Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der zweitinstanzliche Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Rekurse der Parteien unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.
Text
Begründung
Auf Grund eines Beschlusses des Erstgerichts vom 13. 11. 1995 ist der Antragsteller als Vater verpflichtet, für seinen Sohn, den Antragsgegner, monatlichen Unterhalt von EUR 603,18 zu zahlen. Mit der am 11. 12. 2002 zu 3 C 1068/03y des Bezirksgerichts Voitsberg eingebrachten Oppositionsklage begehrte der Vater, den Unterhaltsanspruch rückwirkend ab 1. 9. 2002 für erloschen zu erklären, weil er mit seinem Sohn außergerichtlich eine neue Unterhaltsvereinbarung getroffen habe. Die Klage wurde mit Urteil vom 30. 1. 2004, bestätigt durch das Berufungsurteil vom 23. 8. 2004, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass eine derartige Vereinbarung nicht erwiesen sei, und könne dem Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe sein Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben. Dass der Kläger auf Grund seines Pensionseinkommens - somit auf Grund geänderter Einkommensverhältnisse gegenüber der beschlussmäßigen Festsetzung seiner Unterhaltspflicht im Außerstreitverfahren - jetzt nicht mehr in der Lage sei, den seinerzeit festgesetzten Unterhalt zu bestreiten, habe er nicht behauptet, sodass diesbezügliche Überlegungen auf sich beruhen könnten.
Mit der am 18. 5. 2005 zu 3 C 506/05d des Bezirksgerichts Voitsberg eingebrachten Oppositionsklage begehrte der Vater, den Unterhaltsanspruch, zu dessen Hereinbringung zu dg 12 E 4238/02w die Exekution bewilligt worden sei, ab 1. 2. 2004 (wegen Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes zufolge Beendigung des Studiums und Absolvierung des Zivildienstes) zur Gänze, in eventu ab 1. 6. 1999 in dem EUR 436,- übersteigenden Betrag (auf Grund seines durch die Pensionierung gesunkenen Einkommens) für erloschen zu erklären. Mit Urteil vom 7. 10. 2005 wurde die Klage (rechtskräftig) abgewiesen. Selbsterhaltungsfähigkeit liege nicht vor, weil der Beklagte erfolgreich ein auf das Bakkalaureatstudium aufbauendes „Magisterstudium" absolviere und die nunmehr vom Kläger vorgenommene Geltendmachung eines verminderten Einkommens auf Grund der Pensionierung gegen die Eventualmaxime verstoße, zumal der Kläger dies bereits im ersten Oppositionsverfahren geltend machen hätte müssen.
Im vorliegenden Außerstreitverfahren begehrte der Vater, wegen seines gesunkenen Einkommens infolge Pensionierung den Unterhaltsanspruch seines Sohnes ab 1. 2. 2002 auf monatlich EUR 436,- herabzusetzen und ab 1. 2. 2004 wegen dessen Selbsterhaltungsfähigkeit zufolge Studienabschlusses und Ableistung des Zivildienstes für erloschen zu erklären.
Der Antragsgegner sprach sich gegen jegliche Herabsetzung aus, erklärte sich jedoch mit einem Erlöschen des Unterhaltsanspruchs ab 10. 3. 2006 einverstanden.
