OGH 1Ob95/07p

OGH1Ob95/07p5.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der wasserrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Josef K*****, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Hermann T*****, vertreten durch Dr. Eckart Söllner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen § 117 Abs 4 WRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. Februar 2007, GZ 2 R 31/07m-14, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 22. Dezember 2006, GZ 9 Nc 18/06f-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Infolge eines Antrags des Antragstellers befasste sich die Wasserrechtsbehörde I. Instanz mit der Frage, ob und inwieweit auf einer Liegenschaft des Antragsgegners ein Quellschutzgebiet festgesetzt werden soll. Mit Bescheid vom 16. 7. 2004 wurde ein Quellschutzgebiet - mit insgesamt zwölf Verbotsauflagen - festgesetzt und ausgesprochen, dass dem Antragsgegner als Grundeigentümer gemäß § 34 Abs 4 WRG dem Grunde nach eine angemessene Entschädigung gebühre, die vom Antragsteller als Wasserberechtigtem zu leisten sei. Dieser Bescheid wurde von beiden Beteiligten bekämpft. Die Berufungsbehörde gab den Berufungen mit Erkenntnis vom 8. 5. 2006 teilweise Folge, wobei es aber bei der Festsetzung eines Quellschutzgebiets blieb. Auch dieses Erkenntnis enthält wieder den Ausspruch über die Verpflichtung des Antragstellers, eine angemessene Entschädigung zu leisten.

Mit seinem am 6. 7. 2006 unter Hinweis auf § 117 Abs 4 WRG bei Gericht eingebrachten Antrag strebt der Antragsteller eine Entscheidung dahin an, dass ausgesprochen werde, dass dem Antragsgegner schon dem Grunde nach keine Entschädigung nach § 34 Abs 4 WRG zustehe.

Das Erstgericht wies diesen Antrag - nach einem zweiseitigen Verfahren - als unzulässig zurück. Gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen sei gemäß § 117 Abs 4 WRG eine Berufung nicht zulässig. Die Entscheidung trete allerdings außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt werde. Diese Frist sei durch die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der Wasserrechtsbehörde ausgelöst worden. Der vorliegende Antrag sei verspätet und müsse schon aus Gründen des Art 94 B-VG wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen werden. Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, dass ein sofortiger Antrag bei Gericht am mangelnden Rechtschutzinteresse gescheitert wäre.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Ob die Wasserrechtsbehörde I. Instanz gemäß § 117 Abs 2 WRG zu Recht eine Absonderung des Entschädigungsausspruchs (gemeint: der Höhe nach) vom Bewilligungsbescheid vorgenommen habe, sei nicht entscheidungsrelevant. Gegen wasserbehördliche Sachentscheidungen nach § 117 Abs 1 WRG über Entschädigungsleistungen sei eine Berufung im administrativen Instanzenzug nicht zulässig. Die betroffene Partei könne allerdings innerhalb der verfahrensrechtlichen Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Bescheids das Gericht mittels außerstreitigen Antrags auf Neufestsetzung anrufen, womit die Entschädigungsentscheidung der Wasserrechtsbehörde außer Kraft trete. Wenn dem Rekurswerber auch zuzugestehen sei, dass eine Entschädigungsverpflichtung nach § 34 Abs 4 WRG dem Grunde und der Höhe nach von Art und Umfang der Maßnahmen nach § 34 Abs 1 und 2 WRG abhängig sei, ändere dies nichts daran, dass ein Bescheid, mit welchem einerseits über Beschränkungen nach § 34 Abs 1 WRG und andererseits über eine Entschädigungsverpflichtung abgesprochen werde, einer unterschiedlichen Anfechtbarkeit unterliege und daher beide Teile eines einheitlichen Bescheides unabhängig voneinander in (Teil-)Rechtskraft erwachsen könnten. Auch das vom Rekurswerber herangezogene Argument der Verfahrensökonomie vermöge nicht zu überzeugen. Werde die einem Entschädigungsanspruch zu Grunde liegende bescheidförmige Verfügung (über die Nutzungsbeschränkung) bekämpft, habe das Gericht das bei ihm allenfalls bereits anhängige Verfahren wegen des bei der administrativen Berufungsbehörde über die „Vorfrage" anhängigen Verfahrens sogleich auszusetzen bzw zu unterbrechen. Nichts anderes habe im vorliegenden Fall zu gelten, in dem nicht nur der Antragsgegner, sondern auch der Antragsteller und nunmehrige Rekurswerber die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde I. Instanz bekämpft habe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig, da zu den aufgeworfenen Rechtsfragen eine oberstgerichtliche Entscheidung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag berechtigt.

