OGH 12Os56/07p

OGH12Os56/07p31.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert H***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Jänner 2007, GZ 40 Hv 08/06v-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet. Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert H***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (1 a, 1 b), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2) und der Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach hat er im August 2005 in Gaschurn an der am 28. Dezember 1995 geborenen, daher unmündigen Patrizia T***** nachangeführte geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

(1 a) den Beischlaf, indem er mit seinem Penis zumindest in den äußeren Bereich ihrer Scheide eindrang, wobei er letztlich einen Samenerguss hatte, und

(1 b) eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, indem er mit einem Finger in ihre Scheide eindrang;

(2) außer dem Fall des § 206 StGB in mindestens acht Fällen, indem er sie im Genitalbereich streichelte;

(3) in Tateinheit mit den zu 1 und 2 geschilderten Straftaten mit einer minderjährigen, seiner Aufsicht unterstellten Person sowie unter Ausnützung seiner Stellung geschlechtliche Handlungen unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen die Schuldsprüche 1 a und 1 b (inhaltlich damit teilweise auch gegen den Schuldspruch 3) richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft die Abweisung (S 190) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages (S 188 f) des Angeklagten auf „Einholung eines urologischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob der Angeklagte an einer Erektionsschwäche leidet, wie sich diese auswirkt, ob er in der Lage ist, überhaupt noch einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, ob er in der Lage ist, seinen Penis in die Scheide einer Neunjährigen einzuführen, ob die Menge des Ejakulats, das der Angeklagte zustande bringt, eine Unterhose 'ganz nass machen kann', wie das die Zeugin behauptet, und zur Frage, welche Methoden der Angeklagte anwenden muss, um diese Halberektion zu bekommen und wie lange diese dauert zum Beweis dafür, dass es nicht möglich ist, dass der Angeklagte das zu Faktum 1 a geschilderte Verbrechen begangen hat, sohin seinen Penis nicht in die Scheide der Patrizia T***** eingeführt hat".

Zutreffend hat bereits das Erstgericht erkannt (US 14, 16), dass die Beweisthemata nicht für § 206 Abs 1 erster Fall StGB entscheidende Tatsachen betreffen: Unternehmen des Beischlafes bedeutet eben schon ein Ansetzen dazu, wozu der äußerliche Kontakt der Geschlechtsteile vom Täter und Opfer genügt, wenn der Vorsatz des Ersteren auf Beischlaf - also das zumindest teilweise Eindringen des männlichen Gliedes in das weibliche Geschlechtsorgan - gerichtet ist. Das wird aber durch den genannten Antrag in keiner Weise tangiert, vielmehr ist ein solcher Vorsatz - dem Rechtsmittelstandpunkt entgegen - unabhängig von den aktuellen Möglichkeiten des Beischlafvollzuges (vgl insgesamt Schick in WK² § 206 Rz 10, § 201 Rz 20 je mwN; Mayerhofer StGB5 § 206 E 6 bis 7a, § 201 E 21).

Die Mängelrüge (Z 5) spricht im Zusammenhang mit der Behauptung einer Unvollständigkeit des Urteils ebenso wenig entscheidende Tatsachen an, weil es für die Schuld- und Subsumtionsfrage ohne Belang ist, ob das Mädchen den Angeklagten jemals nackt gesehen und dass sich der Mann im Dunkeln von hinten genähert, das Kind daher keine Sicht auf das Führen des Penis zur Scheide gehabt habe. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angeführten Details in der Aussage der Zeugin mussten die Tatrichter folglich nicht gesondert erörtern, um dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO zu genügen. Der Einwand, es könne das Kind aus der Berührung mit einem Finger auf eine solche durch das Glied des Täters geschlossen haben, bringt einen aus Z 5 Nichtigkeit begründenden Umstand nicht zur prozessordnungskonformen Darstellung, zumal es sich dabei einerseits um eine eigenständig beweiswürdigende Spekulation handelt und andererseits durch die angesprochene Unterscheidung für den Rechtsmittelwerber nichts gewonnen wäre (vgl Schick in WK², § 206 Rz 12).

