OGH 11Os59/07x

OGH11Os59/07x21.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Paul F***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Februar 2007, GZ 031 Hv 186/06g-98, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Paul F***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Punkt A des Urteilssatzes) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (B), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (C I) und der versuchten gefährlichen Drohung nach §§ 15, 107 Abs 1 StGB (C II) schuldig erkannt.

Danach hat er

A) im Sommer 2004 in Wien und Znaim dadurch, dass er seiner am 28. Juli 1991 geborenen Stieftochter Viktoria F***** fünfmal unter deren T-Shirt auf die Brust griff, dort streichelte und auch in einem Fall ihre Brüste mit seiner Zunge berührte, außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person und

B) durch die unter A angeführte Handlung an seiner minderjährigen

Stieftochter eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, sowie

C) in Wien Nachgenannte mit zumindest einer Verletzung am Körper

bedroht (I) bzw zu bedrohen versucht (II), um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

I) am 23. Jänner 2007 seine Gattin Yvona F***** durch die Äußerung

„Du Trampel, du wirst auf dem Baum hängen" und II) am 17. Jänner 2007 seine Kinder durch die Äußerung „Das wird Euch Euer Leben auch kosten, wenn ihr mit ihr zusammen bleibt".

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Gründe der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welcher indes keine Berechtigung zukommt. Dem Vorbringen zur Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zu den Schuldsprüchen A und B zuwider stehen die im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung detailreicher geschilderten Angaben der Zeugin Viktoria F***** nicht im Widerspruch zu ihren Angaben vor der Polizei. Dies gilt für die vor der Untersuchungsrichterin im Vergleich zu ihrer Aussage vor der Polizei (S 259/I: „ganz kurz") mit ca 10 bis 15 Minuten (S 54/II) wesentlich länger angegebene (nicht entscheidungsrelevante) Zeitdauer der lingualen Manipulation ihrer Brüste ebenso wie für das erst vor der Untersuchungsrichterin erwähnte Abspielen von Pornofilmen (S 49/II) oder die Aussage, sie habe während der Missbrauchshandlungen die Augen verschlossen gehalten. Einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesen zusätzlichen, aber keineswegs widersprüchlichen Angaben bedurfte es daher nicht.

Dass der Beschwerdeführer nach den für glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin Katharina Sch***** seiner Stieftochter erklärt habe, er brauche das, „weil die Mutter nicht kann, und sie tut der Familie gut, wenn sie mitmacht" (S 151/II), wohingegen nach den Urteilsfeststellungen die Tathandlungen wortlos verliefen, war schon nach den Urteilskonstatierungen nicht erörterungsbedürftig. Der Einwand schließlich, das Schöffengericht habe seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Zeugin Katharina Sch***** unter Missachtung der tatsächlich gegebenen, mit „Meinungsverschiedenheiten" nur unzulänglich beschriebenen Divergenzen zwischen dem Angeklagten und dieser Zeugin nicht hinreichend begründet, betrifft zum einen keine entscheidende, also schuld- oder subsumtionsrelevante Tatsache, zum anderen übergeht er die diesbezüglichen Beweiserwägungen der Tatrichter und den Umstand, dass diese Zeugin über die Missbrauchshandlungen selbst keine Angaben machen konnte. In der Tatsachenrüge (Z 5a) vermag der Beschwerdeführer keine aktenkundigen Umstände aufzuzeigen, die geeignet sind, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde gelegten Tatsachen zu erwecken. Er trachtet vielmehr, mit eigenständigen Beweiswerterwägungen die Glaubwürdigkeit der Zeugen Katharina Sch***** und Yvona F***** - nicht auch des Tatopfers - in Zweifel zu ziehen, unternimmt damit aber lediglich den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung des Gerichtes nach Art einer nur im Einzelrichterverfahren vorgesehenen Schuldberufung zu bekämpfen. Das gegen den Schuldspruch C I aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Beschwerdevorbringen mangelhafter Begründung der Feststellung, Yvona F***** habe die inkriminierte Äußerung „aufgrund der bisherigen Vorkommnisse" überaus ernst genommen und sich gefürchtet, betrifft keine entscheidende Tatsache. Ob der Bedrohte die Drohung tatsächlich ernst genommen und sich gefürchtet hat oder nicht, ist für die Verwirklichung des Tatbestandes der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB nicht von Bedeutung. Es kommt vielmehr nur darauf an, wie der Täter seine Drohung verstanden wissen wollte, also insbesondere, ob der Bedrohte die Drohung für ernst gemeint und vom Drohenden realisierbar halten sollte (Fabrizy StGB9 § 74 Rz 12a). Der Einwand wiederum, die tatbestandsessentielle Absicht, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, sei mit der Erwägung, die Worte seien bewusst und überaus durchdacht gewählt worden, unzureichend begründet, weil das Schöffengericht die durch das äußerst konfliktreiche Scheidungsverfahren bedingte emotional belastende Situation nicht berücksichtigt habe, übergeht, dass das Erstgericht die nach ihrem Wortlaut nicht bestrittene Drohung bewusst von einer bloß emotionalen (Unmuts-)Äußerung abgegrenzt und damit den als übergangen kritisierten Umstand ersichtlich in seine beweiswürdigenden Überlegungen einbezogen hat.

