugendlicher" gewesen, sodass es bei dem vorliegend aktuellen Tatzeitraum „ab dem Jahr 1987" (bis Anfang Dezember 1990) „ohne weiteres sein kann", dass er „einzelne der ihm vorgeworfenen Straftaten" noch vor Vollendung des 16. Lebensjahres begangen habe, womit bei Beachtung des § 5 Z 2 bis 5 JGG die Verjährungsfristen verkürzt wären, übersieht nicht nur, dass Strafaufhebungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 621) im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht unmittelbar mit einem materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund releviert werden können, sondern Gegenstand der unter der Sanktion des § 345 Abs 1 Z 6 StPO stehenden, vorliegend nicht indizierten (§ 58 Abs 2 StGB) Fragestellung sind (RIS-Justiz RS0101411).

Die Form der Zusammenfassung einzelner im Sinn einer gleichartigen Verbuchungsmenge nur pauschal individualisierter Taten (zum Begriff: Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 84) hält auch dem Bestimmtheitsgebot des § 260 (Abs 1 Z 1) StPO stand (RIS-Justiz RS0119552), sodass auch die hilfsweise aus der Z 4 erhobene Rüge versagt.

Letztlich legt die Beschwerde nicht dar, warum gerade die (hier am 15. Mai 1986 erfolgte) Vollendung des 16. Lebensjahres relevant sein sollte (vgl § 5 Z 2 lit a JGG).

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285d Abs 1, 344 StPO) hat die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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