Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen (im [Teil-]Freispruch) unberührt bleibt, im Schuldspruch, ferner im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung und im Zuspruch an die Privatbeteiligte aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Dr. Wilhelm W***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er „am 18. August 1998 in Wien ein der W***** GmbH anvertrautes Gut in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich die von der I***** AG zugunsten Ing. Heinrich W***** überwiesene Versicherungssumme von 1.331.950 S (Euro 96.796,58), sich mit dem Vorsatz zugeeignet, einen Dritten, nämlich die W***** GmbH unrechtmäßig zu bereichern, indem er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Dr. Ortrud S***** den genannten Versicherungsbetrag von einem auf Ing. W***** lautenden Anderkonto der genannten Gesellschaft behob, auf ein Sparbuch lautend auf Ing. W***** mit der Nummer 00184214401 bei der BA-CA AG einzahlte und am 21. August 1998 S 1.332.000.-- (Euro 96.800,22) von diesem Sparbuch behob."
Der dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt schon unter dem Aspekt der Rechtsrüge (Z 9 lit a) Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Denn die erstgerichtlichen Feststellungen vermögen zufolge Fehlens von Konstatierungen dazu, dass die inkriminierte Summe dem Angeklagten anvertraut war, die Unterstellung des Sachverhaltes unter § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB nicht zu tragen. Damit macht die Rüge zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend.
Den Entscheidungsgründen ist nämlich - ebenso wie dem Urteilsspruch - bloß zu entnehmen, dass im Mai 1998 ein Betrag von 1.331.950 S auf einem Konto der W***** GmbH einging, den die Vermögensschadenshaftflichtversicherung des Unternehmens, die I***** AG, zur sofortigen Weiterleitung an Heinrich W***** überwiesen und der W***** GmbH solcherart anvertraut hatte, weil Heinrich W***** aufgrund steuerlicher Fehlberatung durch ihre Versicherungsnehmerin ein Schaden entstanden war (US 3 f, 10 ff, 23).
Geschäftsführerin der W***** GmbH aber war Dr. Ortrud S*****. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte selbst rechtlich oder faktisch eine wie immer geartete Funktion im Unternehmen inne hatte oder auf dem Ordinariokonto zeichnungsberechtigt war, finden sich in den Urteilsfeststellungen nicht. Vielmehr wurde ausdrücklich konstatiert, dass Dr. Wilhelm W***** im Jahr 1991 als Gesellschafter und Angestellter und 1994 als Einzelprokurist aus dem Unternehmen ausschied und seither bloß „Aufträge als Handlungsbevollmächtigter übernahm" (US 7).
Davon, dass der inkriminierte Geldbetrag dem Angeklagten von Dr. Ortrud S***** (zur Weiterleitung an den Geschädigten) anvertraut (im Sinne des § 133 StGB) wurde, gingen die Tatrichter ebenfalls nicht aus. Dagegen waren sie der Annahme, dass der auf dem Ordinariokonto der W***** GmbH eingelangte Betrag zunächst (offenbar von einem Verfügungsberechtigten dieser Gesellschaft) auf ein Anderkonto lautend auf Ing. Heinrich W***** transferiert wurde, auf dem ausschließlich Dr. Ortrud S***** zeichnungsberechtigt war. Am 18. August 1998 unterschrieb diese einen Überweisungsbeleg über 1.331.950 S, der als Empfänger: Sparbuch, lautend Ing. W***** aufwies, weil sie mit dem Angeklagten übereingekommen war, dass er zur Abdeckung behaupteter eigener Forderungen gegen das Unternehmen über den zur Weiterleitung an Heinrich W***** bestimmten Betrag verfügen sollte. Demnach wurde Dr. Wilhelm W***** nach den Urteilsannahmen von der Geschäftsführerin der W***** GmbH ermächtigt, von diesem (vinkulierten) Sparbuch die Summe von 1.332.000 S zu beheben, durfte das Geld also nach dem Willen und mit Zustimmung der Geschäftsführerin der Treunehmerin für sich verwenden (US 11). Die Beurteilung des festgestellten Täterverhaltens als Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB als unmittelbarer Täter, die ein durch Anvertrauen qualifiziertes Tatsubjekt voraussetzt, findet demzufolge im Urteilssachverhalt keine Deckung.
Feststellungen zu einem vom Angeklagten geleisteten Tatbeitrag im Sinne des § 12 zweiter oder dritter Fall StGB wurden ebenfalls nicht getroffen.
