OGH 8Ob38/07g

OGH8Ob38/07g21.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek, Dr. Glawischnig und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** KEG, ***** vertreten durch Dr. Georg Schuchlenz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Kassin, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, wegen 1,111.943,14 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 10. Jänner 2007, GZ 2 R 197/06t-42, womit über Rekurs der Klägerin der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. November 2006, GZ 22 Cg 43/06z-38, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.648,31 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 608,05 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin, die zuletzt Schadenersatz in Höhe von 1,111.943,14 EUR sA wegen einer behaupteten unvollständigen und mangelhaften Lieferung der bei der Beklagten bestellten Blockheizkraftwerke begehrt, stellte in ihrer am 6. 3. 2006 beim Erstgericht eingelangten Klage den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe in vollem Umfang, der vom Erstgericht mit Beschluss vom 27. 3. 2006 bewilligt wurde. Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 8. 6. 2006 wurde der Klägerin der nunmehrige Klagevertreter als Verfahrenshelfer beigegeben.

Es ist nicht aktenkundig, dass die Klägerin ihrem Verfahrenshelfer überdies Prozessvollmacht erteilte.

In der Verhandlungstagsatzung am 8. 11. 2006 wurde ein bedingter Vergleich geschlossen, mit welchem sich die Beklagte verpflichtete, der Klägerin 65.000 EUR binnen 14 Tagen ab Freigabe eines beim Erstgericht hinterlegten Betrages zu bezahlen. Der Vergleich sollte rechtswirksam werden, wenn er nicht von einer der Parteien bis längstens 15. 11. 2006 (beim Erstgericht einlangend) mittels Schriftsatzes widerrufen wird. In dieser Verhandlungstagsatzung war für die Klägerin nur der Verfahrenshelfer, nicht aber die geschäftsführende Gesellschafterin der Klägerin anwesend. Am 13. 11. 2006 langte ein von der geschäftsführenden Gesellschafterin der Klägerin unterzeichneter Schriftsatz beim Erstgericht ein, in welchem sie ausführte, es sei ihr nicht möglich, eine „Annahme bzw Empfehlung" für diesen Vergleich abzugeben, weil sie über den Verhandlungsverlauf nicht Bescheid wisse und überdies die im Vergleich aufscheinende Vergleichssumme zu niedrig sei. Es sei nicht einmal ein schriftliches Protokoll über den Verhandlungsverlauf zugestellt worden. Es wäre unbillig, müsste die Klägerin innerhalb der knappen Widerrufsfrist ohne ausreichenden Wissensstand Entscheidungen mit weitreichenden Folgen treffen.

In diesem Schriftsatz beantragte die Klägerin die Erstreckung des Widerrufstermines vom 15. 11. 2006 um etwa „drei/vier Wochen nach Einlangen des Verhandlungsprotokolls".

Am 15. 11. 2006 langte ein im Wesentlichen gleichlautender Schriftsatz der Klägerin, diesmal unterfertigt durch den Verfahrenshelfer, beim Erstgericht ein.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erstreckung der Widerrufsfrist (ebenso wie weitere, für das Revisionsrekursverfahren nicht mehr relevante Anträge der Klägerin) zurück und sprach in Punkt 5. seines Beschlusses aus, dass der zwischen den Streitteilen am 8. 11. 2006 zustande gekommene Vergleich rechtswirksam sei.

Das Erstgericht ging davon aus, dass das Gericht Widerrufstermine nicht prolongieren könne. Aus dem Schriftsatz der Klägerin sei ein Vergleichswiderruf nicht abzuleiten. Der zunächst bedingt zustande gekommene Vergleich sei daher rechtswirksam und das Verfahren beendet.

Am 30. 11. 2006 bestätigte das Erstgericht die Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Vergleiches.

Über Rekurs der Klägerin bestätigte das Rekursgericht die Zurückweisung des Erstreckungsantrages, gab dem Rekurs der Klägerin insoweit Folge, als es Punkt 5. des Beschlusses des Erstgerichtes ersatzlos behob und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auftrug. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass die Rekurswerberin zwar mit ihren Eingaben primär eine unzulässige Verlängerung der Widerrufsfrist angestrebt habe. Es könne allerdings kein Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin dem Vergleich selbst nicht zugestimmt habe. Eine Auslegung nach der Übung des redlichen Verkehrs ergebe daher, dass der Schriftsatz der Klägerin als rechtzeitiger Vergleichswiderruf zu werten sei. Dementsprechend sei Punkt 5. des angefochtenen Beschlusses ersatzlos zu beheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen. Der dagegen von der Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Auslegung des Vorbringens der Klägerin als Vergleichswiderruf im Hinblick darauf unvertretbar ist, dass die Klägerin im Fristverlängerungsantrag deutlich zum Ausdruck brachte, über die Frage des Widerrufs gerade noch keine Entscheidung getroffen zu haben. Der Revisionsrekurs ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagten war in Analogie zu § 521a ZPO die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung freizustellen: Die angefochtene Entscheidung betrifft die Frage, ob der Vergleich prozessbeendende Wirkung entfaltet oder ob das Verfahren fortzusetzen ist (vgl dazu Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 521a ZPO Rz 8 mwN). Das Erstgericht hat mit seinem Ausspruch, dass der Vergleich rechtswirksam sei, zu erkennen gegeben, dass es von einem wirksamen Vergleichswiderruf der Klägerin nicht ausgehe.

Das Gesetz selbst sieht eine solche Beschlussfassung nicht ausdrücklich vor. Beruft sich, wie hier, der Kläger auf die prozessuale Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleiches, ist ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu stellen. Mit der Entscheidung des Gerichtes über diesen Fortsetzungsantrag erfolgt im Wege der Vorfragenbeurteilung eine Klärung der Wirksamkeit des Prozessvergleiches (vgl dazu Klicka in Fasching/Konecny² II/2 §§ 204, 206 ZPO Rz 38 f mwN).

Eine Qualifizierung des Schriftsatzes der Klägerin als Fortsetzungsantrag kommt allerdings nicht in Betracht, weil die Klägerin mit dem genannten Schriftsatz lediglich eine Verlängerung der Widerrufsfrist anstrebte. Die Feststellung des Erstgerichtes über die Rechtswirksamkeit des Vergleiches kann daher nicht als Entscheidung über einen Verfahrensfortsetzungsantrag der Klägerin gedeutet werden. Auch als unanfechtbare Erteilung einer - seit der EO-Nov 1995 (§ 54 Abs 2 Satz 2 EO) für Vergleiche nicht mehr vorgesehenen - Vollstreckbarkeitsbestätigung ist die Entscheidung des Erstgerichtes entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung nicht zu verstehen: Das Erstgericht erteilte nach der Beschlussfassung über die Rechtswirksamkeit des Vergleiches gesondert eine Vollstreckbarkeitsbestätigung und brachte überdies in der Begründung seines feststellenden Beschlusses über die Rechtswirksamkeit des Vergleiches zum Ausdruck, dass es durch seine Beschlussfassung die Beendigung des Verfahrens feststellen wolle. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der erstgerichtliche Beschluss überhaupt anfechtbar ist: Grundsätzlich sind im zivilgerichtlichen Verfahren ergangene Beschlüsse immer anfechtbar, wenn ihre Anfechtung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 vor §§ 514 ff ZPO Rz 34 mwN). Das muss auch für vom Gericht gefasste Beschlüsse, die gesetzlich nicht vorgesehen sind, gelten, sofern die Zulässigkeit der Anfechtung nicht mangels Beschwer zu verneinen ist. Ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Bekämpfung des erstgerichtlichen Beschlusses, auch wenn dieser bloß deklarativ wirkt, ist jedoch schon allein dadurch begründet, dass zumindest nicht undenkbar ist, dass die Rechtskraft dieses Beschlusses dem Erfolg eines Antrages der Klägerin auf Verfahrensfortsetzung entgegen stehen könnte. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher die Beschwer und damit die Anfechtbarkeit des erstgerichtlichen Beschlusses zu bejahen.

Zutreffend hat das Rekursgericht somit Punkt 5 des erstgerichtlichen Beschlusses inhaltlich überprüft.

Auch wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass ein wirksamer Vergleichswiderruf nicht erfolgte, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen: Eine Erteilung einer entsprechenden Prozessvollmacht durch die Klägerin an ihren Verfahrenshelfer ist ebensowenig aktenkundig wie eine Zustimmung der Klägerin - deren geschäftsführende Gesellschafterin beim Abschluss des bedingten Vergleiches nicht anwesend war - zum Vergleichsabschluss. Damit konnte der nur vom Verfahrenshelfer für die Klägerin geschlossene bedingte Vergleich schon deshalb nicht rechtswirksam werden, weil gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO der als Verfahrenshelfer beigegebene Rechtsanwalt der Zustimmung der Partei zur Schließung eines Vergleiches bedarf. Eine solche Zustimmung der Klägerin zum Vergleichsabschluss liegt hier nicht vor. Dem Vergleich kommt aus diesem Grund keine prozessuale Wirksamkeit zu, weshalb das Rekursgericht im Ergebnis zu Recht die Feststellung des Erstgerichtes über die Wirksamkeit des Vergleiches ersatzlos behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen hat.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: Es liegt ein selbständiger Zwischenstreit vor.

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