Die Vorinstanzen sind - wenn auch ohne eingehendere Begründung - übereinstimmend davon ausgegangen, dass die zur Anrufung des Gerichts gegen die Entscheidung über die Entschädigung offen stehende Frist des § 117 Abs 4 Satz 2 WRG stets mit Zustellung des Bescheids der Wasserrechtsbehörde I. Instanz, mit dem eine Maßnahme nach § 34 Abs 1 WRG angeordnet und eine Entschädigungsverpflichtung - wenn gegebenenfalls auch nur dem Grunde nach - ausgesprochen wird, beginnt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die - dem administrativen Instanzenzug unterliegende - Entscheidung über die Nutzungsbeschränkungen in Rechtskraft erwächst oder aber mit einem Rechtsmittel bekämpft wird. Konsequenz dieser Rechtsauffassung ist, dass der durch die Entscheidung über die Entschädigung Beschwerte auch dann gezwungen ist, einen Antrag bei Gericht zu stellen, wenn noch ganz offen ist, ob es überhaupt bei der von der Wasserrechtsbehörde I. Instanz angeordneten Maßnahme bleibt oder ob diese von der Berufungsbehörde zur Gänze beseitigt oder - allenfalls auch in einem erheblichen Ausmaß - eingeschränkt wird. Zutreffend verweist nun der Revisionsrekurswerber darauf, dass es verfahrensökonomisch ganz unsinnig wäre, ihn in einem solchen Fall zur umgehenden Anrufung des Gerichts zu verhalten, auch wenn es ungewiss ist, ob die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde I. Instanz gemäß § 34 WRG Bestand hat. Insofern kann auch den Ausführungen von Raschauer (Kommentar zum WRG § 117 Rz 11) nicht gefolgt werden, der darauf hinweist, dass ein Antrag im Außerstreitverfahren zwar innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung der Wasserrechtsbehörde einzubringen sei, das Gericht das bei ihm anhängige Verfahren aber wegen des bei der administrativen Berufungsbehörde über die „Vorfrage" anhängigen Verfahrens sogleich auszusetzen habe.

Bereits diese Konsequenz zeigt deutlich, dass es sachlich vernünftig nicht zu rechtfertigen ist, die Frist für die Anrufung des Gerichts auch in den hier erörterten Fällen bereits mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheids beginnen zu lassen, dessen Schicksal bei Ablauf der Frist ja noch ganz ungewiss ist. Erwächst die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde I. Instanz über die Anordnungen gemäß § 34 WRG in Rechtskraft, ist für den Fristbeginn die Zustellung dieses Bescheids maßgeblich. Wird hingegen Berufung erhoben und fehlt daher jegliche Basis für eine meritorische Entscheidung des Außerstreitgerichts, beginnt die Frist erst mit Zustellung einer Sachentscheidung der Berufungsbehörde, die mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr angefochten werden kann. Damit ist die durch den Entschädigungsausspruch der Wasserrechtsbehörde beschwerte Partei davor bewahrt, schon präventiv einen (mit Kosten verbundenen) Antrag an das Außerstreitgericht stellen zu müssen, der sich gegebenenfalls in der Folge als unnötig erweist. Die Notwendigkeit, das gerichtliche Verfahren auszusetzen bzw zu unterbrechen, beschränkt sich dann auf die (selteneren) Fälle der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs gegen die Entscheidung der wasserrechtlichen Berufungsbehörde. Da sich der bei Gericht gestellte Antrag somit als rechtzeitig erweist, wird das Erstgericht darüber meritorisch abzusprechen haben. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass die Sache mit dem vorliegenden Beschluss nicht erledigt wird (§ 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG).

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