Soweit der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge (Z 5a), erneut mit dem Versuch, die Glaubwürdigkeit der Zeugin Yvona F***** in Zweifel zu ziehen, erhebliche Bedenken gegen die seiner Verantwortung zuwider getroffene Feststellung der Drohung behauptet, begibt er sich abermals auf das Gebiet einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter. Dies gilt in gleicher Weise für das Vorbringen, die konstatierte Absicht, die Bedrohte in Furcht und Unruhe zu versetzen, begegne deshalb erheblichen Bedenken, weil das anhängige Scheidungsverfahren emotional besonders belastend gewesen sei, zumal nicht zu erkennen ist, weshalb dieser Umstand eine andere Schlussfolgerung als die vom Erstgericht gezogene naheliegender erscheinen lassen könnte.

Die zu diesem Schuldspruch erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich, welche rechtliche Ausführungen zur objektiven Eignung der festgestellten Drohung, bei der Bedrohten begründete Besorgnisse ihrer Realisierung auszulösen, vermisst und darin einen „Feststellungsmangel" erblickt, verkennt, dass Rechtsausführungen nicht Gegenstand von Tatsachenfeststellungen sind, ihr Fehlen daher den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht begründet. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, es bestünde kein Anlass, die in Rede stehende Äußerung als etwas anderes als eine im Zuge eines mit Heftigkeit geführten Scheidungskrieges zum Ausdruck gebrachte Unmutsäußerung zu beurteilen, orientiert er sich nicht, wie dies bei Ausführung der Rechtsrüge unumgänglich ist, am Urteilssachverhalt, demzufolge eine derartige Unmutsäußerung gerade nicht vorgelegen ist, und bringt daher den relevierten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung. In der Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch C II kritisiert der Angeklagte die Feststellungen zur subjektiven Tatseite deshalb als mangelhaft begründet, weil das Schöffengericht seine Ansicht, er habe die Worte nicht aus einer emotionalen Situation heraus, sondern überaus durchdacht geäußert, nicht näher begründet und es insbesondere offen gelassen habe, weshalb die Situation, in welcher die Äußerung getätigt wurde, nicht eine emotionale gewesen sein soll. Abgesehen davon, dass eine emotionsgeladene Situation die Ernstlichkeit einer Drohung regelmäßig erhöht und der Beschwerdeführer nicht darlegt, warum hier eine andere Beurteilung hätte erfolgen müssen, hat das Schöffengericht die bekämpfte Feststellung vor allem auf den Inhalt der auf den Anrufbeantworter gesprochenen Nachricht sowie die bedrohliche Ausdrucksweise und Stimmlage des Angeklagten gestützt (US 12). Dabei ist es explizit dessen Verantwortung, die Nachricht sei nicht als Drohung gemeint gewesen, nicht gefolgt, weshalb auch der Beschwerdeeinwand, das Gericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt, nicht aktengetreu ist.

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider lassen die Feststellungen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Verwirklichung des angedrohten Übels durch den Angeklagten zu erwarten war. Von diesem Sachverhalt entfernt sich die Beschwerde mit der Argumentation, die inkriminierte Äußerung sei in Ermangelung der Aussage, dass der Übelseintritt vom Willen des Täters abhängig sei, nicht als gefährliche Drohung, sondern lediglich als Warnung zu beurteilen, und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes. Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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