Spruch:
Milan B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Über Milan B***** wurde am 26. Jänner 2007 wegen des dringenden Verdachtes des Verbrechens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 4) und am 6. Februar 2007 fortgesetzt (ON 9). Ihm wurde zur Last gelegt, am 24. Jänner 2007 in Wien versucht zu haben, Polizeibeamte durch die Drohung, „gebt mir Eure Pistolen, ich erschieße Euch alle, ich bringe Euch um und mich auch" an der Vornahme einer Amtshandlung, nämlich seiner Perlustrierung zu hindern.
Mit Beschluss vom 5. März 2007 wandelte die Untersuchungsrichterin über Antrag der Staatsanwaltschaft die Untersuchungshaft gemäß § 429 Abs 4 und Abs 5 StPO in Verbindung mit § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit a StPO in eine vorläufige Anhaltung mit Wirksamkeit bis längstens 7. Mai 2007 um (ON 18). Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 22. März 2007, AZ 22 Bs 71/07p, in welchem das inkriminierte Verhalten als versuchte schwere Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, allenfalls als gefährliche Drohung nach § 107 Abs 2 StGB beurteilt wurde, nicht Folge (ON 24) und verfügte die Fortsetzung der vorläufigen Anhaltung gemäß § 429 Abs 4 StPO aus dem bisherigen Haftgrund mit Wirksamkeit bis längstens 22. Mai 2007. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Grundrechtsbeschwerde des Milan B***** (ON 26), mit welcher - ohne Bestreitung des Tatverdachtes - die Unzulässigkeit der Umwandlung der Untersuchungshaft in eine vorläufige Anhaltung grundsätzlich sowie im Hinblick auf deren Substituierbarkeit durch gelindere Mittel im Besonderen behauptet und kritisiert wird, dass den Vernehmungen des Beschuldigten ungeachtet der Bestimmung des § 429 Abs 2 Z 3 StPO kein Sachverständiger beigezogen wurde, sowie die Unverhältnismäßigkeit der Anhaltung geltend gemacht wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Grund der Umwandlung der Untersuchungshaft in eine vorläufige Anhaltung war das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie, Dr. H***** (ON 13), dem zufolge bei Milan B***** zur Tatzeit eine gemischte schizoaffektive Störung vorlag, bei der es sowohl zu Symptomen der Schizophrenie wie auch des manisch-depressiven Krankseins kommt, sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Störung der psychosexuellen Entwicklung bestand, wodurch aus medizinischer Sicht die Zurechnungsunfähigkeit des Betroffenen indiziert war. Dieser Ansicht trat auch das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht bei, welches zudem, ebenso wie die Untersuchungsrichterin, auf Basis des Gutachtens eine hohe Gefahr der Begehung schwerwiegender Aggressionsdelikte durch den Beschwerdeführer (von Körperverletzung bis Tötung) unter dem Einfluss seiner Geisteskrankheit und seiner hochgradigen Persönlichkeitsstörung gegen sich und andere Personen als gegeben erachtete (S 155).
Damit wurde nicht nur der von der Beschwerde gar nicht in Abrede gestellte Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO angenommen, sondern auch hinreichend begründet, dass der Betroffene nicht ohne Gefahr für sich oder andere auf freiem Fuß bleiben kann. Liegt aber einer der in § 180 Abs 2 StPO angeführten Haftgründe sowie Selbst- oder Fremdgefährlichkeit vor, dann ist gemäß § 429 Abs 4 StPO die vorläufige Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder die Einweisung in eine öffentliche Krankenanstalt für Geisteskrankheiten anzuordnen. Dies gilt in sinngemäßer Anwendung der Bestimmung des § 434 Abs 1 erster und dritter Satz StPO, welche den Übergang von einem Strafverfahren zu einem Unterbringungsverfahren und umgekehrt ermöglicht, auch dann, wenn sich die Zurechnungsunfähigkeit des dringend Tatverdächtigen auf Grund einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades erst nach vorangegangener Verhängung der Untersuchungshaft im Zuge der Voruntersuchung - hier auf Grund des Gutachtens eines Sachverständigen für das Gebiet der Psychiatrie - ergibt und die übrigen Voraussetzungen des § 21 StGB vorliegen. Die im Interesse des Betroffenen und mit Rücksicht auf Schwere und Dauer der Unterbringung geschaffenen, schon in dem hier aktuellen, nur auf eine vorläufige Maßnahme ausgerichteten Verfahrensstadium zu berücksichtigenden Besonderheiten des Verfahrens (obligatorische Voruntersuchung, Verteidigerzwang, Untersuchung durch einen Sachverständigen für das Gebiet der Psychiatrie, Anhörung der Parteien zu der in Betracht gezogenen Maßnahme) wurden diesfalls beachtet.
