OGH 15Os74/07g

OGH15Os74/07g5.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin, in der Auslieferungssache gegen Hossein K***** wegen Auslieferung zur Strafverfolgung an die USA, AZ 401 Ur 42/07x des Landesgerichtes Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. Mai 2007, AZ 22 Bs 139/07p (ON 43), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Hossein K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Der angefochtene Beschluss wird nicht aufgehoben.

Dem Bund wird der Ersatz der mit 700 Euro (zuzüglich Umsatzsteuer) bestimmten Beschwerdekosten auferlegt.

Text

Gründe:

Der iranische Staatsangehörige Hossein K***** wurde am 25. März 2007 am Flughafen Wien-Schwechat auf Grund eines internationalen, vom United States District Court, Southern District of New York (Zahl 06Crim.477) am 8. Juni 2006 ausgestellten Haftbefehls festgenommen. Der Untersuchungsrichter des Landesgerichts Korneuburg verhängte über ihn auf Grund Antrags der Staatsanwaltschaft am 26. März 2007 die Auslieferungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO iVm § 29 Abs 1 ARHG (ON 5). Diese wurde zuletzt mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. Mai 2007 (ON 43), mit welchem das Oberlandesgericht Wien einer Haftbeschwerde nicht Folge gab, aus dem genannten Grund mit Wirksamkeit bis 30. Juli 2007 fortgesetzt. Danach richtet sich gegen Hossein K***** - auf Grund des genannten internationalen Haftbefehls - der dringende Verdacht, er habe von 1998 bis zuletzt als führendes Mitglied einer internationalen kriminellen Organisation die Einfuhr von mehreren Tonnen Heroin aus Südwestasien nach Europa, Kanada und in die USA organisiert. Darin seien die Verbrechen nach United States Code, Sections 959, 960(a) (3), 960(b) (1) (A) und (2), 812, 952 (a), 963, nach österreichischem Recht aber jene nach „§ 28 Abs 2, 3, 4 Z 3, 5 SMG" (mit einer jeweiligen Mindeststrafe von zehn Jahren) zu erblicken. Das Beschwerdegericht bejahte das Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO und verneinte die Substituierbarkeit der Haft durch den Erlag einer (vom Verteidiger angebotenen) Kaution unter Verweis auf eine auf der Gesetzeslage des Jahres 1988 beruhende Kommentarmeinung, weil „doch gegenständlich von einer 'quasi-obligatorischen Auslieferungshaft' wegen einer strafbaren Handlung, deren Strafdrohung eine Untergrenze von wenigstens zehn Jahren Freiheitsstrafe aufweist (§ 180 Abs 7 StPO), auszugehen" sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde erweist sich als berechtigt. Das Oberlandesgericht hat ein Haftkriterium unbeachtet gelassen.

Die rechtliche Annahme der von § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahr wird anlässlich einer Grundrechtsbeschwerde vom Obersten Gerichtshof dahin überprüft, ob diese aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich - mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet - angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).

Mit dem gegen die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) gerichteten Vorbringen wiederholt der Beschwerdeführer lediglich seine bereits gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom 9. Mai 2007 (ON 31) vorgebrachte Kritik (vgl ON 37), ohne sich mit den diesbezüglichen Überlegungen des Oberlandesgerichtes auseinanderzusetzen.

Die vom Oberlandesgericht ins Treffen geführten besonderen Umstände (Festnahme des Beschwerdeführers auf dem Weg von Baku nach Bukarest;

absolvierter Besuch von Bekannten an verschiedenen Orten Europas;

äußerst hohe „Beweglichkeit" des als Betreiber eines Import-Export-Unternehmens über ein monatliches Einkommen von bis zu 5.000 Euro verfügenden Beschwerdeführers, weshalb mit Blick auf die Höhe der konkret zu erwartenden Strafe die mit einer Flucht ins Ausland verbundene Lebensumstellung für den Genannten nicht als ganz außergewöhnlich anzusehen ist; Nichtintegration in Österreich; Führen von weiteren Namen) lassen einen einwandfreien Schluss auf das Vorliegen von Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO zu. Der genannte Haftgrund wurde somit nicht allein mit dem Fehlen eines inländischen Wohnsitzes begründet, weshalb das von der Grundrechtsbeschwerde kritisierte Fehlen einer Erörterung der vom Beschwerdeführer behaupteten sozialen Integration in Rumänien keinen Verstoß gegen das Willkürverbot begründet (vgl 15 Os 34/04, 13 Os 118/03). Soweit sich der Beschwerdeführer aber gegen die „rechtlich verfehlte Nichtanwendung des § 190 Abs 1 StPO" richtet, ist sie im Recht. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass nach der Neufassung des § 190 StPO durch das StRÄG 1996 (BGBl 1996/762) auch im Falle des § 180 Abs 7 StPO (Vorliegen eines Verbrechens mit einer zehnjährigen Mindestfreiheitsstrafe) der Haftgrund der Fluchtgefahr grundsätzlich durch Leistung einer Kaution substituiert und somit die Untersuchungs- bzw Auslieferungshaft abgewendet werden kann (Fabrizy StPO9 § 180 Rz 3a, § 190 Rz 4).

Das Oberlandesgericht hat aber - ausgehend von seiner auf der Gesetzeslage vor dem StRÄG 1996 basierenden, somit verfehlten Rechtsansicht - überhaupt keine inhaltlichen Gründe für die Ablehnung der Substituierbarkeit der Auslieferungshaft durch das gelindere Mittel der Leistung einer Sicherheit nach §§ 190 bis 192 StPO (§ 180 Abs 5 Z 7 StPO iVm den in § 180 Abs 5 Z 1 und 2 StPO erwähnten Gelöbnissen) angeführt. Solcherart ist die Verneinung der Frage, ob der Haftzweck durch das gelindere Mittel einer Sicherheitsleistung erreicht werden kann, unbegründet geblieben, worin eine Grundrechtsverletzung liegt.

Dies erfordert zwar eine unverzügliche Klärung auch der angesprochenen Haftvoraussetzungen im Rahmen einer Haftverhandlung, nicht aber die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses (§ 7 Abs 1 GRBG; vgl RIS-Justiz RS0112914; ÖJZ 2005, 419).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 8 GRBG.

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