OGH 9Ob28/07v

OGH9Ob28/07v25.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Snezana V*****, vertreten durch Dr. Michael Ott und Mag. Christoph Klein, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2007, GZ 40 R 322/06h-20, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 28. September 2006, GZ 6 C 1259/05s-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die klagende Eigentümerin kündigte der Beklagten die Mietwohnung auf. Die Beklagte sei ständig verzogen und habe die Wohnung an nicht eintrittsberechtigte Personen weitergegeben. In eventu führte die Klägerin aus, dass die Beklagte die Wohnung gegen überhöhtes Entgelt weitergegeben habe bzw die Wohnung leer stehe.

Die Beklagte erhob Einwendungen und beantragte, die Kündigung aufzuheben. Die Beklagte sei nicht verzogen. Der Ehemann der Beklagten und die beiden Kinder würden seit Herbst 2004 in Jugoslawien wohnen. Die Beklagte fahre nur fallweise nach Jugoslawien, da sie in Wien als freiberufliche Diplom-Gesundheits- und Krankenschwester tätig sei. Sie müsse schon aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in Wien weilen und verfüge in Wien über sonst keine Wohnmöglichkeit, sodass sie ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung habe.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf, wies das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, die Wohnung binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben, ab und traf detaillierte Feststellungen, dazu, in welchem Ausmaß die Beklagte die Wohnung benützt. Der Familie der Beklagten steht in Serbien ein eigenes Haus zur Verfügung. Der Gatte der Beklagten und die beiden Söhne leben ausschließlich in diesem Haus. Der Gatte kommt seit dem Umzug etwa ein- bis zweimal im Monat beruflich zum Einkaufen nach Wien. Er benützt dann auch die aufgekündigte Wohnung zum Aufenthalt und zum Nächtigen. Die Beklagte ist freiberufliche Diplom-Krankenschwester und arbeitet für ein Pflegeheim. Im Einzelnen wurden auch die Tage der Tätigkeit festgestellt. Die Beklagte hatte hierbei überwiegend 11 Stunden-Dienste zu absolvieren. Bei ihren beruflichen Aufenthalten benützte die Beklagte die aufgekündigte Wohnung jedesmal zum Aufenthalt zwischen den jeweiligen Arbeitsbeginnen, so zum Essen und vor allem zum Schlafen und zur Freizeitgestaltung. Die Beklagte benutzte die Wohnung (insgesamt unter Berücksichtigung jener Aufenthalte, die sie bedingt durch ihre freiberufliche Tätigkeit hatte) im Schnitt zweimal pro Woche bzw 10 mal pro Monat. Sie hat keine andere Wohnung in Österreich. Die Kinder kommen höchstens tageweise auf Besuch mit.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass die Beklagte auf eine Wohnmöglichkeit in Wien angewiesen sei, damit sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen kann. Im Hinblick auf die große Distanz zwischen dem Wohnort der Beklagten und ihrem Arbeitsort, erachtete das Erstgericht den Umstand, dass die Beklagte die Wohnung nur für ungefähr 8 bis 10 mal pro Monat verwendet, als gerade noch ausreichend, um von einer regelmäßigen Verwendung iSd § 30 Abs 2 Z 6 MRG zu sprechen.

Die Klägerin bekämpfte dieses Urteil ua aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung. Sie rügte im Einzelnen angeführte Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit der Beklagte, deren Aufenthalt in der Wohnung und deren Wohnbedarf. Zusammenfassend führte die Berufungswerberin aus, das Erstgericht hätte nicht der Aussage der Beklagten und ihres Gatten folgen dürfen, weil diese in sich und zueinander widersprüchlich und reine Schutzbehauptungen seien. Vielmehr hätte einer Zeugin Glauben geschenkt werden müssen, welche eine äußerst gewissenhafte und verlässliche Hausbesorgerin sei und ausgesagt habe, sie habe den Eindruck, die Beklagte samt Familie sei nicht mehr fix da. Demzufolge hätte das Erstgericht folgende Feststellung zu treffen gehabt: „Die Beklagte und ihre Familie haben die aufgekündigte Wohnung zumindest das ganze Jahr 2005 bis dato nicht mehr zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses benützt sondern nur gelegentlich als Absteige."

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Auf die Beweisrüge könne nicht weiter eingegangen werden, weil die Berufung offen lasse, welche andere Tatsachenfeststellung anstelle der bekämpften das Erstgericht aufgrund welcher Beweisergebnisse treffen hätte sollen, sondern nur ausführe, dass die Beklagte die Wohnung nicht mehr zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses benützt.

Text

Beschluss

gefasst:

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt. Regelmäßig werden relevante Aktenwidrigkeiten als reversibel angesehen, weil durch einen Rechtsmittelausschluss die Rechtssicherheit gefährdet wäre (vgl etwa RIS-Justiz RS0007111 mwN etwa 9 Ob 68/01t).

Streitentscheidend ist die Frage, ob die vermietete Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Mieterin regelmäßig verwendet wird. Das Erstgericht hat dazu detaillierte Feststellungen getroffen. Gegen solche Feststellungen richtete sich die Beweisrüge der Klägerin. Diese wurde aber vom Berufungsgericht unbehandelt gelassen, weil es davon ausgegangen ist, dass die Klägerin nur ausgeführt habe, die Beklagte benütze die Wohnung nicht mehr zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses. Dies weicht aber vom Akteninhalt ab.

Daher ist mit einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht vorzugehen (RIS-Justiz RS0043371, 6 Ob 274/04v). Das Berufungsgericht wird sich ausgehend von den konkreten Ausführungen in der Berufung mit der Tatsachenrüge der Klägerin auseinanderzusetzen haben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte