OGH 10Ob34/07h

OGH10Ob34/07h11.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Simina-Coca I*****, vertreten durch Mag. Claudia Steegmüller, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Florin I*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 52.700, Rente und Feststellung (Streitwert: EUR 24.840 und EUR 2.000), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2006, GZ 11 R 96/06b-21, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 16. August 2006, GZ 8 Cg 21/06a-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. 4. 2003, 95 Hv 16/03y-37, wurde der Beklagte wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB verurteilt. Danach hat er der Klägerin am 7. 1. 2003 dadurch, dass er mit einem Schuhlöffel auf ihren Kopf einschlug und ihr weitere Schläge und Tritte gegen den Körper versetzte, eine Gehirnerschütterung, eine Rissquetschwunde am Hinterkopf, eine Bauchprellung, eine Nervenlähmung der 7. Gehirnnerven, eine Bruchverletzung des linken Schläfenbeines, eine Bruchverletzung des knöchernen Kanals des 7. Gehirnnerves, Teilausrenkungen von Gehörknöchelchen und eine Blutung in das Schädelinnere zugefügt, welche Verletzungen eine Gesundheitsschädigung von mehr als 24 Tagen zur Folge hatten. Weiters hat der Beklagte die Klägerin im Jänner 2003 durch die wiederholte Äußerung, er werde sie umbringen, er werde sie würgen, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Mit ihrer am 30. 3. 2006 beim Erstgericht überreichten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten EUR 52.700 sA an Schmerzengeld und Heilungskosten, eine monatliche Rente von EUR 690 ab April 2006 und erhebt auch ein Feststellungsbegehren.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete unter anderem Verjährung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB sei mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht, und stelle daher keine im Sinn des § 1489 Satz 2 ABGB qualifizierte, strafbare Handlung dar. Die schwere Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1, § 84 Abs 1 StGB sei zwar mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht, allerdings könne eine derartige strafbare Handlung auch fahrlässig begangen werden (§ 88 Abs 1 und 4 StGB). Auch darin liege daher keine qualifiziert strafbare Handlung im Sinne des § 1489 Satz 2 ABGB. Da für den Klageanspruch somit nicht die dreißig- sondern die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB gelte, sei das Klagebegehren infolge Verjährung zur Gänze abzuweisen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes komme hier die lange Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 2 ABGB zur Anwendung. Entscheidend für die zur langen Verjährungsfrist führende Qualifikation im Sinne des § 1489 Satz 2 ABGB sei neben dem dort genannten Strafrahmen, dass die Handlung des Schädigers die Voraussetzungen eines gerichtlich strafbaren Vorsatzdeliktes erfülle; dies sei hier im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zu bejahen. Ob das Strafgesetzbuch auch ein entsprechendes Fahrlässigkeitsdelikt kenne (ob also die Tathandlung auch dann strafbar wäre, wenn sie nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig begangen worden wäre), sei - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - unerheblich. Da sich das Berufungsgericht bei seiner Auslegung der Wendung „die nur vorsätzlich begangen werden können" in § 1489 Satz 2 [zweiter Fall] ABGB auf keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe stützen können, sei der Rekurs nach § 519 Abs 1 Satz 2 ZPO zuzulassen.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass „der Berufung nicht Folge gegeben und die Klage abgewiesen" werde.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist - entgegen dem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichts - nicht zulässig.

Der Rekurswerber macht geltend, der Wortlaut des § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB spreche gegen die Auslegung durch das Berufungsgericht. Richtig sei vielmehr die Beurteilung des Erstgerichts, weil selbst bei einem Misshandlungsvorsatz die schweren Folgen der Qualifikation gemäß §§ 83, 84 StGB auch fahrlässig herbeigeführt werden könnten. Gerade für einen derartigen Fall habe der Zivilgesetzgeber keine 30-jährige Verjährungsfrist vorgesehen. Man müsse sich streng an den Wortlaut des § 1489 ABGB halten und dem Erstgericht folgen.

Dem hält die Rekursbeantwortung entgegen, auch die Misshandlung müsse vorsätzlich begangen werden, damit es zu einer Subsumtion unter § 83 Abs 2 kommen könne. Damit sei ein Vorsatzdelikt verwirklicht, das nicht fahrlässig begangen werden könne. Im vorliegenden Fall sei der Beklagte aber ohnehin nicht nach § 83 Abs 2 ABGB sondern nach § 83 Abs 1 ABGB iVm § 84 Abs 1 StGB verurteilt worden. Außerdem stelle § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB eine vom Gesetzgeber gewollte Pönalisierung des Täters dar (7 Ob 552/88).

Letzteres entspricht der erst jüngst (in der E vom 13. 9. 2006, 3 Ob 120/06b) wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes:

„§ 1489 zweiter Satz zweiter Fall ABGB statuiert eine dreißigjährige Verjährungsfrist für Schadenersatzklagen, wenn der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, entstanden ist. Diese lange Verjährungsfrist stellt eine vom Gesetzgeber gewollte Pönalisierung des Täters dar. Die Dauer der Verjährung ist das Resultat einer Interessenabwägung zwischen dem Verfolgungsinteresse des Geschädigten und der Sicherheit des Schädigers vor der Inanspruchnahme wegen lange zurückliegender Handlungen, die im Falle eines derart qualifizierten schuldhaften Verhaltens zu Lasten des Schädigers ausschlägt. Aufgrund des Unrechtsgehalts der Tat wird dem deliktisch strafbaren Schädiger der Einwand der Dreijahresfrist genommen."

Dass diese Voraussetzungen auch auf den Beklagten zutreffen, weil er unter anderem wegen schwerer Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (also einem Vorsatzdelikt, das mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist) verurteilt wurde, bedarf keiner weiteren Begründung. Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, wonach die Anwendung der langen Verjährungsfrist (zwar) nicht von der strafgerichtliche Verurteilung des Täters abhängig ist (Dehn in KBB, § 1489 ABGB Rz 5; RIS-Justiz RS0034398), für die Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist in § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB (aber) erforderlich ist, dass der Schädiger gerade dem Geschädigten gegenüber ein entsprechendes Delikt begangen hat (RIS-Justiz RS0034432 [T2]), zB - wie hier - vorsätzliche schwere Körperverletzung (4 Ob 234/06z). Außerdem wurde im bisherigen Verfahren übersehen, dass der Oberste Gerichtshof auch die angesprochene Frage bereits ausdrücklich beantwortet hat:

In der Entscheidung 9 Ob 34/06z ist nämlich nicht nur festgehalten, die (dort) vom Kläger „begründete" (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) „strafbare Handlung" nach den §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z 4 StGB (zur Terminologie: Ratz in Fuchs/Ratz, WK zum StGB, Vorbem zu §§ 28 - 31) könne nur vorsätzlich begangen werden und sei mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht, weshalb iSd § 1489 ABGB die dreißigjährige Verjährungsfrist maßgebend sei; es wird vielmehr auch Folgendes ausgesprochen:

„Der Einwand, dass Körperverletzungsdelikte auch fahrlässig begangen werden können, verkennt, dass bei der Beurteilung iSd § 1489 ABGB auf die konkrete vom Täter verwirklichte strafbare Handlung abzustellen ist [RIS-Justiz RS0120829] und daher der Umstand, dass es auch andere Körperverletzungsdelikte gibt, die Fahrlässigkeitsdelikte sind, ohne Relevanz ist (vgl dazu M. Bydlinski in Rummel³ § 1489 Rz 5 unter Berufung auf RdW 1994, 244, wonach nur die qualifizierten Betrugsformen mit entsprechender Strafe bedroht und daher §1489 ABGB zu unterstellen sind, während Ansprüche aus nicht qualifiziertem Betrug der kurzen Verjährungsfrist unterliegen; auch in diesem Zusammenhang kann nicht gesagt werden, dass - weil es auch Betrugsdelikte gibt, die nicht mit entsprechender Strafe bedroht sind - Betrugsdelikte generell der kurzen Verjährungsfrist unterliegen)."

Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nicht vor, weshalb der Rekurs zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen.

Stichworte