OGH 5Ob98/07h

OGH5Ob98/07h3.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Dr. Ernst P*****, em. Rechtsanwalt in Wien, *****, gegen die Antragsgegnerin C***** GmbH, *****, vertreten durch Knirsch, Gschaider & Cerha Rechtsanwälte OEG in Wien und die weiteren Verfahrensparteien 1.) Dr. Christa F*****, 2. Herbert W*****, 3. Pamela H*****, 4. Ulrike F*****, 7. Mag. Dr. Werner F*****, 8. Dr. Brigitte W*****, 9. Dr. Harald W*****, 10. Brigitte K*****, 11. Dr. Harald K*****, 12. Dr. Stephan H*****, 13. Elmar G*****, 14. Dr. Maria W*****, 15. Dr. Sascha H*****, 16. Dr. Eberhard W*****, 17. Dr. Martin S*****, 18. Dr. Ernst P*****, 19. Dr. Gertrude P*****, 20. DI Franz T*****, 22. Ilse D*****, 23. Monika H*****, 24. Dr. Graham S*****, 25. Dr. Ilse S*****, 26. Dr. Rudolf S*****, 27. U*****, 28. Maria V*****, 29. Dr. Roswitha Verena H*****, wegen § 52 Abs 2 Z 6 WEG iVm § 20 Abs 2 WEG über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Jänner 2007, GZ 38 R 215/06h-20, womit der Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 30. Juni 2006, GZ 30 Msch 3/06t-11, zurückgewiesen wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Verfahrensparteien sind mit Ausnahme der Antragsgegnerin Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft D*****.

Die Antragsgegnerin ist die bestellte Hausverwalterin dieser Liegenschaft. Sie erstellte zur Wohnungseigentümerversammlung vom 5. 7. 2005 die als Bestandteil dem erstinstanzlichen Sachbeschluss angeschlossene Vorausschau nach § 20 Abs 2 WEG 2002 für die Jahre 2002 bis 2006. Nach dem Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung (Punkt 17) wurde diese Vorausschau an alle Anwesenden verteilt und sodann an alle Wohnungseigentümer übersendet. Darin wurde darauf hingewiesen, dass eine Wohnungseigentümerversammlung stattfinden werde, der Ausgang der Beschlüsse (über Auftragserteilungen) zu unklar und die Entwicklung der Reparaturrücklage daher rein spekulativ sei. Zur Abdeckung der verschiedenen Entwicklungen wurden daher zwei Varianten ausgearbeitet, und zwar Variante 1 mit notwendigen Arbeiten und Variante 2 falls es zu keiner Auftragserteilung mangels Mehrheitsbeschlusses kommen sollte.

Zum Zeitpunkt der Erstellung waren für das von der Vorausschau erfasste Jahr keine außergewöhnlichen Belastungen oder Einkünfte absehbar.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte der Antragsteller, der Antragsgegnerin als Verwalterin der Liegenschaft aufzutragen, binnen 14 Tagen eine Vorausschau gemäß § 20 Abs 2 WEG für das Jahr 2006 zu erstellen. Die gelegte Vorausschau entspreche nämlich inhaltlich nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Der Vorausschau fehlten die „über die laufende Instandhaltung hinausgehenden Erhaltungsarbeiten und dafür erforderlichen Beiträge zur Rücklage".

Die Antragsgegnerin wendete sich gegen diesen Sachantrag und beantragte seine Zurückweisung, in eventu seine Abweisung. Die Vorausschau für das Jahr 2006 sei in der Vorausschau enthalten gewesen, die den Miteigentümern am 5. 7. 2005 ausgehändigt worden sei. Außerdem sei im Zug des Verfahrens bereits eine Vorausschau gelegt worden, die über das Jahr 2006 hinaus auch das Jahr 2007 umfasse. Diese Vorausschau sollte wiederum in der nächsten Eigentümerversammlung vorgelegt und erörtert werden. Die Vorausschau entspreche den Voraussetzungen des § 20 Abs 2 WEG, weil ihr Zweck erfüllt sei. Darüber hinausgehende Ausführungen für die Zukunft könnten nicht im Detail vorhergesagt werden. Da im Zeitpunkt der Erstellung der Vorausschau keine außergewöhnlichen Belastungen absehbar gewesen seien, habe sich die Darstellung auf die gewöhnlich zu erwartende Entwicklung zu beschränken gehabt.