Vor diesem Hintergrund gehen die Beschwerdeeinwendungen ins Leere. Die Behauptung, die Umwandlung der Untersuchungshaft in eine vorläufige Anhaltung sei ohne gleichzeitige Unterbringung in einer entsprechenden Anstalt unzulässig, verkennt, dass die spruchgemäße Umwandlung der Untersuchungshaft in eine vorläufige Anhaltung durch den Hinweis auf § 429 Abs 4 und Abs 5 StPO die dort vorgesehene Anordnung dieser Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher oder die Einweisung in eine öffentliche Krankenanstalt für Geisteskrankheiten zwangsläufig in sich begreift. Einer ausdrücklichen Verbalisierung bedurfte es daher insoweit nicht. Der Einwand, bereits die Verhängung der Untersuchungshaft hätte mit Blick auf den ständigen Aufenthalt des Beschuldigten in Österreich, seiner aufrechten Meldung im Staatsgebiet und seiner Unbescholtenheit durch die Anwendung gelinderer Mittel, wie etwa der Abnahme der Reisedokumente und/oder der Auflage, sich in bestimmten Zeiträumen bei der Polizei zu melden, und auf Grund der Unverhältnismäßigkeit der Haft im Vergleich zu der allenfalls zu erwartenden Strafe unterbleiben müssen, verfehlt den maßgebenden Bezugspunkt, nämlich die allein angefochtene Umwandlung der Untersuchungshaft in eine (vorläufige) Anhaltung, für deren Zulässigkeit die angeführten Kriterien nicht relevant sind.
Mit dem auf eigenen spekulativen Erwägungen beruhenden Vorbringen, die Erkrankung des Betroffenen biete keinen Anlass zur Inhaftierung bzw Anhaltung, weil er bereits ca dreizehn Jahre in Behandlung stehe, sich diesen Behandlungen freiwillig unterzogen habe und in dieser Zeit nicht strafrechtlich auffällig geworden sei, weshalb die im psychiatrischen Gutachten enthaltene Prognose, dass mit einer unregelmäßigen Einnahme der notwendigen Medikamente zu rechnen sei, weder eine Verhängung noch eine Umwandlung der Untersuchungshaft in eine (vorläufige) Anhaltung rechtfertigen könne, zumal der damit verfolgte Zweck auch durch die Auflage, sich regelmäßig bei einem geeigneten Arzt zur Untersuchung zu melden oder durch andere (nicht konkretisierte) zweckentsprechende Weisungen erreicht werden könne, wird ein Fehler des Beschwerdegerichtes in der Beurteilung der Selbst- und Fremdgefährlichkeit des Betroffenen nicht aufgezeigt. Soweit der Beschwerdeführer in der Unterlassung einer Begründung für das Unterbleiben der Beiziehung eines Sachverständigen zu den Vernehmungen durch die Untersuchungsrichterin eine Verletzung der Bestimmung des § 429 Abs 2 Z 3 StPO behauptet, übersieht er, dass das Gesetz die Zuziehung eines Sachverständigen zu den Vernehmungen nicht als Regel normiert, von welcher nur ausnahmsweise abgegangen werden darf, sondern dem Untersuchungsrichter nur die Möglichkeit einräumt, (aus begründetem Anlass) die Vernehmung des Betroffenen im Beisein eines Sachverständigen durchzuführen. Dass die Untersuchungsrichterin dies vorliegend nicht für erforderlich hielt, musste sie daher nicht begründen.
Der gegen die Gefährlichkeitsprognose (ersichtlich des § 429 Abs 4 erster Satz StPO) vorgebrachte Einwand schließlich, der Beschwerdeführer habe die Polizeibeamten nicht entwaffnet, sondern dies lediglich versucht, ist von vornherein verfehlt, weil die für die Selbst- und Fremdgefährlichkeitsprognose (auch) maßgeblichen Sachverhaltsannahmen sich auf die gefährliche Drohung und nicht auf die (versuchte) Entwaffnung der Polizeibeamten beziehen. Eine Grundrechtsverletzung liegt daher nicht vor, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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