Die Konstatierung, der Angeklagte sei mit Dr. Ortrud S***** „übereingekommen", dass er zur Abdeckung der von ihm behaupteten Forderungen gegen die W***** GmbH über den von der I***** AG überwiesenen Betrag verfügen sollte, reicht für sich alleine weder für die - trotz des in unkörperlicher Sache bestehenden Tatobjekts denkbare (vgl Bertel in WK² § 133 Rz 20 ff mwN; mit Vorbehalt Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 133 Rz 11 ff, dagegen Leukauf-Steininger Komm³ § 133 RN 1a) - Annahme einer Bestimmung der Geschäftsführerin zur Veruntreuung aus, noch für die rechtliche Beurteilung, ob und durch welche Handlungen des Angeklagten ein zumindest psychischer Tatbeitrag geleistet wurde.
Ebensowenig kann die erst nach Tatvollendung vom Angeklagten vorgenommene Behebung von 1.332.000 S vom Sparbuch als Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB qualifiziert werden. Das Delikt der Veruntreuung ist nämlich mit der Manifestation der Zueignung vollendet; der Eintritt der Bereicherung gehört nicht mehr zum Tatbestand (Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 133 Rz 112). Nach den Urteilsannahmen hatte Dr. Ortrud S***** zwar nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint - schon bei Überweisung des Betrages auf ein auf Heinrich W***** lautendes Anderkonto die Intention, sich die Summe mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zuzueignen. Das Sparbuch, das in der Folge an den Angeklagten ausgefolgt wurde, war aber nach Ansicht der Tatrichter bloß „zur Lukrierung des gegenständlichen Geldbetrages" eröffnet worden (US 18), sodass sich die Zueignung durch die unmittelbare Täterin in der Überweisung der Summe auf dieses Sparbuch manifestiert hat. Dies führt zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme des in Rechtskraft erwachsenen Freispruchs samt Verweisung der Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e erster Satz StPO). Die weitere Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft sind angesichts der damit erforderlich gewordenen Aufhebung des Schuldspruches gegenstandslos. Anzumerken bleibt, dass die Argumentation der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) fehl geht. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, das gegenständliche Verfahren sei gesetzwidrig wiederaufgenommen worden, weil eine allfällige Täuschung der I***** AG durch die für die Wiederaufnahme relevante Einkommenssteuererklärung 1996 „denkbar unmöglich" sei, wobei zudem das der Wiederaufnahme zugrundeliegende neue Beweismittel keine Relevanz für die zur Verurteilung gelangte Veruntreuung hatte. Er verkennt, dass die im aktuellen Verfahren von der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 11. Jänner 2006 (ON 101) verfügte, (nach erfolgloser Beschwerde) am 2. März 2006 in Rechtskraft erwachsene (ON 104) Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 232 Ur 163/02a des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (dort unscharf als „Verfahren gegen Dr. Wilhelm W***** wegen § 153 Abs 1 und Abs 2 StGB bezeichnet) einer (nochmaligen) Überprüfung im wiederaufgenommenen Verfahren entzogen ist. Das erkennende Gericht war daher weder verhalten noch berechtigt, die prozessuale Rechtmäßigkeit des Wiederaufnahmebeschlusses zur Erörterung zu stellen (Fabrizy StPO9 Rz 2; Mayerhofer StPO5 E 5, 7, zu § 359 StPO; 14 Os 45/02).
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht auch Gründe für die Annahme anzuführen haben, der W***** GmbH sei der Geldbetrag von der I***** AG mit der (zumindest stillschweigend vorausgesetzten) Absprache der Weiterleitung an Heinrich W***** anvertraut worden (US 11, 23), welche Feststellung - aus Z 5 vierter Fall ungerügt - bislang gänzlich unbegründet blieb. Ob nämlich die W***** GmbH tatsächlich als Treunehmerin fungierte oder schlicht eine ihr aus einem Schadensfall zustehende Versicherungsleistung entgegen nahm, ist für die Beurteilung des Verhaltens der Dr. Ortrud S***** als Verbrechen der Veruntreuung schon deshalb entscheidend, weil aus dem Umstand, jemandem eine Summe zu schulden, noch kein Anvertrauen im Sinne des § 133 StGB abzuleiten ist (Fabrizy, StGB9 § 133 Rz 4). Erst danach werden deutliche Konstatierungen zu einer möglichen Beteiligung des Angeklagten im obigen Sinne zu treffen sein. Für den Fall, dass eine solche mangels weiterer zur Verfügung stehender Beweismittel nicht erweislich ist, wird zu überprüfen sein, ob die angelastete Behebung eines Geldbetrages dem Vergehen der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 erster Fall und Abs 3 erster Fall StGB (in Bezug auf eine allenfalls von Dr. Ortrud S***** begangene Vortat der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB) zu unterstellen wäre.
Ein Kostenausspruch nach § 390a StPO hatte zufolge Aufhebung des Urteils zu unterbleiben (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).
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