Nicht nachvollziehbar ist die für den Vorwurf der Undeutlichkeit gewählte Prämisse, es gäbe kein teilweises Eindringen (US 6 iVm US 3). Überdies wird damit neuerlich - vergleiche zur Erledigung der Verfahrensrüge - keine im Gegenstand entscheidende Tatsache angesprochen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich der Penetrationsvorsatz des Angeklagten aus US 5 ergibt („damit ihm ... ein Eindringen mit seinem Penis in die Scheide möglich war, sagte er zu dem Mädchen, sie wolle ihre Beine auseinandertun ..."). Unter dem Prätext der Unvollständigkeit - tatsächlich setzte sich das Erstgericht gar wohl damit auseinander (US 12 f) - greift der Nichtigkeitswerber schließlich mit der Behauptung von Vernehmungssuggestionen die Bewertung des Zustandekommens der belastenden Angaben des unmündigen Opfers zum Schuldspruch 1 b nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld an und verfehlt somit die vom Gesetz geforderte Darstellung einer Mängelrüge.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) argumentiert mit der - von ihm selbst angegebenen - Erektionsschwäche des Angeklagten, kritisiert die Überlegungen der Tatrichter, wie es diesem trotzdem gelingen konnte, in den äußeren Bereich der Scheide einzudringen und zum Samenerguss zu kommen (US 15 „nach längerem Hantieren") und wiederholt die in der Mängelrüge angestellten Überlegungen zur Möglichkeit des Verwechselns des Einsatzes des Penis oder eines Fingers bei der zu 1 a geschilderten Tathandlung. Erhebliche Bedenken aus den Akten gegen die Richtigkeit des Ausspruches über entscheidende Tatsachen ergeben sich deshalb nicht.

Die Behauptung in der Subsumtionsrüge (Z 10), „wegen der Undeutlichkeit der Feststellung des teilweisen Eindringens" habe nur ein Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB stattgefunden, zumal kein Penetrationsvorsatz konstatiert sei, übergeht die - bereits in Erledigung der Mängelrüge erwähnte - urteilsgegenständliche Tatsachengrundlage zum Schuldspruch 1 a in ihrer Gesamtheit (US 5, 6) und verlässt mit der beweiswürdigenden Hypothese, ein Eindringen mit nicht erigiertem Glied sei völlig abwegig, vollends den gesetzmäßigen Rahmen der Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584). Dass auch die Digitalpenetration (Schuldspruch 1 b) vorsätzlich erfolgte (US 5, 6), lässt der Beschwerdeführer ebenso außer Acht und entzieht sich somit insgesamt meritorischer Erwiderung.

Aus Z 11 (ergänze: zweiter Fall) ortet der Angeklagte Nichtigkeit im Erschwerungsgrund besonderer Verwerflichkeit, den die Tatrichter unter anderem darin begründet sahen, „dass der Angeklagte seine Großnichte misshandelte, während deren jüngerer Bruder im selben Zimmer schlief" (US 17), weil „die besondere Verwerflichkeit der Tat des Missbrauches von Unmündigen bereits in der Strafdrohung der §§ 206 ff StGB zur Berücksichtigung" komme. Die als erschwerend angenommen Umstände bestimmen indes keineswegs die Strafdrohung (§ 32 Abs 2 Satz 1 StGB); ob sie im Gegenstand besonders verwerflich sind, ist im Berufungsverfahren zu klären (16 Os 34/91, SSt 61/67). Dem weiteren Rechtsmittelvorbringen (Z 11 dritter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Ablehnung teilbedingter Strafnachsicht keineswegs abstrakt ausgeschlossen, sondern auf konkrete (general-)präventive Vollzugsnotwendigkeit gestützt (US 17).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die (angemeldete - ON 20, aber inhaltlich unausgeführt gebliebene) nur im Einzelrichterverfahren zulässige Berufung wegen Schuld - bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der ausgeführten Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte