OGH 4Ob75/07v

OGH4Ob75/07v22.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Auskunft und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 28.000 EUR) über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 5. Februar 2007, GZ 2 R 12/07k, 2 R 13/07g-18, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin nimmt im Revisionsrekursverfahren noch den Schutz für ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Anspruch. Gegenstand des Schutzrechts nach der VO (EG) Nr 6/2002 des Rates vom 12. 12. 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) ist die Erscheinungsform eines Erzeugnisses, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt. Das Erzeugnis genießt dann Schutz, wenn es neu und eigenartig ist (Art 4 Abs 1 GGV). Ob ein Geschmacksmuster Eigenart besitzt und damit die Schutzvoraussetzungen des Art 4 GGV erfüllt, unterliegt ohne jeden Zweifel der rechtlichen Beurteilung.

Der Senat hat zur Eigenart von Geschmacksmustern bereits in seinen Entscheidungen 4 Ob 177/05s und 4 Ob 246/06i Stellung genommen. Danach kommt es bei der Beurteilung der Eigenart auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden und auf ihre Unterschiede zu prüfenden Geschmacksmuster an. Es sind die einzelnen Merkmale des Geschmacksmusters nach ihrem Beitrag zum Gesamteindruck zu bewerten und zu gewichten; ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist jedenfalls dann eigenartig, wenn keines der davor bekannten Geschmacksmuster alle prägenden Merkmale aufweist oder wenn ein vorbekanntes Geschmacksmuster zwar prägende Merkmale umfasst, das Gemeinschaftsgeschmacksmuster diese Merkmale aber nicht besitzt. Bei Beschreibung der Schutzvoraussetzung „Eigenart" unterscheidet die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung nicht zwischen eingetragenen und nicht eingetragenen Geschmacksmustern. Der Beurteilung ihrer jeweiligen Eigenart unterliegt daher denselben Kriterien, es kommt in beiden Fällen auf den bereits beschriebenen Gesamteindruck an. Nach Art 11 Abs 1 GGV genießt ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster Schutz für die Dauer von drei Jahren beginnend mit dem Tag, an dem es der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft erstmals zugänglich gemacht wurde. Welche Schritte dafür erforderlich sind, normiert Art 11 Abs 2 GGV ganz eindeutig: das Geschmacksmuster gilt als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise bekanntgemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und verwirklicht - abgesehen von einer auffallenden Fehlbeurteilung - keine erhebliche Rechtsfrage. Im vorliegenden Fall steht fest, dass das Model Nr 9724 am 15. 1. 2005 auf einer (Schuh-)Messe in Riva del Garda der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde. Soweit daher die Vorinstanzen davon ausgingen, dass das Modell ab diesem Zeitpunkt den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen hätte bekannt sein können, ist eine auffallende Fehlbeurteilung nicht zu erkennen.

Die Beklagte beanstandet die Verwertung englischsprachiger Urkunden ohne Übersetzung und macht geltend, den Vorinstanzen sei insoweit eine Aktenwidrigkeit jedenfalls aber eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens unterlaufen. Sie hätten diese Urkunden nicht berücksichtigen dürfen. Dementsprechend hätten sie auch nicht annehmen dürfen, dass der Designer seine Rechte der Klägerin übertragen habe. Zu diesem Einwand der Beklagten sei angemerkt, dass das Erstgericht zwar englischsprachige Urkunden ohne Übersetzung zum Akt genommen, jedoch darüber hinaus den Geschäftsführer der Klägerin zum gesamten Beweisthema einvernommen und seine Feststellungen auf diese Einvernahme gestützt hat. Die Entgegennahme der Urkunden ohne entsprechende Übersetzungen hatte somit praktisch keinen Einfluss auf das Verfahrensergebnis. Davon abgesehen hat schon das Rekursgericht - der Sache nach - eine insofern nur in Betracht kommende Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz - im Revisionsrekursverfahren nicht mehr überprüfbar - verneint.

Stichworte