Das Erstgericht setzte den Unterhalt des Antragsgegners vom 1. 2. 2002 bis 31. 1. 2004 und vom 1. 2. 2005 bis 28. 2. 2006 (wegen des verminderten Einkommens des Vaters) auf EUR 480,- herab und befreite den Vater vom 1. 2. 2004 bis 31. 1. 2005 sowie ab 1. 3. 2006 (wegen Ableistung des Zivildienstes bzw Selbsterhaltungsfähigkeit des Sohnes) von seiner Unterhaltspflicht; das darüber hinausgehende Begehren des Vaters wies es ab. Die Befreiung von der Unterhaltspflicht erwuchs in Rechtskraft, während die (Höhe der) Herabsetzung von beiden Parteien mittels Rekurses bekämpft wurde. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss auf Grund des Rekurses des Sohnes dahin ab, dass es den Antrag, den Unterhalt rückwirkend ab 1. 2. 2002 herabzusetzen, zurückwies. Das Urteil über Einwendungen gegen noch nicht fällige Unterhaltsansprüche erwachse nur vorbehaltlich einer Änderung der Verhältnisse in Rechtskraft. Nach Schluss der Verhandlung sei im vorliegenden Fall eine Änderung der Verhältnisse nur insofern eingetreten, als der Unterhaltsanspruch ab 1. 3. 2006 zufolge Eintritts des Antragsgegners ins Berufsleben erloschen sei. Damit stehe aber die Rechtskraft der Entscheidung im Oppositionsprozess einer Herabsetzung des Unterhalts bis zu diesem Zeitpunkt entgegen, andernfalls durch eine Entscheidung im Außerstreitverfahren die Eventualmaxime des Oppositionsprozesses umgangen würde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Der Oberste Gerichtshof habe bereits in 3 Ob 866/37 ausgesprochen, dass, wenn der Außerstreitrichter über die Herabsetzung des Unterhalts vor Schluss des gleichzeitig anhängigen Oppositionsprozesses entschieden habe, die Rechtskraft dieser Entscheidung im Streitverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen sei, es sei denn, die Verhältnisse hätten sich seither geändert. Ob bei der umgekehrten Konstellation (vorherige Rechtskraft des Oppositionsurteils) dieselben Wirkungen eintreten, sei schon wegen der dann durchschlagenden Eventualmaxime fraglich.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers (= Vaters) mit dem Antrag auf Unterhaltsherabsetzung auf EUR 436,- vom 1. 2. 2002 bis 31. 1. 2004 und vom 1. 2. 2005 bis 28. 2. 2006; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsbegehrens berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurswerber zeigt auf, dass die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht zur Konsequenz hätte, dass einem Unterhaltsschuldner für den Fall, dass er in „irgendeinem vorangegangenen" Oppositionsprozess einen konkreten Einwand nicht erhoben hätte, die Möglichkeit genommen würde, jemals ein Unterhaltsherabsetzungsbegehren, gestützt auf den im Oppositionsprozess nicht erhobenen Einwand, durchsetzen zu können. Während es im Oppositionsverfahren um die Zulässigkeit der Exekutionsführung gehe und spezielle prozessrechtliche Bestimmungen - wie eben die Eventualmaxime - eine Ausweitung des Verfahrens verhindern bzw eine Prozessbeschleunigung bewirken sollen, ziele gerade das Unterhaltsverfahren darauf ab, sämtliche für die Bemessung des Unterhalts relevanten Umstände zu erheben und den Unterhalt der Sachlage entsprechend festzusetzen. Die Eventualmaxime des Oppositionsverfahrens könne für das Außerstreitverfahren keinesfalls rechtsverbindliche Wirkungen entfalten, sodass von einer entschiedenen Sache nicht die Rede sein könne.
Der Senat hat dazu wie folgt erwogen:
Wegen des Alimentationszwecks schließen alle gesetzlichen Unterhaltspflichten die Umstandsklausel ein; eine wesentliche Änderung der Verhältnisse erlaubt daher auch bei in einer rechtskräftigen Entscheidung festgelegten bzw. in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarten Unterhaltsansprüchen eine Neufestsetzung im Weg einer Abänderung der bestehenden Entscheidung bzw des gerichtlichen Vergleichs oder allenfalls ein Herabsetzungsbegehren mittels Oppositionsklage. Neben Sachverhaltsänderungen (zB Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage) kommen auch Änderungen der gesetzlichen Regelungen oder tiefgreifende Änderungen der Rechtsprechung in Betracht. Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch dann vor, wenn die Parteien des Unterhaltsvergleichs irrtümlich von falschen Bemessungsgrundlagen ausgegangen sind. Als Änderungen kommen vorrangig solche in Betracht, die die Kindesbedürfnisse oder die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten beeinflussen (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 76 f mwN).