Die übrigen Wohnungseigentümer beteiligten sich am Verfahren nicht.

Das Erstgericht wies den verfahrenseinleitenden Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Antragsgegnerin sei der ihr obliegenden Verpflichtung ausreichend nachgekommen.

Einen gegen diesen Sachbeschluss vom Antragsteller erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz zurück.

Der Zweck einer Vorausschau liege darin, die Mit- und Wohnungseigentümer über den voraussichtlichen Ablauf der Verwaltung im Folgejahr zu informieren. Sie sollten Entscheidungsgrundlagen für allfällige Weisungen an den Verwalter erhalten, dem Verwalter selbst werde eine bindende, ihn aber zugleich auch ermächtigende Vorgabe für seine Tätigkeit gegeben. Für eine bereits abgelaufene Abrechnungs- und Verwaltungsperiode lasse sich aber ein solcher Gesetzesauftrag nicht mehr erfüllen. Eine „Vorausschau" für die Vergangenheit sei unmöglich, ihre Nachholung sinnlos (5 Ob 311/99t).

Dem Antragsteller fehle es daher zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung an jeglichem Rechtsschutzinteresse an der Weiterverfolgung seines Sachantrags. Daher sei inhaltlich nicht darauf einzugehen, ob die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung zur Legung einer Vorausschau auch tatsächlich nachgekommen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung über seinen Rekurs aufzutragen.

Die Antragsgegnerin hat von der ihr eingeräumten Gelegenheit Gebrauch gemacht, eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und darin die Zurückweisung, in eventu Abweisung des Revisionsrekurses des Antragstellers begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und im Sinn des in ihn gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Im Wesentlichen argumentiert der Revisionsrekurswerber damit, dass sich die höchstgerichtliche Entscheidung, auf die sich das Rekursgericht bezogen hat, zur Rechtslage nach § 17 Abs 1 Z 2 WEG 1975 ergangen und durch § 20 Abs 2 WEG 2002 der Inhalt der gebotenen „Vorausschau" verändert worden sei. Nach dem Gesetzeswortlaut gehe es nämlich in der Vorausschau nicht nur um in der folgenden Abrechnungsperiode notwendige Erhaltungsarbeiten, sondern überhaupt um „in absehbarer Zeit" notwendige Erhaltungsarbeiten.

Dieses Argument ist zutreffend. Insofern ist die Rechtsprechung, die dem Wohnungseigentümer nach Ablauf des Abrechnungsjahrs das Rechtsschutzinteresse an einer Vorausschau für die Vergangenheit abspricht (5 Ob 311/99t = WoBl 2000/62 [Call] = MietSlg 51.558) überholt (vgl Würth/Zingher/Kovany Miet- und WohnR21 Rz 12 zu § 20 WEG; Würth in Rummel3 Rz 3 zu § 20 WEG; Prader in immolex 2002, 202, Die Verwaltung nach dem WEG 2002).

Nach der neuen Rechtslage lässt sich also die in 5 Ob 311/99t vertretene Ansicht nicht mehr rechtfertigen. Die Nachholung einer „Vorausschau" ist nicht länger sinnlos.

Damit erweist sich die Zurückweisung des Rekurses durch das Gericht zweiter Instanz als verfehlt.

Das Rekursgericht wird sich daher im erneuerten Verfahren inhaltlich mit dem Rekurs des Antragstellers auseinanderzusetzen haben, der nach wie vor bezweifelt, dass die Antragsgegnerin die ihr obliegende Verpflichtung nach § 20 Abs 2 WEG erfüllt hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 6 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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