Bei Neufestsetzung eines Unterhaltsanspruchs auf Grund der clausula rebus sic stantibus wirkt die Rechtskraft des Oppositionsurteils nur bis zu einer neuerlichen Änderung der maßgeblichen Verhältnisse (Dullinger in Burgstaller/Deixler, EO, § 35 Rz 88 mwN). Eine solche Änderung liegt aber nicht nur dann vor, wenn nach der früheren Beschlussfassung nicht bloß unbedeutende Veränderungen eingetreten sind, sondern auch, wenn solche für die Entscheidung bedeutsame Tatsachen dem Gericht unbekannt waren (3 Ob 535/92 = SZ 65/54 mwN). Die Einwendungen nach § 35 EO richten sich unmittelbar gegen den Anspruch des Beklagten; das diesen stattgebende Urteil spricht über den Anspruch unmittelbar ab, es wirkt daher nicht nur für die Anlassexekution, sondern über diese hinaus (3 Ob 277/75 = SZ 49/68 mwN). In der Entscheidung über eine Oppositionsklage kann der Umfang der Unterhaltspflicht geändert werden.
Seit der zu 6 Ob 544/87 (= SZ 61/143) ergangenen Entscheidung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs können Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden. Zutreffend folgerte daraus die Lehre, dass nun auch die Einstellung oder Herabsetzung der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit möglich ist, sofern sich der hiefür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklichte (RIS-Justiz RS0053283). Zu beachten ist allerdings, dass die Unterhaltsfestsetzung für die Vergangenheit nicht in die materielle Rechtskraft einer vorausgegangenen Unterhaltsentscheidung eingreifen darf (8 Ob 139/03d).
Gegenstand der Rechtskraft ist der Ausspruch des Gerichts über die Berechtigung des Begehrens, des gestellten Sachantrags, soweit es sich aus dem vorgetragenen und festgestellten Sachverhalt durch die rechtliche Beurteilung des Gerichts ableiten lässt. Es ist also das vom Gericht durch die Urteilsfeststellungen in tatsächlicher Hinsicht und durch die Subsumtion in rechtlicher Hinsicht konkretisierte Sachbegehren. Daher kann die Rechtskraft den Anspruch auch nur soweit erfassen, als zur Entscheidung des Gerichts bestimmte Tatsachen und bestimmte Rechtsnormen herangezogen wurden (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny2 III § 411 ZPO Rz 64).
Die oben dargestellten Grundsätze führen - auf den zu beurteilenden Sachverhalt bezogen - zu folgendem Ergebnis:
Das über die Oppositionsklagen erkennende Prozessgericht hat über die Frage der verminderten Leistungsfähigkeit des Vaters wegen dessen Pensionierung inhaltlich nicht abgesprochen, und zwar im ersten Verfahren mangels Vorbringens und im zweiten Verfahren auf Grund der im Oppositionsverfahren geltenden Eventualmaxime. Somit liegt keine Vorentscheidung vor, deren Rechtskraft die vom Vater beantragte Unterhaltsherabsetzung hindern würde. Die Anwendung der Eventualmaxime des Oppositionsverfahrens auch auf das außerstreitige Verfahren über einen Herabsetzungsantrag würde dem Grundsatz widersprechen, dass alle gesetzlichen Unterhaltspflichten unter der Geltung der Umstandsklausel stehen, wonach eine wesentliche Änderung der Verhältnisse die Neufestsetzung erlaubt.
Der vom Rekursgericht herangezogene Zurückweisungsgrund ist daher nicht gegeben. Das Rekursgericht wird vielmehr die Rekurse der Parteien in der Sache zu behandeln haben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf der sinngemäßen Anwendung des § 52 Abs 1 ZPO.
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